Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 23. Februar 2017, Teil 12

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Rüdiger Suchsland hatte schon mit  VON CALIGARI ZU HITLER das deutsche Kino der Nachkriegszeit in der Weimarer Republik untersucht und setzt mit HITLERS HOLLYWOOD jetzt einen solchen Keil drauf, daß man sich nur eines wünscht, die Vielzahl der Filme und Aussagen in Ruhe noch einmal sehen zu können. Und dies mehrfach.


Wenn Fülle und zu viele Aussagen also eine Kritik darstellen, dann eben nur die eine, die in der Bewunderung in der Masse des Materials und der  Zugespitztheit der Interpretationen und Thesen liegt. Die Fülle gibt das Anschauungsmaterial vor. Rund 1000 Spielfilme wurden in der NS-Zeit zwischen 1933 und 1945 gedreht. Es war ausgesuchte politische Strategie, mit Hilfe von Filmen die Naziideologie unter der Hand durch Filme ins Gemüt träufeln zu lassen und gleichzeitig die Traumfabrik Hollywood durch eine deutsche zu ersetzen.

Sieht man die von Suchsland genommenen Beispiele an, also die ausgewählten Szenen aus ausgewählten Szenen plus einem wertenden Kommentar, so staunt man über die Breite des Angebots des damaligen deutschen Films, seine technische Perfektion und vor allem die emotionale Stärke, die die Filmausschnitte ausstrahlen. Einfach sehr gut gemachte Filme, und sie sind gleichzeitig als Instrument der Beeinflußung der Massen – Millionen gingen ins Kino und glaubten dort, reine Unterhaltung oder kulturelle Belehrung zu erleben – geeignet, ohne nach Propaganda auszusehen. Und das ist die geheime Wirkung, daß der normale Zuschauer die Manipulation nicht mitbekommt, es sei denn, er ist vorgewarnt oder verfügt über unser heutige geschichtliches Wissen.

Fast immer werden beim Thema NAZI und FILM solche Filme wie JUD SÜß genannt, aber die vorgeblich unpolitischen waren sicherlich die erfolgreicheren, mit denen NS-Ideologie dem Betrachter untergejubelt wurden. Was in diesem Dokumentarfilm immer wieder aufscheint und in der Analyse deutlich wird, das ist eben, daß gerade die vom Thema her unpolitischen Filme eine politische Botschaft vermitteln.  Darum kann der Zusatztitel zu HITLERS HOLLYWOOD auch zu Recht lauten: DAS DEUTSCHE KINO IM ZEITALTER DER PROPAGANDA 1933-1945.

Siegfried Kracauer, der frühe geniale Rezensent deutscher Filmlandschaft, dient mit seinen Aussagen als Wegweiser durch das Filmgewirre,  aber auch die Analysen von Kracauer überfordern uns, denn hören und nachdenken und schauen und analysieren und dann noch auf Kracauer rückzuführen, ist in diesem kompakten Film einfach der Anforderungen zu viel, weil ja erst einmal die ausgewählten Szenen im Mittelpunkt stehen und unsere Aufmerksamkeit darauf gerichtet ist, aus den Szenen auf den ganzen Film zu schließen, ob wir ihn nun kennen oder nicht.

Der Strom der Verzweigungen, den der Film in unserem Hirn und Gemüt anrichtet, überflutet uns schon beim Schauen, aber erst recht, wenn man im Nachhinein das Geschaute für sich selbst ordnen und Schlüsse ziehen will. Auf theoretischer Ebene ist das ganz einfach, weil die Thesen der unterschwelligen Politisierung des nationalsozialistischen Films in der Dokumentation gut belegt sind. Aber man kann nicht mehr die geschauten Beispiele im Nachhinein als Beleg selber benennen.
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Da man aber einerseits sowieso von der schon lange belegten These des politisierten und zu Propagandazwecken instrumentalisierten Films ausgeht, ist die Erkenntnis, daß sich dies auch auf eher unpolitisch erscheinende Filme ausdehnt, dann eben auch nicht neu. Darum bleibt gar nicht die Aussage das Eigentliche des Films, sondern die Lust, in einer Folge von Angeboten zumindest eine Auswahl dieser 1000 Nazi-Filme immer wieder im Kino anschauen zu können oder in einer DVD-Sammlung im privaten Gebrauch zu horten, um je nach Interesse und Zeit, loszulegen.

Natürlich gehört ein solcher, sehr gut recherchierter und grundsätzlich notwendiger und wichtiger Film auch in die Lehrerausbildung und Lehrerfortbildung, damit die Ergebnisse in den Schulunterricht einfließen.


Info:

23. Februar 2017 (1 Std. 45 Min.) 

Regie
Rüdiger Suchsland