Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 16. Februar, Teil 2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Sehr oft erhalten die insgesamt häufigen Verfilmungen der Romane von Philip Roth recht schlechte Filmkritiken und wie sehr sie an der Kinokasse erfolgreich waren, wissen wir nicht. Wir gehören wohl zu der Minderheit, der die Verfilmungen gefallen, was auch für EMPÖRUNG zutrifft.


Vielleicht liegt der Hintergrund auch darin, daß ich die Romane gerne lese. An dieser Verfilmung fällt ein Sachverhalt auf, der einerseits filmisch wunderbar gelöst wird, was andererseits nervig wird und vom Inhalt ablenkt. Es geht um die Ausstattung und Kostüme, die für die Fünfziger Jahre derart historisch überzeugend in Schnitt, Farben, Täschchen und Schühchen auffallen, daß die eigene Aufmerksamkeit immer wieder völlig auf diese konzentriert war. Und wer diese Zeiten noch erlebte, weiß auch, daß Mode nicht immer von allen wahrgenommen wurde, manche kleideten sich immer zeitlos, von daher war die Wirklichkeit sehr viel schlichter und nicht so aus einem Guß wie Ausstattung und Kostüme im Film einen glauben machen.

Natürlich entsteht auch durch diese übertriebene Berücksichtigung – die nicht nur für diesen Film gilt – eine historische Atmosphäre, die leicht verdeckt, daß die Geschichte zwar in den Fünfzigern spielt, aber das Erwachsenwerden und sich von zu Hause Abkoppeln eben auch ein so generelles Thema ist, das dieses vorgeht, hier aber leicht in den Hintergrund rückt.

Also, es geht um den amerikanischen jüdischen Metzgersohn Marcus Messner (Logan Lerman) aus Newark, von dem die Eltern Großes erwarten. Er selbst auch. Er will studieren und er soll nach Korea. Der Krieg tobt. Aber, wenn er ein Stipendium erreichen könnte, dann darf er sofort studieren, weil dies den Kriegseinsatz, das Soldatensein verhindert. Marcus erfüllt die Kriterien und bekommt ein Stipendium für ein College in Ohio, also für den Mittelwesten, das ist einerseits schon ganz weit weg, aber noch von New Jersey aus zu erreichen.

Er fährt mit großen Hoffnungen und erlebt schnell in seinem College, daß jeder von ihm etwas erwartet, was gar nicht sein Ding ist. Er kommt in eine Stube, wo schon jüdische Studenten auf ihn warten. Die sind enttäuscht, daß er weder koscher lebt, noch sich sonst an deren Freizeitvergnügen beteiligt. Er ist aber nicht religiös und als er das gegenüber seinem Dekan äußert, steckt der ihn gleich in den christlichen Gottesdienst. Das ist Pflicht und er muß tatsächlich ständig in die Kirche laufen. Da er gelernt hat, sich anzupassen, erfüllt er brav alle Pflichten, fühlt sich aber mies und abhängig.

Er liebt das Lernen, kommt im Studium gut voran, aber seine Ideen, die er äußert, sind eben seine Ideen, bisher wird aber am College eher wiedergekäut. Nicht nur konventionell sind die Ansichten der Oberen, sondern reaktionär. Er fühlt sich völlig unverstanden. Nach und nach empfindet er sein Eingeschnürtsein und verliert seinen Schwung, aber da er schon bald Olivia (Sarah Gadon) kennengelernt hatte, den weiblichen Star des Colleges, die wie er ein Außenseiter ist und ihn favorisiert,  schöpft er neue Hoffnung.

Seine Gefühle für sie sind das eine, aber ihre Weiblichkeit das andere. Olivia nämlich überfordert ihn einerseits sexuell und unterfordert sein Gefühlsleben. Sie bietet ihm ihre sexuellen Praktiken des Pettings, einschließlich Oralverkehr an, wo er schon mit Händchenhalten im Dunkeln oder Hand in Hand emotional hochgestimmter gewesen wäre. Eine weitere Verstörung also. Damit ist erst einmal die Situation geschildert, bei der man sich ständig fragt, ob Philip Roth hier seine eigene Jugend und das eigene Abnabeln von Eltern und Kindheit schildert, oder ob er nur seine Erfahrungen im College einfließen läßt.

Der Film von James Schamus geht einen Mittelweg. Marcus begehrt nicht auf. Der Film auch nicht. Er ist nicht wütend über die Situation. Andererseits benennt er die Mißstände deutlich. Von daher entsteht eine leicht lähmende Situation, die dem Film eine Schwere gibt, auch eine Traurigkeit, weil kein Ausweg zu sehen ist, solange Marcus sich nicht deutlicher abgrenzt. Im Inneren aber hat er das getan, kann oder will es aber in seinem Verhalten nicht zeigen.