Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 9. März, Teil 1


Kirsten Liese


Berlin  (Weltexpresso) - „Wenn du sie nicht abziehst, ziehen sie dich ab“, begründet Cem (Sahin Eryilmaz) seine Machenschaften mit illegalen Einwanderern. Ungerührt knöpft der Türke einem verzweifelten Vater dreihundert Euro dafür ab, dass er ihm hilft, einen Kindergeldantrag auszufüllen.


Der Schweizer Michal Koch erzählt in seinem Erstling von einem marktwirtschaftlichen Kampf der Kleinen auf Kosten der noch Kleineren am Rand der Gesellschaft in der heruntergekommen Dortmunder Nordstadt.


Sein profund recherchierten Drama, an dem Laiendarsteller mitwirken, bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen Spiel- und Dokumentarfilm, erinnert mithin an das engagierte Sozialkampfkino eines Ken Loach.


Im Zentrum der Geschichte steht Marija, eine Migrantin aus der Ukraine. Auch sie dient sich in ihrer prekären Situation widerwillig dem Vermieter Cem an, nachdem sie ihren Job als Reinigungskraft in einem Hotel wegen Diebstahls verloren hat und die Miete nicht mehr bezahlen kann.


Marija hat die Nase voll von Billigjobs, erträgt es vor allem nicht, dass sie nicht gesehen wird, wenn sie putzt. Sie träumt von einem eigenen Frisiersalon, kämpft entschlossen für ein besseres Leben. Fortan ordnet sie alles diesem Ziel unter, beharrt auf ihrer Selbstständigkeit und tritt bestimmt auf, ohne sich in den Vordergrund zu drängen.


Die Theaterschauspielerin Margarita Breitkreiz spielt diese Frau mit einem beeindruckenden Stoizismus. Wie sie Erniedrigungen und Respektlosigkeiten in Kauf nimmt, ihre Wut unterdrückt, sogar ihren Körper einsetzt, um langsam in die Mitte der Gesellschaft aufzusteigen, lässt sich mitunter schwer aushalten.


Die Kamera ist immer dicht bei ihr, folgt ihr auf ihrer Entwicklung von der Ausgebeuteten zur Ausbeuterin. Marija verbündet sich mit männlichen Abzockern, von denen sie das nötige Geld für ihren Laden eintreiben kann, lässt sich etwa auch auf den Österreicher Georg (Georg Friedrich) ein, der illegale Migranten auf dem Bau beschäftigt und sie für Übersetzungsdienste bezahlt. Allmählich nähern sie sich auch emotional an. Allerdings stellt sich für Marija  die Frage, ob sie sich Gefühle überhaupt leisten kann, geschweige denn eine Beziehung.


Bestürzend zeichnet „Marija“ nach, wie sich bei Menschen die Moral verliert, wenn ihre Umgebung härter wird. Die Protagonistin verkauft zunächst ihre Arbeitskraft, dann auch sich selbst.


In den stärksten Momenten stößt sie an ihre eigenen Grenzen. Mit geradezu unheimlich geweiteten Augen versinkt sie dann ins Schweigen bis ihr Gegenüber in die Knie geht.