Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 27. April, Teil 9

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) -

"Ein Traum, ein Traum ist unser Leben auf Erden hier.
Wie Schatten auf den Wogen schweben und schwinden wir,
Und messen uns're trägen Tritte nach Raum und Zeit;
Und sind – Und wissen's nicht – inmitten der Ewigkeit."


Natürlich muß ich bei einem Filmtitel wie DER TRAUMHAFTE WEG an Johann Gottfried Herder (1744-1803) denken, dessen Spruch die gesamte Kindheit und Jugend über direkt über meinem Bett hing, weshalb er beim Einschlafen und Aufwachen immer in den Blick geriet. Den könnte ich, behaupte ich, noch im Schlaf aufsagen, so verinnerlicht habe ich das von ihm Gesagte. Nur ist er keine Empfehlung für den Film DER TRAUMHAFTE WEG. Eher das Gegenteil.

Und wie ich im Fall der SCHLÖSSER IM SAND gerade schrieb, wie gerne ich den Film anschaute, so muß ich hier im DER TRAUMHAFTE WEG bekennen, es war mir das Geschehen nicht nur fade, sondern ich entwickelte Aggressionen. Richtig schlechte Gefühle gegen die Darsteller auf der Leinwand, gegen diese Handlung als Nichthandlung, gegen die Brüche, die einem irgendwas vorsetzen, von dem erwartbar ist, daß sich Zusammenhänge ergeben undsoweiter undsoweiter.

Da ich andererseits keine dumme Frau bin, weiß ich, daß solche heftigen Reaktionen Ursachen haben. In der Kunstgeschichte habe ich gelernt, Antipathien auf den Grund zu gehen, an Widerständen zu arbeiten. Aber wie sollte ich das hier?

Da hilft mir überhaupt nicht, daß das Presseheft gleich mit dem Zitat „EIN MEISTERWERK...“ beginnt .Ich möchte so eine Kennzeichnung ja nicht gesagt bekommen, nicht als Verdikt von anderen lesen, sondern selbst empfinden. Aber ich habe den Film über, trotz immer wieder neu gesetzter intellektuellen, also beabsichtigen Impulsen im Hirn, es möge mir doch bitte das Geschehen auf der Leinwand gefallen, einfach keinen Gefallen gefunden, ja schlimmer, ich habe mich gelangweilt.

Und gleichzeitig bin ich froh, wenn es Filmemacherinnen wie Angela Schanelec gibt, wenn sie ihre eigenen Wege gehen, wenn sie nicht 08/15 abbilden, auch nicht Hollywood dauernd neu erfinden und ihm nacheifern. Deshalb schreibe ich überhaupt darüber, daß nun Leser hineingehen und mir mitteilen, gut und schön, aber ihnen habe es gefallen, sie hätten etwas mitgenommen aus dem Film und ihnen habe das Zufällige gefallen, das darin liegt, daß im Film Gegenstände ein Eigenleben entfalten und auch ohne Handlung einer langen Bildeinstellung würdig sind.

Wenn wir auf der Handlungsebene bleiben, so geht es um das Scheitern von Liebe, woraus natürlich mindestens die Hälfte aller Filme besteht. Nicht immer aber wird einem das Scheitern einer Beziehung so schnell als Zukunftsperspektive deutlich wie hier. Angela Schanelec ist grundsätzlich spirita recta. Sie hat das Drehbuch verfaßt, das sie dann verfilmte. Auf ihren Kameramann, der hier Bildgestalter heißt, was sehr viel sinnlicher klingt, kommen wir noch zu sprechen.

Wir sind 1984 in Griechenland, das Land, das Deutsche mit der Seele suchen, wie schon Goethes Iphigenie mit ihrer Sehnsucht nach der griechischen Heimat für alle Deutschen mitsprach. Theres aus Deutschland (Miriam Jakob) und der Brite Kenneth sind ein Paar. Unwichtig seit wann, unwichtig, warum. Sie finanzieren sich ihren Urlaubsaufenthalt durch Straßenmusik in Athen, was problemlos geht: er klampft, sie singt. Doch aus der glücklichen, weil zeitlosen Zeit, reißt sie ein Anruf von Kenneth nach London heraus. Seine Mutter ist schwer verunglückt, er muß sofort zurück. Daß dies stimmt, erleben wir in kurzen Bildern am Krankenbett. Doch, was ist mit Theres? Sie hat ein Kind und will ihr Referendariat fürs Gymnasium in Berlin machen. Das ist 1989, also ein historisches Datum. Aber darum geht es nicht, sondern darum, daß wir nun überlegen, aha, das ist bestimmt der Sohn von Kenneth, der bei ihren Eltern aufwächst. Aber, warum hat sie ihm dies nicht mitgeteilt. Oder hat sie und wir haben nicht aufgepaßt?

Doch während wir noch nachdenken, sind wir im Heute gelandet. Wir schreiben schon 2014. Da sind aber neue Leute. Wieder ein Paar. Wieder ein Kind. Es ist die Schauspielerin Ariane (Maren Eggert), die mit dem Vater ihrer zehnjährigen Tochter Fanny, dem Anthropologen David (Phil Hayes), zusammenlebt, ihn aber nicht mehr liebt, weshalb er ausziehen muß, am Hauptbahnhof in einem Apartment unterkommt, aus dessen Fenster er auf den obdachlosen Kenneth hinunterblickt. Natürlich ohne zu wissen, wer dies ist. Und dieser weiß nicht einmal, daß auch Theres in Berlin lebt. Wir wissen aber, daß er heroinabhängig ist und vom Vater gebeten wurde, für die jahrelang im Koma liegende Mutter Morphium zu besorgen, damit sie sterben kann, was sie dank seiner Hilfe tut.

Die Bildgestaltung von Reinhold Vorschneider ist schon etwas Besonderes. Er liebt und wir mit ihm Makroaufnahmen, die uns etwas zeigen, ohne daß wir mehr wüßten, als daß es hier grün und feucht, lichtvoll und dunkel, oder zwei Hände sich berühren. Für uns ist das nicht genug. Aber schauen Sie selbst.