Alfred Greven und die Continental in einer Filmreihe vom 10. Mai bis 15. Juni 2017 im Zeughauskino Berlin
Romana Reich
Berlin (Weltexpresso) - Nach der Kapitulation Frankreichs im Juni 1940 fällt mit Paris auch das Zentrum der französischen Filmindustrie unter nationalsozialistische Herrschaft. Man könnte meinen, es begännen schwarze Jahre für den französischen Film. Aus filmhistorischer Perspektive ist dies jedoch nicht der Fall.
Vielmehr kann die Zeit der deutschen Besetzung als eine schillernd graue Epoche bezeichnet werden, geprägt von extremer Ambiguität, zwischen Kollaboration, Widerstand und Anpassung.
Eine zentrale Rolle im französischen Filmschaffen der Jahre 1940-44 spielt die Produktionsfirma Continental Films, die insgesamt 30 Spielfilme in die Kinos brachte – mehr als jede andere Gesellschaft. Continental Films Paris war eine französische Gesellschaft nach französischem Recht. Finanziert wurde sie jedoch zu hundert Prozent vom Ministerium für Volksaufklärung und Propaganda in Berlin. Das auf persönlichem Geheiß von Joseph Goebbels gegründete Unternehmen sollte den französischen wie auch internationalen Markt vor allem mit seichten, wenig ambitionierten Unterhaltungsfilmen erobern. Doch Goebbels Vorstellungen deckten sich nicht mit denen des Continental-Produzenten Alfred Greven, der die Spitzenprodukte des französischen Kinos herstellen wollte.
Die von Ralph Eue und Frederik Lang kuratierte Retrospektive Filme für das besetzte Frankreich, die vom Hauptstadtkulturfonds gefördert und dem Institut français unterstützt wird, bietet die seltene Gelegenheit, einen umfassenden Einblick in die breite Produktionspalette der Continental zu gewinnen, und lädt dazu ein, Grevens Bemühungen um einen avancierten französischen Film zu beurteilen.
Zur Eröffnung am 10. Mai 2017 zeigen wir mit der Liebeskomödie Premier rendez-vous (F 1941, R: Henri Decoin) die erste Continental-Produktion, die am 14. August 1941 in die französischen Kinos kam. Die Hauptrolle spielt Danielle Darrieux, die am 1. Mai 2017 ihren hundertsten Geburtstag feiert! Zur Eröffnung spricht der belgische Filmhistoriker Roel Vande Winkel.
Unter den mehr als 20 Continental-Produktionen, die im Rahmen der Retrospektive zu sehen sind, finden sich so unterschiedliche Filme wie der bitterböse Klassiker Le corbeau (F 1943, Henri-Georges Clouzot) über Denunziantentum in einer Kleinstadt, das expressionistische Meisterwerk La main du diable (F 1943, Maurice Tourneur), das monumentale Hector-Berlioz-Biopic La symphonie fantastique (F 1942, Christian-Jacque) sowie die drei Kommissar-Maigret-Verfilmungen nach den Krimi-Bestsellern von Georges Simenon Picpus (F 1942, Richard Pottier), Cécile est morte (F 1943, Maurice Tourneur) und Les caves du Majéstic (F 1944, Richard Pottier).
Von Les inconnus dans la maison (F 1942, Henri Decoin) ist neben der untertitelten Originalfassung auch die deutsche Synchronfassung Das unheimliche Haus von 1943 zu sehen, die mehrere antisemitisch konnotierte Passagen noch enthält, die aus den französischen Fassungen nach dem Zweiten Weltkrieg entfernt wurden. Michael Omasta und Frederik Lang werden die beiden Fassungen vorstellen. Außerdem wird am 10. Juni der renommierte französische Filmhistoriker Jean-Pierre Bertin-Maghit einen Vortrag zum Thema Das französische Kino während der Besatzungszeit halten.
Foto: „Premier Rendezvous“ (c) Gaumont