Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 16. März 2017, Teil 4
Filmheft N.N.
Berlin (Weltexpresso) - Woher kam die Idee, eine Fortsetzung zu DER HUNDERTJA?HRIGE, DER AUS DEM FENSTER STIEG UND VERSCHWAND zu drehen?
Felix Herngren: Ich habe mit Jonas Jonasson, dem Autor der Romanvorlage von DER HUNDERTJÄHRIGE, DER AUS DEM FENSTER STIEG UND VERSCHWAND gesprochen, nachdem der erste Film fertig war. Ich war ein bißchen verliebt in das Universum, das durch das Buch und den Film entstanden ist. Ich fragte Jonas, ob er ein weiteres Buch über Allan Karlsson verfassen würde. Er sagte, ja, das plane er. Aber getan hat er es dann doch nicht. Ich sagte ihm, dass das eine Schande sei, weil es eben ein großartiges Universum ist, das aber wegen des Endes des Buches und des Films noch gar nicht auserzählt ist. Das Ende gibt vielmehr die Vorahnung einer Fortsetzung. Das habe ich aber erst nach dem Ende der Dreharbeiten festgestellt. Erst dann kann man solche Sachen entdecken.
Was sind die ersten Schritte gewesen?
Felix Herngren: Mit Jonas, mit meinem Bruder, den ich in das Projekt hineinholte, und unserem Drehbuchautor Hans Ingemansson haben wir dann über einen weiteren Film diskutiert – auch wenn es dazu keine Romanvorlage gab. Und so ging es mit dem neuen Film DER HUNDERTEINJÄHRIGE, DER DIE RECHNUNG NICHT BEZAHLTE UND VERSCHWAND schon ein halbes Jahr nach Beendigung des ersten Films los. Wir merkten, was wir mit dem ersten Film geschaffen hatten, begriffen nun richtig erst das Universum von Allan, und konnten daran mit dem Sequel anschließen. Nur wenn man schon einmal in einem bestimmten Genre gearbeitet hat, weiß man eben, was man tut! Zu neuen Ideen kann man dann nur sagen: ‘Ja, zeig ́s mir, dann kann ich dir sagen, ob es sich richtig anfühlt ...‘
Måns Herngren: ... Jedenfalls im ersten Film ...
Felix Herngren: ... Ja, im ersten Film. Aber beim zweiten hat man ein viel größeres Wissen um die Möglichkeiten, die man hat.
Måns Herngren: Natürlich bestand nun die große Herausforderung darin, zwar etwas schon Bekanntes zu haben, in diesem Fall das Universum von Allan, und doch etwas Neues hervorzubringen, mit dem das Publikum überrascht werden kann ... Aber eben auch nicht zu sehr, um nicht den Rahmen zu sprengen! ... Ohne ein Skript, von dem wir sagen konnten: Das ist gut genug, hätten wir uns aber auch nicht an die Arbeit gemacht. Wir wollten etwas haben, von dem wir überzeugt waren, dass es ebensogut wie der erste Film oder sogar noch besser war.
Aber Sie beide verfügen doch eigentlich, zumindest in Ihrem Heimatland Schweden, über große Erfahrung im Schauspielern und Filmemachen und haben schon bei einigen Komödien zusammengearbeitet ...
Felix Herngren: Schon, aber wenn es um Humor geht, ist nicht immer abzusehen, wohin das führt! Ein Regisseur, der sagt, dass er den ganzen Film im Kopf hat, der lügt ...
Also hat Hitchcock gelogen, der behauptete, den Film im Kopf immer schon fertig zu haben?
Beide lachen.
Måns Herngren (lachend): Hitchcock hat gelogen, Ingmar Bergman hat gelogen...
Felix Herngren: Im Humorfach kann man so nicht arbeiten! Man kann ein Diktator sein. Wenn man jedem genau sagt, was er zu tun hat, dann entsteht kein Humor. Vielleicht geht das, wenn man Horror oder Drama macht. Trotzdem wird man nie das Maximum aus den Darstellern herausholen können, wenn man anfängt, ihnen alles aufzudiktieren. Wir jedenfalls mögen es, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die sich selbst so weit wie möglich fordern. Nur dann bekommt man das Maximum, wenn man ihnen erlaubt, größer zu werden als man selbst es sich vorstellen konnte.
Wenn man das Ende von DER HUNDERTEINJÄHRIGE, DER DIE RECHNUNG NICHT BEZAHLTE UND VERSCHWAND betrachtet, könnte man darauf kommen, dass es in dem Film vor allem darum geht, in Gemeinschaft zu sein. Denn sonst würde sich skurrilerweise das Geheimnis um die Volkssoda, dem er mit seinen Freunden nachjagt, gar nicht lüften. Würden Sie dem zustimmen?
Måns Herngren: Ich denke, das ist eine gute Interpretation ... Allan muss sich erstmal mit anderen Leuten in ein Hot Tube setzen, um das Wichtigste über sein Leben zu erfahren!
