Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 23. Februar 2017, Teil 10
Margarete Frühling
München (Weltexpresso) - Der fünfjährige Saroo (Sunny Pawar) und sein älterer Bruder Guddu (Abhishek Bharate) versuchen 1986 ihre Mutter finanziell zu unterstützen, indem sie z.B. Kohlen von fahrenden Eisenbahnen klauen und sie dann auf dem Markt verkaufen.
Eines Tages fährt Saroo mit seinem Bruder zu einem Bahnhof, an dem Guddu versucht, etwas Geld zu verdienen. Saroo schläft auf einer Bank ein. Als er wieder wach wird, ist er allein. Er sucht nach seinem großen Bruder und ruft ihn auch. Als er ihn nicht findet, steigt er in einen abgestellten Zug ein, von dem er vermutet, dass er nach Hause fährt, und schläft dort vor Erschöpfung wieder ein.
Als er wach wird, ist der Zug unterwegs. Das Zugabteil ist leer, alle Fenster und Türen sind verrammelt und der Zug wird erst wieder nach 1600 km in Kalkutta anhalten und die Türen öffnen. Nachdem Saroo, der nur Hindi und nicht Bengali sprechen kann, wochenlang durch die Stadt geirrt ist, wird er aufgegriffen und er landet in einem Waisenhaus. Da weder seine Familie noch sein Wohnort gefunden werden kann, wird er zur Adoption freigegeben. Er wird aus dem Waisenhaus, in dem schreckliche Zustände herrschen, 1988 von dem australischen Ehepaar Sue (Nicole Kidman) und John Brierley (David Wenham) adoptiert, die ihm in Tasmanien ein liebvolles Zuhause geben.
Etwa 20 Jahre später studiert Saroo (jetzt Dev Patel) in Melbourne Hotelmanagement. Dort lernt er Lucy (Rooney Mara) kennen und zieht nach einiger Zeit mit seiner Freundin zusammen.
Nachdem er jedoch während einer Party mit indischem Essen aus seiner Kindheit konfrontiert wird, lässt ihn die Frage nach seiner Herkunft nicht mehr los. Als er seine Geschichte seinen Freunden erzählt, raten sie ihm, er solle versuchen, seinen Heimatort mit Hilfe von Google Earth zu finden.
Nacht für Nacht sucht er auf seinem Computer mit Google Earth das Zugnetz Indiens ab, schaut sich hunderte Bahnhöfe an und sucht nach Hinweisen auf seinen Heimatort und seine leibliche Familie. Dabei sind die einzigen Anhaltspunkte, die sich ihm eingeprägt haben, ein Muster der Schienenverläufe und ein Wasserturm. Als er die Hoffnung schon beinahe aufgegeben hat, irgendwelche brauchbaren Hinweise zu finden, geschieht das Unglaubliche: Er stößt auf einen Wasserturm und ein Dorf, das seiner Erinnerung nahe kommt....
"Lion - Der lange Weg nach Hause" beruht auf dem 2014 erschienen Buch von Saroo Brierley "Mein langer Weg nach Hause", in dem Saroo beschreibt, wie er seine indische Familie wieder gefunden hat.
Regisseur des Films nach dem Drehbuch von Luke Davies ist Garth Davis, der für das emotionale Drama mit Dev Patel, Nicole Kidman und Rooney Mara bekannte Hollywood-Darsteller gewinnen konnte. Davis, der bisher vor allem als Werbefilmer gearbeitet hat, gelingt dank einer einfühlsamen Inszenierung und eines starken Ensembles ein überzeugendes Werk über Identität und Familie.
Star des Films ist allerdings in der ersten Hälfte der junge Schauspieldebütant Sunny Pawar als junger Saroo. Er ist in der Lage sowohl die Verlorenheit Saroos, sein Gespür für Gefahren als auch seine Neugier angesichts unbekannter Dinge in Australien, wie z.B. ein Fernsehgerät oder ein selbstverständlich gefüllten Kühlschrank glaubhaft darzustellen.
Aber auch die erwachsenen Darsteller sind perfekt ausgewählt. Vor allem Nicole Kidman überzeugt als Adoptivmutter Sue, die bewusst Kinder adoptiert hat und die jetzt glaubt, ihren erwachsenen Adoptivsohn zu verlieren. Dev Patel ist in der Lage die Zerrissenheit und Rastlosigkeit Saroos hervorragend darzustellen. Leider bleiben die Rollen von Rooney Mara als Saroos Freundin Lucy und von David Wenham als sein Adoptivvater John blass. Beide können schauspielerisch sicher mehr, als sie hier zeigen durften.
Der Film hat bei den Golden Globe Awards insgesamt vier Nominierungen erhalten. Leider konnte keiner der Nominierten eine der Auszeichnungen gewinnen. Bei den British Academy Film Awards (BAFTA) wurden Dev Patel als bester Nebendarsteller und Luke Davis für das beste adaptierte Drehbuch ausgezeichnet, außerdem gab es noch 3 weitere Nominierungen. Bei den Academy Awards gab es sogar sechs Nominierungen und zwar als Bester Film, für Nicole Kidman und Dev Patel als beste Nebendarsteller, Dustin O'Halloran und Hauschka für die beste Filmmusik, Luke Davis für das beste adaptierte Drehbuch und Greig Fraser als bester Kameramann.
Insgesamt ist "Lion - Der lange Weg nach Hause" ein unbedingt sehenswerter Film, der es geschafft hat, das anrührende Thema zwar als starkes Gefühlskino aber ohne einen allzu großen Kitschfaktor darzustellen.
Foto: Saroo (Dev Patel) mit seinen Adoptiveltern John (David Wenham) und Sue (Nicole Kidman) © Universum Film
Info:
Lion - Der lange Weg nach Hause (USA, Großbritannien, Australien 2016)
Originaltitel: Lion
Genre: Drama
Filmlänge: 129 Min.
Regie: Garth Davis
Drehbuch: Luke Davies
Darsteller: Dev Patel, Rooney Mara, Nicole Kidman, David Wenham, Sunny Pawar, Abhishek Bharate u.a.
Verleih: Universum Film
FSK: ab 0 Jahren
Kinostart: 23.02.2017