Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 16. Februar 2017, Teil 8
Margarete Frühling
München (Weltexpresso) - Icare ist neun Jahre alt. Er wurde zu Hause immer nur Zucchini genannt, deshalb ist das der Name, den er mag und auf den er hört. Er lebt allein mit seiner alkoholkranken Mutter, die ihre Zeit Dosenbier trinkend vor dem Fernseher verbringt.
Da sie nie Zeit für den Jungen hat, spielt er meistens allein in seinem Zimmer. Gerade hat er einen Drachen gebastelt, auf den er seinen seit vielen Jahren abwesenden Papa als Superman gemalt hat.
Durch einen tragischen Unfall, an dem Zucchini nicht ganz schuldlos ist, stirbt seine Mutter und er wird von dem netten Polizisten Raymond in das Waisenhaus "Haus der Springbrunnen" der Direktorin Madame Papineau gebracht.
Zucchini muss versuchen, in der neuen Umgebung Freunde zu finden, und auch lernen, sich durchzusetzen. Am Anfang hat er große Probleme, vor allem da ihn der vorwitzige und schlaue Simon, der Anführer der Kinder, dauernd hänselt, beim Essen, im Schulunterricht und sogar in der Nacht. Nachdem er sich aber gegen Simon einmal durchsetzen konnte, werden die beiden gute Freunde und Simon erzählt ihm, weshalb die anderen Kinder im Heim sind. Da sind z.B. Béatrice, deren Mutter abgeschoben wurde, Ahmed, dessen Vater im Gefängnis sitzt, oder Alice, die von ihrem Vater missbraucht wurde. Simons Eltern selbst sind drogensüchtig und haben den Jungen vernachlässigt.
Eines Tages ändert sich aber alles für Zucchini. Mit Camille kommt ein neues Kind ins Heim. Der Junge verliebt sich sofort in das aufgeweckte und selbstbewusste Mädchen. Doch auch Camille hat eine dunkle Vergangenheit, ihr Vater hat ihre Mutter umgebracht. Vor allem will sie unter keinen Umständen zu ihrer Tante zurück, die sie schlecht behandelt, dies aber nach außen hin nicht merken lässt.
Während Zucchini regelmäßig von Raymond besucht wird, der darüber nachdenkt, ob er den Jungen nicht als Pflegekind annehmen will, müssen die Kinder einen Weg finden, damit Camille nicht bei ihrer Tante bleiben muss.....
Die schweizerisch/französische Koproduktion "Mein Leben als Zucchini" ist ein Stop-Motion-Animationsfilm. Der Film beruht auf dem Roman "Autobiographie d'une courgette" von Gilles Paris, der in Deutschland erstmals 2004 unter dem Namen "Autobiografie einer Pflaume" erschienen ist (das Pendant zum französischen "courgette" ist im Deutschen Pflaume oder Gurke). Der Albrecht Knaus Verlag hat zum Start des Films eine Neuauflage des Buches unter dem Namen "Mein Leben als Zucchini" veröffentlicht.
Das Drehbuch wurde von Céline Sciamma verfasst, Regisseur ist Claude Barras. Der Film wurde zuerst 2016 in Cannes gezeigt und er erhielt auch eine Golden Globe- und eine Oscar-Nominierung als bester animierter Film.
"Mein Leben als Zucchini" steckt mit den liebevoll animierten Puppen mit ihren großen Köpfen voller Charme und Poesie, obwohl in dem Film eine durchaus leidvolle Geschichte erzählt wird. Eigentlich geht es um alleingelassene, oftmals missbrauchte Kinder und ihre Suche nach Freundschaft, einer Zukunftsperspektive und vor allem Liebe. Diese ernsten Themen werden von den Machern des Films trotz des Animations-Charmes keineswegs beschönigt. Die Puppen sind bis ins kleinste Detail wundervoll gestaltet. Durch ihre Frisuren und ihre coolen Kostüme wird jedem der Kinder und Erwachsenen eine besondere, individuelle Note verliehen.
An einigen Stellen wurde der Film im Vergleich zum Buch vor allem bei den Hintergrundgeschichten der Kinder etwas entschärft. Dies geschah sicher auch deshalb, damit der Film für die Zielgruppe - Kinder im Grundschulalter - ansehbar und auch verständlich ist.
Trotzdem enthält "Mein Leben als Zucchini" einige wunderbare kindliche Diskussionen, die auch dem erwachsenen Publikum Vergnügen bereiten werden, z.B. wenn die Kinder darüber nachdenken, wie das wohl mit dem Sex und dem Kinder kriegen vor sich geht. Gleichzeitig findet nach der Geburt des Kindes der Betreuerin Rosie aber auch eine der traurigsten Unterhaltungen statt, wenn die Kinder bemerken, unter welchen Bedingungen Rosie ihr Kind auf jeden Fall behalten und nicht ins Heim abschieben wird.
Der Film wurde von der Filmbewertungsstelle zu Recht mit dem Prädikat "besonders wertvoll" ausgezeichnet. Regisseur Claude Barras und sein Team haben mit "Mein Leben als Zucchini" einen farbenfrohen, verspielten und warmherzigen Animationsfilm geschaffen, der wunderbar phantasievoll und schwungvoll schwierige Themen behandelt und gerade deshalb für Kinder im Alter von 6 - 11 Jahren geeignet ist, aber auch die Erwachsenen werden an dem Film ihre Freude haben. "Mein Leben als Zucchini" ist - auch wenn er nur 66 Minuten lang ist - unbedingt sehenswert.
Foto: Icare, genannt Zucchini © Polyband Medien GmbH
Info:
Mein Leben als Zucchini (Schweiz, Frankreich 2016)
Originaltitel: Ma vie de courgette
Genre: Animation
Filmlänge: 66 Min.
Regie: Claude Barras
Drehbuch: Céline Sciamma, nach dem Buch "Autobiographie d'une courgette" von Gilles Paris
Deutsche Sprecher: Linus Püttmann, Louisa Fuchs, Felix Lange u.a.
Verleih: Polyband Medien GmbH
FSK: ab 0 Jahren
Kinostart: 16.02.2017