Felix Herngren: All diese schrägen Leute mit Allan im Zentrum, wenn sie eine Gruppe werden, die einfach größer ist als jeder einzelne, erleben sie zusammen ein phantastisches Abenteuer. Würden sie es ganz allein versuchen, würden sie schnell sterben! (lacht)
Wie haben Sie denn eigentlich als Regisseure zusammengearbeitet?
Beide lachen.
Wer hatte die Führung, wer musste arbeiten ...
Måns Herngren: Bevor wir mit dem Drehen angefangen haben, hatten wir doch recht viel Zeit für die Vorbereitungen. Dabei haben wir uns die Arbeit aufgeteilt: ‘Könntest Du ein Casting dort erledigen, wenn ich eins hier mache? Könntest Du nach London gehen, ich nach Thailand?‘ Aber wir haben nicht nach Skills aufgeteilt. Dafür arbeiten wir schon zu lange miteinander. Was irgendwie mit Schauspiel zu tun hat, machen wir schon, seit wir zwei Jahre alt sind. Beim Drehen haben wir dann jeweils von einer Woche zur anderen oder sogar von einem Tag auf den nächsten entschieden, wer am Monitor sitzt, um zu schauen, welche Eindruck der Film macht, und wer mit den Schauspielern arbeitet. Wer am Monitor saß, hatte einen gewissen Abstand, um zu reflektieren und Ideen für die Inszenierung zu entwickeln.
Felix Herngren: Wir tendieren doch dazu, ganz gut miteinander zu arbeiten. Beim letzten Film, bei dem wir beide Regie geführt haben, einer schwedischen Produktion, die in Deutschland niemand kennen dürfte, gab es viele Kämpfe, da war es hart, zusammenzuarbeiten. Aber wir sind älter geworden und haben daraus gelernt. Wir haben bei DER HUNDERTEINJÄHRIGE, DER DIE RECHNUNG NICHT BEZAHLTE UND VERSCHWAND alles zusammen durchdiskutiert, aber irgendwann müssen auch Entscheidungen getroffen werden. Je nachdem, wer gerade den Hut aufhatte, fällte die Entscheidung. Das ging abwechselnd. Bei ganz wichtigen Szenen haben wir immer zwei Lösungen gedreht.
Was ist denn das Schwierigste beim Drehen gewesen? Immerhin waren Sie dafür ja in sehr verschiedenen Ländern: Ungarn, ein bisschen in Deutschland, Thailand...
Felix Herngren: Es ist immer schwierig, mit Menschen zu drehen, die kein Englisch verstehen. Aber noch viel entscheidender ist natürlich etwas anderes: Humor hängt von Details ab, man muss den richtigen Ton treffen. Was sich auf dem Papier witzig liest, muss es nicht auch beim Drehen sein – da können so viele Einzelheiten in die Quere kommen. Dann kann es sehr schwierig werden, Darstellern ohne Englischkenntnisse zu vermitteln, wie sie ihr Spiel verändern müssen.
Måns Herngren: Eine ganz große Herausforderung war, den Leuten, die bisher noch nicht mit uns gearbeitet haben, klarzumachen: ‚Bitte spiel ́ nicht witzig!‘ Die sagen sich: ‚OK, ich bin jetzt in einer Komödie ...‘
Felix Herngren: ... Und da muss man ja wohl witzig sein! (lacht)
Måns Herngren: Ja genau, deshalb haben wir sofort gesagt: ‘Hi, Mein Name ist Måns, ich bin Felix, bitte nicht witzig spielen!‘ Aber selbst wenn sie sagen: ‚Ich verspreche es, ich spiele nicht witzig‘, wenn sie nur ein bisschen unsicher sind, tun sie ́s doch...Dann wird ́s gerade nicht witzig.
Dabei scheint doch gerade eine der Botschaften des Films zu sein, dass es nie zu spät ist, um Spaß zu haben ...
Felix Herngren: Genau! Ich denke, es ist phantastisch, einen alten Menschen zu zeigen, der plötzlich ein ganz neues, aufregendes Leben hat. Ich hoffe, mir wird das auch zuteil, sollte ich hundert Jahre alt werden!
Måns Herngren: Ich denke, viele Menschen vertun viel zu viel Zeit damit, ihr Leben zu planen. Ihre Zukunft ist total durchkalkuliert. Sie können sich bei Allan Karlsson über jemandem freuen, der nie Pläne gemacht hat. Das ist vielleicht der Grund, warum er so viel erleben konnte. Wenn er eine Tür offen stehen sieht, fragt er sich: ‚Oh, was ist hinter der Tür?‘ – und geht hindurch. Ich glaube, deshalb mögen ihn die Leute so sehr ... Er wird auf seine Art ein Superheld! Und hoffentlich eine Inspiration für viele Leute.