Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 23. Februar 2017, Teil 1
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Ein völlig abgedrehter Film. Die ersten 25 Minuten wurden in Pressevorführungen schon vor Monaten gezeigt, das waren so tolle Bilder aus den USA und der Schweiz, daß man sich auf den ganzen Film von immerhin 2 Stunden und 27 Minuten freute. Aber welche Enttäuschung.
Und dennoch, trotz aller Längen und raren Handlungsverläufe, hat der Film was, was sich aber nur dem erschließt, der genug Zeit zu vergeuden hat, stundenlang seltsame Menschen und schöne Landschaften zu schauen. Daß wir dann dabeiblieben, hat auch mit dem tumben Tor Mr. Lockhart zu tun, den Dane DeHaan gar nicht darstellt, sondern buchstäblich ist. Mit ihm empfinden zumindest weibliche mütterliche Wesen zunehmend Mitleid, wie übel ihm mitgespielt wird und wie lange er bei einem Spiel mitspielt, das einfach nicht seines ist.
Von vorne. Mr. Pembroke – oder schreibt er sich wie die berüchtigte Gräfin Maria von Pembrock mit ck? - ist der Geschäftsführer einer Firma, wo es ums Geldscheffeln geht und die Angestellten sich völlig mit der Firma identifizieren müssen. Beim CEO ging das wohl so weit, daß er zerrüttet ein Heilsanatorium in der Schweiz aufsuchte, eigentlich vorübergehend für Wochen. Aber er taucht nicht mehr auf, schreibt nur, er komme nicht wieder. Und jetzt geht es weiter, wie: „Der Herr, der schickt den Jockel aus, er soll den Hafer schneiden; der Jockel schneid't den Hafer nicht, und kömmt auch nicht nach Hause. - Da schickt der Herr den Prügel...“
Der erste ist der ehrgeiziggeile Lockart, der von der Geschäftsleitung der Investmentfirma ausgesucht wird, den amtsmüden CEO nach Hause zu holen. Daß der Leichen im Keller hat und einen Vater, den wir nicht haben wollen, kommt strafverschärfend dazu. Das alles ist noch spannend und der Hauruck, mit dem er in der Schweiz in einem Zug in den Tunnel fährt, ist schon deshalb unvergessen, weil dies das raffinierteste Bild des Films bleibt. Einfach schön.
Regisseur Gore Verbinski hatte als Cineast angefangen und wurde als Blockbustergestalter mit den Karibik-Filmen ein Regiestar. Dieser Film soll seine filmische Ehre retten und nennt sich Mysterythriller, genauso gut ist er ein Psychothriller, auf jeden Fall ein Stilmix, denn viele Bilder sidn archetypisch und man meint, sie schon gesehen zu haben. Doch erst einmal gebührt dem Kameramann ein Medaille für die Bergaufnahmen, die grandios sind und zu denen sich ihr Gegenteil gesellen, nämlich Kammern und Rohre, Bergtunnel und Gräben, die furchterregend eng und glitschig sind und nichts für schwache Nerven oder gar mit Klaustrophobie belastete Menschen. Und selbst riesige leere Badekammern können auf ihre Art furchtbar sein.
Ein Sanatorium in der Schweiz, das auf einer Bergspitze (soll sich um die Hohenzollernburg in Bisingen handeln) thront. Na klar, das kennt man aus der Literatur und ist bei Thomas Manns ZAUBERBERG erst einmal nicht falsch. Mit dem Unterschied, daß es hier nicht um Lungen, die Krankheit des Fin de siècle, und Luft geht, sondern ebenso um Wasser und Anwendungen, lauter Sachen, die heute unter Wellness verstanden werden, was einmal medizinisch indiziert Kur genannt wurde. Dieser Ort ist auf jeden Fall für seine Heilquellen bekannt und kann aufgrund seiner qualifizierten Ärzte und Pfleger auch alle anderen Krankheiten und Gebrechen heilen. Besonders beliebt als Gesundbrunnen, wie die Verjüngungsbäder im Mittelalter und von Lucas Cranach gemalt, hießen. Auch darum stolzieren hier so viel alte Männer und Frauen herum, weil sie erstens Zeit haben, wenn sie aus dem Arbeitsprozeß ausgeschieden sind, der bei ihnen bedeutet hatte, ihr Lebensziel dem Geldanhäufen zu widmen. Hier wird das gescheffelte Geld dann ausgegeben.
Der gute Lockhart, der mit dem Taxi kam, läßt dieses noch warten, weil er nur nach seinem Pembroke schauen will und ihn gleich zum Flughafen mitnehmen will. Dann aber passieren Dinge, die nicht nur Pembrokes Heimkehr unmöglich machen, sondern auch den ausgeschickten Lockhart zum Patienten – an Leib und Seele übrigens.
Doch, das ist immer noch anschaulich und rasant...doch dann, nachdem man sich an den unheimlichen Gestalten sattgesehen hat, das junge flatterhafte Mädchen gar zu oft schweben sah, die Geschichte immer neue, merkwürdige Wendungen erhält, erlahmt das Interesse, erst für die Geschichte, dann auch für den Hauptdarsteller.
So komisch die ganzen Kurszenen sind, der Ausbruch des Patienten Lockhart ernsthaft war, so umständlich versucht der Film dann mit Krampf eine Bedeutung dem Ganzen zu unterlegen, die der Film aber nicht vermittelt. Tolle Szenen, aber nichts Ganzes, bis am Schluß dann der gesamte Vorstand aus den USA ins Sanatorium kommt, das als Heilkonzept PURITY BEFOLGER WELLNESS vorgibt, aber doch ganz schön verschimmelt ist.