Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 27. April, Teil 1
Romana Reich
Berlin (Weltexpresso) – Ich geb's ja zu. Ich habe gelacht. Einmal. Zweimal. Noch viel öfter. Aber doch eine Art Lachen, die deshalb im Halse stecken bleibt, weil sie nur der Situationskomik geschuldet war und nicht, weil es wirklich etwas zu lachen gäbe.
Vielleicht aber auch deshalb, weil Alt-Punk Fussel (Wotan Wilke Möhring) wirklich zu dämlich ist. Aber dennoch auf eine unglaublich schlitzohrige Art alle an der Nase rumführen kann. Leider auch sich selbst. Und quatschen kann er aus dem Effeff, er gehört zur Gattung derer, die auf jeden dummen Spruch einen noch dümmeren parat haben. Vor allem hat er eins gelernt: sich überall herauszuwinden. Wie nennt man diese Leute: Systemverweigerer ist viel zu hoch gegriffen, viel zu anspruchsvoll; Lebenskünstler klingt blasphemisch, denn da stellt man sich doch etwas Hochstaplerischeres vor und nicht einen derart schlichten Hartz IV Typen, der ja eben nicht lebt, sondern vor dem Leben davonläuft.
Ein Sozialschmarotzer? Das Wort nehmen wir nicht gerne in den Mund. Aber genau das ist er. Er ist arbeitsscheu, stolz darauf, bei Hartz IV von Anfang an dabei zu sein und von seiner Wirkung auf Frauen tief überzeugt. Schließlich geht ihm seit Jahr und Tag die zuständige Sachbearbeiterin Frau Linde (Victoria Trauttmansdorff) auf den Leim…
Das ist zwar niedlich gespielt, aber mit der Glaubwürdigkeit der Geschichte ist es nicht weit her. Sei‘s drum. Auf jeden Fall gibt‘s im Amt eine Art Revision. Dabei ist aufgefallen, daß Fussel schon so lange dabei ist, ohne daß er seinerseits Anstrengungen unternahm, sich „in den Erwerbsprozeß einzugliedern“. Deshalb soll die Stütze entfallen.
In einem letzten Kraftakt von verschwörerischem Handeln schlägt Frau Linde dem arbeitsscheuen Fussel nun eine spezielle Maßnahme vor, die sein Verweilen in ihrer Statistik und damit die Fortzahlung gewähren: Er ist mit der Diagnose Burnout arbeitsunfähig und wird in eine entsprechende Klinik eingewiesen. Da lernt er nun erst einmal das Fürchten unter so viel Ausgebrannten, die ihm tatsächlich seine notorisch gute Laune verleiden. Das ist nichts für ihn, so tief in sich hineinzuschauen und nur Elend und Leere zu entdecken.
Da kommt ein buntes Völkchen zusammen. Und hier gelingt es dem Film, auf der einen Seite die Patienten, von denen die meisten dem Leistungsdruck der Gesellschaft an ihren Arbeitsstellen nicht standhalten können, mit ihren speziellen Problemen deftig vorzuführen, ohne die Grundsituation von psychisch Kranken zu desavouieren. Diese Leute, die nicht mal merken, daß sie selbst ihre Situation mitverursachen, der ständig unter Strom lebende Immobilienmakler, der alles optimieren will und das noch in der kürzesten Zeit. Der in Depression verfallene Sonnenstudiobesitzer, die überforderte Hausfrau und Mutter...Wir kennen sie alle und sie kennt auch die Psychologin Alexandra (Anke Engelke), kann auf sie eingehen.
Sie durchschaut auch Fussel schnell und im Hin und Her zeigt sie sich als die erste, die ihm mit seinen vielen Ausreden gewachsen ist, was ihm mächtig imponiert. Auch bei der Klinikleitung ist er durchschaut und durchgefallen, obwohl auch diese eine Frau ist (Ulrike Krummbiegel). Sie bringt es sogar fertig, ihm knallhart die Alternative zu bieten, entweder wegen fehlendem Burnout sofort die Klinik – übrigens ein schönes in herrlicher Landschaft liegendes Sanatorium – zu verlassen, oder seine Mitleidenden als quasi Undercovertherapeut mit gesund zu machen.
Fussel hatte schnell die lahme Truppe aufgemischt, aber jetzt hat er sogar die Aufgabe, diesen die Lebensfreude und die Kraft dazu wiederzugeben. Lassen wir mal jegliche Kritik daran, wie oberflächlich das ist. Denn immer wieder sind Mitmachaktionen wirklich nützlich. Auf jeden Fall läuft Fussel zu großer Form auf und der Film zu viel Klamauk, denn die Einfälle des Fussel sind schon komisch. Und noch schlimmer: sie wirken.
Jetzt kommt also die Stunde der Entscheidung für Fussel. Will er aus seinen Fähigkeiten etwas machen und endlich nicht mehr Schmarotzer sein? Letzteres wäre eh an sein Ende gekommen. Und warum da eine Chance besteht, daß er ernsthaft an Änderung denkt, hat damit zu tun, daß es da eine Tochter gibt….
Jetzt haben wir brav erzählt, und eben auch, daß es immer wieder komisch wird, wenngleich nicht so schräg, daß es ans Eingemachte geht. Eine Sozialromanze ist es aber auch nicht. Eine Erklärung für das Leben von nicht wenigen auch nicht. Man fragt sich, was so ein Film eigentlich will, der einem am ehesten wie ein Sozialmärchen vorkommt.