Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 11. Mai, Teil 5
Margarete Frühling
München (Weltexpresso) - Die Schule für Erwachsenenbildung (SFE) in Berlin ist eine Institution des Zweiten Bildungswegs. Sie bereitet auf den mittleren Bildungsabschluss und das Abitur vor. Das Besondere ist, dass sie seit ihrer Gründung 1973 von Lehrern und Schülern selbstverwaltet wird und dass es während der Schulzeit keine Noten gibt.
Allerdings müssen dann die Prüfungen extern vor einer staatlichen Prüfungskommission abgelegt werden. Außerdem hat die SFE keinen Direktor und die Entscheidungen werden basisdemokratisch abgestimmt.
Da es keine staatlichen Zuschüsse gibt, zahlen die Schüler z. Zt. ein Schulgeld von 160 € im Monat und die Lehrer und die Verwaltungsmitarbeiter erhalten 12,50 € pro Stunde. Unter Umständen besteht für die Schüler die Möglichkeit Bafög zu bekommen.
Der Regisseur und Drehbuchautor Alexander Kleider hat einige der Schüler während ihrer Zeit an der Schule über drei Jahre bis zum Abitur verfolgt. Bei den vorgestellten Schülern handelt es sich um Schulabbrecher aus verschiedenen Bundesländern, die keine Chance mehr haben, einen Schulabschuss an einem staatlichen Gymnasium oder einer Gesamtschule nachzuholen, da sie zu alt sind. Dazu kommt, dass die meisten Schüler Probleme hatten, sich in das normale Schulsystem einzugliedern oder sich in den Schulen, die sie vorher besuchten, gemobbt fühlten.
Der Regisseur hat den Schwerpunkt der Darstellung auf persönliche Probleme der Schüler gelegt und darauf, wie Lernorganisation und Umgangsformen in der SFE bei deren Bewältigung helfen.
Alexander Kleider, der im Jahr 2000 selbst sein Abitur an der Schule gemacht hat, lässt in dem Film nicht nur die Schüler, sondern auch die Lehrer zu Wort kommen. Einige Lehrer sind bereits seit 1973 dabei. Während des Films werden auch die aktuellen Probleme des deutschen Schulsystems angesprochen, wie z.B. Auswendiglernen versus Verstehen.
Obwohl "Berlin Rebel High School" während der gesamten Laufzeit des Films spannend bleibt und auch Lehrer und Schüler zu Hause, beim Lernen in der Gruppe - nicht nur in der Schule, sondern auch im Freien - gezeigt werden, werden doch einige wichtige Themen nicht behandelt. Es interessiert sicher, wie hoch die Abbruchquote bei den Schülern ist, denn selbstorganisiertes Lernen muss auch erst einmal bewältigt werden. Auch ist es sicher interessant zu wissen, wie sich die Schüler während der drei Jahre finanzieren und das Schulgeld und die Kosten für das sicher nicht billige Leben in Berlin aufbringen. Auch würde man gerne mehr über die Gründe erfahren, warum es einem Teil der Schüler trotz (oder gerade wegen?) des großen Spielraums nicht gelungen ist, einen Schulabschluss zu erreichen. Daneben erfährt man zwar auch Einiges über die Motivation der Lehrer, es wird aber kaum etwas über die Selbstausbeutung gesagt und die Probleme, wie man nach einem langen Lehrerleben mit 800 € Rente auskommen will. Dies mag auch der Grund sein, warum einige der Lehrer auch mit weit über 70 Jahren noch an der Schule unterrichten.
Es ist auch sicher im Film doch etwas übertrieben, wenn die SFE als einzigartig dargestellt wird, denn es gibt in vielen Bundesländern Möglichkeiten auch mit Mitte 20 und älter noch einen Schulabschuss zu erwerben, z.B. an den Kollegs des zweiten Bildungswegs oder auch an den örtlichen Volkshochschulen und zwar sowohl in Tages- als auch in Abendform. Natürlich ist der basisdemokratische Ansatz schon etwas Besonderes. Das mag auch der Grund dafür sein, warum die Schule für Erwachsenenbildung beim Deutschen Schulpreis 2016 einen der vier 2. Plätze gewonnen hat.
Insgesamt ist "Berlin Rebel High School" aber eine rundum gelungene Dokumentation über eine außergewöhnliche und basisdemokratische Schule. Der Film hat zu Recht von der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW) die Auszeichnung "Besonders wertvoll" erhalten. Er erhielt auch eine Nominierung als "Bester Dokumentarfilm" für den Deutschen Filmpreis 2017, konnte aber nicht gewinnen. Ob man sich den Film allerdings im Kino ansehen muss, sei dahingestellt. Da der WDR ihn mit produziert hat, wird er sicher auch im Fernsehen gezeigt werden. Dort sollte man ihn dann aber keinesfalls versäumen.
Foto: Filmplakat © Neue Visionen Filmverleih
Info:
Berlin Rebel High School (Deutschland 2017)
Genre: Dokumentation
Filmlänge: 92 Min.
Regie und Drehbuch: Alexander Kleider
Verleih: Neue Visionen Filmverleih
FSK: ab 6 Jahren
Kinostart: 11.05.2017