Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 2. März, Teil 7

August Diehl

Berlin  (Weltexpresso) - Ob es sich um einen zeitgemäßen Film handelt – dies ist eine Frage, die mir fast immer gestellt wird, egal in welchem Film ich mitgewirkt habe. Sie lässt sich mal einfacher, mal schwerer beantworten. Der Grund dafür liegt in der einfachen Tatsache, dass ich mich den Projekten niemals auf dieser Ebene nähern kann.

Ich spiele einen Menschen, einen Charakter mit einer Geschichte, und da ich mich in diese Figuren hineinversetze, bleibt diese Frage notgedrungen aus. Ich müsste mich dann nämlich auch fragen, ob ich mich selbst, als Mensch im 21. Jahrhundert als zeitgemäß empfinde. Ich weiß das beim besten Willen nicht zu beantworten.

Nun aber Karl Marx. Ist er zeitgemäß? Ist es zeitgemäß, einen Film über ihn zu machen? Soviel ich weiß, ist unser Versuch einer der ersten in dieser Richtung. DER JUNGE KARL MARX zeigt einen relativ kurzen Ausschnitt seines Lebens in der Emigration in Paris, später in Brüssel und die Umstände, die ihn zu seinem ersten großen Werk, dem „Manifest“ geführt haben. Der Film zeigt einen jungen, sehr kämpferischen Mann, der trotz finanzieller Schwierigkeiten als Familienvater einen Weg betritt, den er als absolut notwendig empfindet.

Ehrlich gesagt, haben mich seine Werke erst einmal abgeschreckt. Sie sind klug. Aber sie geben wenig Einsicht in seine Persönlichkeit. Die Briefwechsel, vor allem mit seinem Weggefährten Engels waren da viel hilfreicher. Hier sieht man eine komplizierte Persönlichkeit. Jemand, der spottet, gerecht ist, anklagt, sich über Umstände beschwert, seine Unfähigkeit mit Geld umzugehen, seine Sehnsucht nach Luxus und Leben, seine Liebe zur Familie, seine Erschöpfung. Seinen Humor. Seinen scharfen Verstand. Seine Unerbittlichkeit. Seine Ungeduld.

Ich bin sicher, er wusste sehr früh, dass er etwas in sich trägt, das die Welt verändern wird. Die Menschen damals hatten das starke Gefühl, in einer Zeitenwende zu leben. Die industrielle Revolution war dabei, die Nationen und die Menschen tiefgreifend zu verändern und hatte vor allem eine neue Klasse hervorgebracht: das Proletariat.

Heute leben wir in einer Welt, die verschärft gesagt das Ergebnis dieser Zeit ist. Dem Ende des 19. Jahrhunderts. Marx hatte vieles genau prognostiziert. Er war vielleicht einer der größten Kenner des Kapitalismus – sogar bis heute.

Insofern, ja, das Thema unseres Films ist ganz unheimlich zeitgemäß. Obwohl vielleicht auch wir das Gefühl haben, in einer Art Zeitenwende zu leben, sind wir um einiges passiver, hilfloser als die Menschen damals.

Vielleicht werden wir in diesem Film etwas sehen, das wir verloren haben. Mut. Einsicht, dass der Einzelne es in der Hand hat, die Umstände, in denen wir leben, zu verändern. Und auch wenn ich das leider über mich selbst nicht wirklich sagen kann, ist es etwas, das mir Marx sehr nahe bringt. Bestimmtheit. Im wahrsten Sinne des Wortes.


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