Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 6. April, Teil 5

Hanswerner Kruse

Berlin (Weltexpresso) - „Es war einmal in Deutschland“, heißt der hier besprochene Film und er beginnt nicht nur wie ein Märchen, sondern ist letztlich eine märchenhafte Geschichte. Also - es war einmal in Frankfurt eine Mischpoke überlebender Juden, die alle schnell Kies machen wollten, um in die USA auszuwandern.

David Beermann (Moritz Bleibtreu), schlitzohriger Sohn ermordeter jüdischer Warenhausbesitzer, verkündet: „Hitler ist tot, aber wir leben noch!“ Weil er weiß, dass die Deutschen vor allem Wäsche brauchen, stellt eine obskure Händlertruppe zusammen, um dieses Bedürfnis zu bedienen.


Da bewirbt sich ein Schauspieler mit einer Herzattacke bei Beermann als Verkäufer. „Ich kann aber auch Hirnschlag“, meint er, „um Mitleid oder Hilfe zu provozieren, wenn’s nötig ist.“ Auch die anderen Verkäufer sind allesamt schräge Vögel. Die Bande wickelt die Schicksen im Rhein-Main-Gebiet mit hinreißender Chuzpe um den Finger und macht großartigen Reibach.


Gleichzeitig bekommt Beermann jedoch mächtig Zoff mit der US-Besatzungsarmee, verschweigt den Schlamassel aber seinen Kollegen. Ihn bedrängt die intelligente und attraktive Offizierin Sara Simon (Antje Traue), die ihn gnadenlos als Nazi-Kollaborateur überführen will. Ständig wird Beermann von der rechtzeitig aus Deutschland emigrierten Jüdin zu Verhören einbestellt und tischt ihr nach und nach eine unglaubliche Geschichte auf. Die wird in Rückblenden parallel zu den Erfolgen der Wäschehändler erzählt:
Beermann überlebte das KZ als Schlemihl, weil er gute Witze erzählen kann. Bei SS-Feiern gab er erfolgreich den Witzbold, „denn die hatten ja nicht so viel zu lachen.“ Dadurch kriegte er allerlei Privilegien im Lager, bis irgendeiner der Schergen auf die Idee kam, ihn zum Lehrmeister Hitlers zu machen: „Der Führer kann doch alles, nur er hat keinen Humor.“ Schließlich kommt Beermann, mit einem falschen Pass ausgestattet und als Arier reingewaschen, sogar zum Obersalzberg. Dort wollte er Hitler liquidieren, behauptet er, aber seine Widersacherin glaubt ihm nicht. „Bin ich etwa ein Kollaborateur, weil ich Witze erzählt habe“, empört sich Beermann. Doch er gibt zu, „manchmal glaube ich selbst nicht, was wir erlebt haben.“ Das Ende dieses Märchens lassen wir hier mal offen, denn der spannende Streifen bietet noch allerhand Überraschungen.


Der Film folgt recht frei zwei semibiografischen Büchern Michel Bergmanns („Die Teilacher“, „Machloikes“), der gemeinsam mit dem Regisseur Sam Garbarski das Drehbuch schrieb. Die beiden konzentrierten sich auf die Jahre 1946/47, dabei blieben zwangsläufig viele kleine Geschichten und interessante Figuren auf der Strecke. Doch der Streifen zeigt glaubwürdig das Ringen in der Mischpoke, wer ist denn nun am Schlimmsten von den Nazis verfolgt worden. Das sind bewegende Momente in dem Film, die jedoch immer wieder durch den bereits in den Büchern angelegten  jüdischen Humor gebrochen werden. „In einem schlimmen Moment zu lachen, wenn einem wirklich zum Heulen zumute ist, das ist Medizin“, meint Filmemacher Garbarski dazu. „Es war einmal in Deutschland“ ist kein Witzfilm zum schenkelklopfenden Ablachen, sondern hält ganz großartig die Balance zwischen augenzwinkerndem Humor und echter Betroffenheit.


Die Überlebenskünstler des Films, allen voran Beermann, sind hervorragend besetzt und verkörpern unterschiedliche Charaktere, die natürlich alle leicht jiddisch sprechen (deshalb die in diesen Text eingestreuten Begriffe aus dem Jiddischen). Zwischen Beermann und der Special Agentin knistert es mächtig erotisch - wird sie ihn überführen oder verführt er sie?


Ein Hinweis noch, der Film zitiert indirekt viele große Vorbilder, natürlich „Sein oder nicht Sein“ (Ernst Lubitsch), aber auch „Sieben Schönheiten“ (Lina Wertmüller) oder „Frantz“ (François Ozon).

 

Fotos:  Szene - Nach Feierabend? Moritz Bleibtreu als Beermann und Antje Traue als US-Special Agentin Simon© x-Verleih
Plakat - Hinten die ganze Mischpoke und vorne die US-Special Agentin Simon © x-Verleih

 

Info:
„Es war einmal in Deutschland“, D / L/ B 2017, 102 Minuten, FSK 12 Jahre
Regie Sam Garbarski mit Moritz Bleibtreu, u. a.