Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 27. April, Teil 8

Kirsten Liese

Berlin (Weltexpresso) - Paula könnte stolz auf sich sein: Sie ist eine der Besten in ihrer Klasse, erwachsener als ihre Mitschüler, beliebt, eine Koryphäe in Französisch und bereits so verständig, dass sie sich in die Gedankenwelten großer Romanciers wie Proust und Flaubert gut einfühlen kann.

Ihre Überlegenheit macht die junge Frau aber nicht glücklich, vielmehr leidet sie wie alle anderen Siebzehnjährigen in ihrem Umfeld an einer unerfüllten Sehnsucht. Schmerzlich hat sie sich in ihre Kameradin Charlotte verliebt. Die aber ist mit Michael zusammen und verschweigt ihr, wie häufig sie an sie denken muss. Um sich von ihrem Liebeskummer abzulenken, lässt sich Paula auf die Avancen des schüchternen Tim ein und von der draufgängerischen, Lilli verführen, die aber spielt nur ein Spiel.

Der gleichgeschlechtlichen Liebe unter jungen Frauen und Mädchen hat sich in den vergangenen Jahren vor allem das französische Kino feinfühlig angenommen, denkt man an das preisgekrönte Drama La vie d'Adèle, die sommerliche Komödie La belle saison oder auch an Werke der Regisseurin Céline Sciamma (Water Lilies, Tom Boy).

Monja Arts subtiler, souverän inszenierter Debütfilm, der in diesem Jahr in Saarbrücken den Max-Ophüls-Preis gewann, bestimmt ein ähnlicher Geist. Wie sich allein Prousts und Flauberts Beschreibungen von unerfüllter Liebe und dem Verlangen nach wahren Emotionen in der österreichischen Realität der Heranwachsenden spiegeln, lässt die Affinität zum französischen Autorenkino nicht übersehen. So wie Siebzehn vor allen Dingen aber ein Ensemblefilm über die Irrungen und Wirrungen in der Pubertät ist, erzählt die Wienerin beiläufiger und unaufgeregter über lesbisches Begehren.

Umso mehr beeindruckt die große Natürlichkeit und Offenheit, mit der die Jungschauspieler agieren. Ob das in einem Dokumentarfilm, der Art ursprünglich vorschwebte, auch so gewesen wäre, ist fraglich, kann doch von Jugendlichen in diesem schwierigen Alter nicht erwartet werden, sich mit ihrer eigenen Persönlichkeit derart intim vor der Kamera einzubringen. Die zwischen Klassenzimmer, Schulbus, niederösterreichischer ländlicher Idylle, Dorfdisco und privaten Rückzugsorten verorteten Szenen wirken nicht minder lebensnah, dies auch dank markanter Persönlichkeiten: Jeder Protagonist ist eine Entdeckung für sich, ganz besonders die wunderbare, in Saarbrücken für ihre Paula als beste Nachwuchsdarstellerin ausgezeichnete, mit ihrer aparten Schönheit und ihrer großen Reife beeindruckende Elisabeth Wabitsch.

Resumee: Preisgekrönte, subtile Studie um die großen Themen des Lebens und unerfüllte Sehnsüchte in der Adoleszenz.


Foto: (c) Verleih

Info:
Drama, Österreich 2017
Regie, Drehbuch Monja Art Kamera Caroline Bobek Schnitt Monja Art, Claudia Linzer Szenenbild Conrad Moritz Reinhardt Kostüm Christine Ludwig
Mit Elisabeth Wabitsch, Anaelle Dézsy, Alexandra Schmidt, Christopher Schärf, Alexander Wychodil, Leo Plankensteiner, Bogdan Hrnjak, Vanessa Ozinge
Verleih Filmladen, 104 Minuten.
Kinostart: 28. April