Berlinale Tagebuch 2017, Teil 7

Hanswerner Kruse

Berlin (Weltexpresso) - Wieder einmal verlasse ich vorzeitig den Berlinale-Palast. „Colo“, die portugiesische Sozial-Tristesse zieht sich ewig hin (138 Minuten) - und ich bin unter Zeitdruck.

Denn die täglichen drei Wettbewerbs-Filme und ihre Pressekonferenzen sind so dicht getaktet, dass ich ständig zu früh gehen muss. Zwischendurch schreibe ich dann dieses Tagebuch.


Ein Servicemann erzählt mir, dass er neulich im Monitor neben seinem  Kaffeeautomaten eine tolle Pressekonferenz mit einer Regisseurin erlebt hätte. Am nächsten Morgen sei sie zum Kaffeetrinken gekommen und er fand es toll, dass er ihren Film loben konnte.

Manchmal sind diese Konferenzen einfach großartig, wie gestern mit dem finnischen Regisseur Aki Kaurismäki. Er sieht so muffig und schräg aus wie seine Filmfiguren, aber wenn er den Mund aufmacht, ist er warmherzig und doch ironisch. So wie seine Filme. Auf die Frage einer Kollegin, was er denn von der „Islamisierung Europas“ halte, knurrte er, man spräche ja auch nicht von der Islandisierung Europas, nur weil Island bei der letzten Fußball-EM so gut gewesen sei. Sein Schauspieler sang dann ein trauriges finnisches Lied. „So ist Finnland“, meinte der Regisseur.


Gerne branden bei diesen Konferenzen auch immer wieder Fragen nach der „Wahrheit“ im Film auf. Gestern bei der spannenden Doku über den Künstler Joseph Beuys wurde nicht gemeckert, weil der Regisseur ja Originaldokumente verwendet hatte. Aber deren Auswahl und, vor allem, deren Gestaltung ist ja auch sehr subjektiv: War Beuys wirklich „so“?


„Django“, der Eröffungsfilm, wurde heftig diskutiert, weil der Musiker „so“ ja nicht von den Nazis verfolgt worden und nie in der Schweiz gewesen sei. Doch es wurde eine Episode aus seinem Leben genutzt, der Streifen erhob nicht den Anspruch eines Dokumentarfilms. Ein Spielfilm, Filmkunst, darf frei den Geist einer Epoche verdeutlichen und Fragen aufwerfen, sie muss nicht die vermeintliche historische Wahrheit zeigen.

Foto: Pressekonferenz Aki Kaurismäki (c) Hanswerner Kruse