Berlinale Tagebuch 2017, Teil 9

Hanswerner Kruse

Berlin (Weltexpresso) - Im Keller des Pressecenters hockt eine frierende junge Frau. Sie ist nicht das filmreife „Mädchen mit den Schwefelhölzern“, sondern gibt Pfandbecher aus. Für 2 Euro kann man einen schicken weißen Behälter mit dem roten Bären leihen (und behalten). Das ist preiswerter, als die offiziellen Müslischalen oder andere Andenken an das Festival.

Die Berlinale hat ihren ökologischen Anspruch: Kostenlose Kaffee wird den Journalisten nur in ihren eigenen Gefäßen gereicht und die Kapseln aus den Automaten werden wieder recycelt.


Schon immer will das Festival Verständigung und Toleranz fördern. Doch es reagiert nicht nur mit der Programmauswahl auf gesellschaftliche Situationen, sondern auch durch viele soziale Aktivitäten für Menschen mit geringem Einkommen oder Flüchtlinge. Auch die von mir befragten Service-Leute in allen Bereichen schätzen ihren Job.


Gestern, am letzten Tag des Wettbewerbs, wollte die Berlinale wohl noch mal so richtig zeigen, was sie drauf hat: Wir können auch Comic oder Action! Es gibt einen ganz exzellenten chinesischen Zeichentrickfilm („Have a Nice Day“). In sehr realistischen Farben und mit echten Geräuschen wird die Geschichte einer umkämpften Geldtasche gezeigt. Der Regisseur war lange Zeit Maler und dachte sich, „warum keinen Film malen?“


Außerdem läuft ein hektischer, blutiger Action Thriller: Von der Industrie ausgemusterte Mutanten, also künstliche Menschen, kämpfen um ihr Leben und das ihrer Kinder („Logan“). Neben mir heult eine russische Kollegin ganz fürchterlich.


Die ausländischen Kollegen diskutieren auf den Pressekonferenzen die Filme aus der Heimat - etwa Korea, Chile oder USA - oft kenntnisreich in ihren Muttersprachen. Das gibt dem Festival nicht nur die internationale Atmosphäre, sondern ermöglicht oft weitere neue Blicke auf die gerade gesehenen Streifen. So erfuhren wir in „Joaquim“, wie im modernen Brasilien immer noch die alten kolonialen Strukturen nachwirken.