Am 27. Oktober 2016 in deutschen Kinos angelaufen und ab 28. April 2017 als DVD, Teil 2/2
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Das Leben von Philipp Schwartz, das in Frankfurt durch die Anbringung einer Plakete am Uniklinikum gerade gewürdigt wurde, war besonders ereignisreich und gleichsam weltumspannend. Denn nach Frankfurt ist Philipp Schwartz aus dem Banat gekommen.
Er wurde am 19. Juli 1894 in Versec, in Österreich-Ungarn geboren und starb 1977 in Fort Lauderdale/USA. In Frankfurt war er Professor an der Johann Wolfgang Goethe-Universität, an der Universität Istanbul Leiter der Pathologischen Abteilung und ebenfalls Pathologe am Warren State Hospital in Pennsylvenien/USA. Aber mit diesen dürren Stadt- und Professionsangaben ist natürlich die Komplexität seines Lebens nur angedeutet. Der Film vermag – auch durch die Schilderungen seiner Tochter, der Psychiaterin Susan Ferenz-Schwartz, Leben in formale Daten bringen.
Philipp Schwartz war österreichischer Soldat im Ersten Weltkrieg, studierte in Budapest, kam 1919 als Pathologe nach Frankfurt,wo er sich 1926 habilitierte und ein Jahr drauf außerordentlicher Professor wurde. Da war er gerade mal 33 Jahre alt. Die Nazis hatten mit „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 sofort alle Professoren jüdischen Glaubens wie auch politisch Unliebsame – Beispiel Max Beckmann, Professor an der Frankfurter Städelschule – entlassen. Schwartz konnte in die Schweiz nach Zürich gehen, woher seine Frau stammte und wo heute auch die Tochter lebt. Dazwischen allerdings das abenteuerliche Leben, das der Film sehr eindrucksvoll vor Augen führt.
Daß wir diesmal Philipp Schwartz so herausstellen, hat einerseits mit seiner Ehrung in Frankfurt zu tun, aber andererseits auch mit seiner Tat, nämlich eine Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft im Ausland zu gründen. Das tat er unmittelbar nach seiner Ankunft in Zürich noch im April 1933. Sie hieß erst einmal „Zentralberatungsstelle für deutsche Gelehrte“, später eben „Notgemeinschaft deutscher Wissenschaftler im Ausland“. Und es gelang Philipp Schwartz in der Türkei an den Hochschulen in Ankara und Istanbul von seiner Liste der verfolgten Wissenschaftler 42 Professoren dorthin zu vermitteln. Heute gibt es deshalb die Philipp Schwartz-Initiative, mit der Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Deutschland die Möglichkeit erhalten, gefährdete Forschende im Rahmen eines Vollstipendiums für 24 Monate aufzunehmen. Das gilt also derzeit auch für türkische Wissenschaftler, die es aus guten Gründen nach Deutschland zieht..
Wie es aber wirklich war, in der Türkei, das zeigt der Film in vielen Bildern in Schwarz-Weiß und in Bunt. Der Film trägt wirklich dazu bei, vergessene Kapitel deutsch-türkischer Geschichte uns ins Bewußtsein zu bringen. Und er läßt den Wunsch aufkommen, überhaupt mehr über das Exil von Deutschen in der Welt zu Zeiten des Nationalsozialismus zu hören. Denn auch Ägypten hatte beispielsweise deutsche Emigranten aufgenommen…
Aber der Film zeigt auch düstere Kapitel der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte auf. Denn Philipp Schwartz wollte zurück nach Deutschland. Zwar gab ihm die Universität seine Professur zurück, gleichwohl keine Stelle, die er besetzen konnte. Es erbittert einen, wenn man in diesen Tagen von Jubelartikeln über den deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer liest und weiß, daß er überhaupt nichts getan hat, vertriebene und gerettete jüdische Deutsche in ihre Heimat zurückzuholen. Daß sie auch nach dem Ende des Dritten Reiches heimatlos blieben, haben Politiker wie Adenauer zu verantworten. Gerade im Fall von Philipp Schwartz zeigt sich die ignorante Politik Deutschlands besonders. Denn er wollte unbedingt zurück und bemühte sich immer wieder aktiv um die Rückkehr an die Frankfurter Universität. Doch eine Berufung, eine Professur wurde ihm verweigert. Die Zurückgabe seines Professorentitels als Wiedergutmachung schien genug. Es gefriert einem das Blut.
Fotos: Film, DVD und spiegel.de
Info I:
Film:
Erscheinungsdatum: 27. Oktober 2016 als Film und 28. April 2017 als DVD Marc Oliver Dreher (Darsteller), Erik Winker (Darsteller) Alterseinstufung: Freigegeben ohne Altersbeschränkung, mindjazz
Regisseurin: Eren Önsöz
Musik komponiert von: Jörg Follert
Drehbuch: Eren Önsöz
Produzent: Erik Winker
Kamera: Andreas Köhler
Info II: DiePhilipp Schwartz Initiative wird finanziert durch das Auswärtige Amt, die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, die Fritz Thyssen Stiftung, die Gerda Henkel Stiftung, die Klaus Tschira Stiftung, die Robert Bosch Stiftung, den Stifterverband sowie die Stiftung Mercator.