Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 27. April, Teil 4

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Diesen Film mochte ich. Das gibt es immer wieder, daß in einem, fast unabhängig vom Inhalt, beim Zuschauen das Gefühl wächst, daß sich vor den eigenen Augen auf der Leinwand etwas ereignet, was einem etwas sagt.

Das hat in diesem Fall mindestens zwei Gründe. Die beiden Protagonisten, Éléonore und ihr Ex Samuel, bringen beim Verkauf ihres Elternhauses eine Wahrhaftigkeit und Schlichtheit ins Spiel, die rührt. Und wer hätte nicht schon mit seinem Ex, ob Freund/Freundin oder Mann/Frau, noch eine gemeinsame Unternehmung machen müssen, wo die Trennung noch so virulent war, daß es Funken schlug.

Éléonore (Emma de Caunes) ist Fotografin und hatte ein zwiespältiges Verhältnis zu ihrem Vater, auch deshalb, weil sie ihn in letzter Zeit nicht mehr oft besucht hatte. Sie war beruflich sehr erfolgreich, aber jetzt läuft es nicht mehr so in ihrem Leben. Das zeigte auch das Auseinandergehen ihrer Beziehung zu Samuel (Yannick Renier), mit dem sie oft in diesem Haus an der Cotes d‘Armor in der Bretagne war, als ihr Vater noch lebte. Der ist gestorben, hat ihr das Haus vermacht und, weil sie finanziell nicht gut dasteht, sieht sie keine Möglichkeit, das Haus zu behalten. Sie will also ihr Vaterhaus verkaufen.

Auch das kennt jeder von uns, wenn er Gegenstände, die ihm mal etwas bedeutet hatten oder auch nur welche, die man Jahrzehnte nicht sah, auftauchen und Das in die Hand Nehmen die Erinnerungen an früher so eindringlich aufscheinen läßt, daß man sich viel lieber den Erinnerungen hingibt, als jetzt ernsthaft auszusortieren und das Haus auf Räumen vorzubereiten. Allerdings kommt schon von außen unentwegt Bewegung in diesen Film, in die Geschichte im Haus. Die örtliche Maklerin – wie aus dem Bilderbuch Jeanne Rosa – hat einen potentiellen Käufer nach dem anderen zur Besichtigung geladen und auch wenn dies nicht Hauptteil des Films ist, sind doch diese Besichtigungen von einer herzzerreißenden Tragikkomik, weil wir nicht nur in Minuten Ehepaare kennenlernen, die wir auch alle seit Jahrzehnten zu kennen glauben, wenn wir nicht selber so sind, sondern auch das Verhalten bei Hausbesichtigungen den immer gleichen Ritualen folgen.

Und wir empfinden die gleiche Scham, die sich auf dem Gesicht der Erbin zeigt, wenn die Kaufinteressenten taktlos und unsensibel durch das Haus stampfen und törichte Fragen stellen. Das ist die eine Ebene des Films, die andere ist das Beziehungsgefüge zwischen Èléonore und Samuel, das sich schlingernd vor und zurück bewegt. Abgesehen davon, daß nicht klar wird, wer die Beziehung aufgab, wer also der ‚Schuldige‘ ist, hat Samuel längst ein neues Mädchen, hübsch und anhänglich. Diese Laure ruft ihn dauernd an, was ihn stört, weshalb er immer weit in den Garten geht, um sie zurückzurufen. Anfangs macht sich Èléonore darüber lustig, dann ärgert es sie und dann…

Doch, was mit den beiden passiert, können wir der Zukunft (und dem Ende des Films) überlassen. Durch eine neue Figur gerät die gesamte Erzählung, die man übersichtlich vor sich sah, ins Trudeln. Denn mit einer der Kaufinteressentinnen, Maelle (Christine Brücher), betritt eine Frau das Haus und die Szene, die deutlich macht, daß sie hier durchaus selbst zu Hause war. Èléonore und Samuel sind erst verwirrt, dann von der Rätselhaftigkeit des Geschehens fasziniert und zudem von der Aura dieser Frau und ihren Erinnerungen an Èléonores Vater hingerissen. Und so nimmt dieser Film, dessen Geschehen man zu kennen glaubt, eine andere als die erwartete Entwicklung.

Die poetischen Bilder vom Meer und die herrliche Landschaft kommen hinzu, wobei man sich selbst immer wieder sagt, auch gerne ein solches Haus am Meer erben zu wollen, das man auf keinen Fall verkaufen würde, selbst wenn man kein Geld hat.