Serie: Die heute anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 6. September 2012, Teil 1
Romana Reich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Es gibt so Filme, bei deren Anschauen man ein Deja-vu nach dem anderen erlebt. Gar nicht mal, weil man das eigene Leben und Erleben gespiegelt sieht, sondern doch eher, weil man seine Umwelt, die Freundin, den Arbeitskollegen, den Mitstudenten, eben die Menschen um einen Herum auf der Leinwand sieht mit genau den Problemen, die man selber bei ihnen ausgemacht hat. Schließlich ist der Balken im eigenen Auge ja ziemlich groß.
WAS BLEIBT
Ein solcher Film, wo man das Filmpersonal, hier eine Familie, zu kennen glaubt ist dieser von Hans-Christian Schmied. Eingeführt wird die Familie im Süddeutschen durch die Heimfahrt des einen Sohnes, der in Berlin gelandet/gestrandet ist. Auch so eine Sehnsucht aus alten Tagen, der Provinz, so luxuriös sie auch sein mag, zu entrinnen, was dann beim Heimfahren die ganzen Kindheitserinnerungen wachruft. Es ist der ältere Sohn Marko (Lars Eidinger), der sich unterwegs überlegt, wie er den Eltern beim geplanten Familienfest erklären kann, daß seine Frau – noch immer trotz achtjährigem gemeinsamen Sohn unverheiratet – nicht mehr mit ihm lebt. Die Gründe erfahren wir subtil im Film – er verspätet sich beim Abholen des Sohnes und in der vorwurfsvollen Miene der Lebensgefährtin erkennen wir auf Anhieb, wie sehr sie ihm Verantwortungslosigkeit und mangelndes Aufgehobenseinfühlen vorwirft.
Das kennt man. Die Existenz des jüngeren Bruders Jakob ist weitaus problematischer. Denn er – ein Zahnarzt – hat vom Vater eine protzige Praxis eingerichtet bekommen – auf 'geliehener' Basis - , in die kaum jemand kommt und wer, tut es nur zum Gefallen des Vaters. Der Vater dominiert auch in anderen Dingen sein Leben – immer mit Geld. Dem hatte sich Marko durch den Wegzug nach Berlin entzogen und zum zweitenmal, als er, ein Schriftsteller, sein Buch nicht im gutgehenden Verlag des Vaters herausgibt. Der nun (Ernst Stötzner) hat zum Sechzigsten seinen Verlag verkauft und ist nun frei – wie er denkt. Frei fühlt sich ab sofort auch die eigentliche Hauptperson des Films, um die alles kreist: Gitte, verkörpert in jeder Seelenregung und überhaupt nicht stereotyp Corinna Harfouch.
Das muß man deshalb so betonen, weil die älter werdenden und psychisch labilen Frauen gerne zum Filmpersonal gemacht werden, weil ihre Probleme so allgemein und durchsichtig erscheinen. Das Problem der Gitte ist vielschichtig. Auf jeden Fall setzt sie, die seit vielen Jahren durch Medikamente 'eingestellt' wurde, aus eigenem Entschluß ihre Medikamente ab. Wie ihr Mann frei vom Verlag, will sie frei von Medikamenten sein. Jakob, der Mediziner, weiß, was das bedeutet. Lars, der durch Flucht sich zu entziehen glaubte, muß das richtig finden. Wir als Zuschauer werden nun in ein unaufhörliches Wechselspiel der Gefühle getrieben. Wir wünschen dieser Gitte, das es gut geht, wissen gleichzeitig, welche verheerenden Wirkungen ein spontanes Absetzen von langjährig gewohnten Medikamenten bedeutet.
Auf diesem Hintergrund läuft das Familiendrama, das bisher in eben durch die Medikamente gesteuertem niedrigem Modus lief, zu Hochtouren auf. Wir kennen das alle, die gemeinsamen Essen, diese Mischung aus Wohlfühlen und der Gewißheit, daß der Nachtisch ein böser sein wird. Hans-Christian Schmid macht das hervorragend, eine Normalität vorzuspielen, in der das dahinterliegende Grauen jeweils aufblitzt. Und auf einmal ist Gitte weg. Das Ende, gibt es ein Ende?, wollen wir nicht vorwegnehmen. Dies ist ein Film, der jeden Zuschauer zum Akteur macht, weil mit seiner Empathie die Personen zusätzliches Leben erhalten. Die einzige Einschränkung – sie ist keine wirkliche, aber sollte doch gesagt werden – ist diejenige, daß wir hier eine Familie in Reinkultur erleben, wie sie nur in der alten Bundesrepublik und ihrem wohlhabenden und bildungsprivilegiertem Großbürgertum lebbar war. Die dahinter liegende Problematik allerdings ist allgemein.
HERR WICHMANN AUS DER DRITTEN REIHE
Andreas Dresen zeigt wieder einmal die andere Seite: den Osten. Er beobachtet einen brandenburgischen Jungpolitiker – Henry Wichmann von der CDU, über dessen Eintritt in den Brandenburgischen Landtag er schon einen Film machte - beim politischen Geschäft des Abgeordneten. Was wir lernen ist, wie sich die demokratischen Schrittchen auf der kommunalen Ebene zu Schritten mausern.
THE CABIN IN THE WOODS
Das ist ein Film, der mit Lust Horror macht, aber auch einer, der ein Naturfilm ist und einer, der fünf Freunde lebendig werden läßt, nur daß sie inzwischen Studenten sind und in einem Van Richtung Waldhaus unterwegs sind. Autor Joss Whedon, Regisseur Drew Goddard.
Vergleiche auch unsere Filmkritik zur Berlinale 2012 aus dem Februar, wo dieser Film lief:
http://weltexpresso.tj87.de/index.php/kino/437-was-bleibt