Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 6. April, Teil 3

Kirsten Liese

Berlin (Weltexpresso) - Ihre Haut ist zerfurcht wie ein ausgetrockneter, rissiger Lehmboden. Dabei redet Brunhilde Pomsel mit einem für ihr hohes Alter bemerkenswert wachen Verstand über ihr Leben im Machtgetriebe der Nazis.  103 war die einstige Sekretärin von Joseph Goebbels, als sie vor die Kamera trat. Die Dreharbeiten kamen gerade noch zur rechten Zeit, im Januar dieses Jahres ist die kinderlose Zeitzeugin mit 106 Jahren gestorben.

Dies sind späte Betrachtungen der letzten Zeitzeugin aus dem Machtzentrum des Nazi-Regimes, über die Schuld und die Unfähigkeit zum Widerstand. Ein deutsches Leben ist analog zu dem Porträt der Hitler-Sekretärin Traudl Junge Im toten Winkel (2002) ein minimalistischer Film in Schwarzweiß. Nichts lenkt von der Protagonistin und ihrer Stimme ab, keine Musik,  keine Zwischenfrage, kein Kommentar. So muss jeder ihre Äußerungen selbst bewerten.


Das ist schwierig, wirken doch Pomsels Aussagen ehrlich, aber mitunter auch irritierend und provokant. Feige sei sie gewesen, räumt sie ein, beteuert aber, wiewohl sie für den Reichspropagandaminister bis zum bitteren Ende im Führerbunker arbeitete, erst nach dem Krieg vom Holocaust, von den Gaskammern und Krematorien erfahren zu haben.


Sie habe sich zudem nicht schuldiger gemacht als alle anderen Deutschen, die die Nationalsozialisten überhaupt ans Ruder gelassen haben, ist sie überzeugt.


Den vier Regisseuren geht es gleichwohl nicht darum, ihre Protagonistin als Lügnerin zu überführen. Ihr Film ist vor allem ein Mahnmal gegen jedwede Diktatur, damals wie heute. Zeit- und Lebensumstände trugen schließlich einen Teil dazu bei, dass aus Brunhilde Pomsel eine unpolitische Mitläuferin wurde. Das strenge wilhelminische Umfeld, in dem sie aufwuchs, hat sie sehr geprägt.  Job, Wohlstand und ihr Pflichtgefühl gegenüber den Vorgesetzten gingen bei ihr vor. Ein durchaus menschliches Verhalten. Hut ab vor dem, der von sich behaupten kann, er hätte nicht mitgemacht.


Zwischen die Monologe der Erinnerung freilich schleicht sich das Grauen ein. Archivbilder von Leichenbergen und ausgemergelten Gestalten, die sich bei der Befreiung der Konzentrationslager kaum noch auf den Beinen halten können, Zitate von Goebbels und rudimentäre Erinnerungen an das Schicksal einer Jüdin, mit der Pomsel befreundet war, rücken das Erzählte zurecht.


Umso bitterer stößt das Fazit der Rednerin auf, sie sei doch „eigentlich ganz gut weggekommen“, ihr konsequentes Wegschauen wurde mithin belohnt. Immerhin konnte die Entnazifizierte nach fünf Jahren Gefangenschaft in der jungen Bundesrepublik wieder beim Rundfunk Fuß fassen. Auch dazu hätte sie bestimmt noch Aufschlussreiches zu sagen gehabt, aber das hätte den Umfang dieses kostbaren, zeitgeschichtlichen Dokuments gesprengt.

 

Foto: (c) Verleih

Info:

AT/D 2016.
Regie: Christian Krönes, Olaf S. Müller, Roland Schrotthofer, Florian Weigensamer
Drehbuch: Florian Weigensamer
Kamera: Frank Van Vught    
Visual Director: Christian Kermer
Archive: Steven Spielberg Film and Video Archive, United States Holocaust Memorial Museum, Library of Congress, National Archives and Records Administration, Deutsches Rundfunk Archiv
Verleih: Edition Salzgeber
113 Minuten.     
Start; 6. April