Serie: Die anlaufenden Filme in deutschen Kinos vom 11. Mai, Teil 2
Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Eigentlich war es in Frankfurt damals viel schräger, als die Techno-und Elektroszene dort ihren Mittelpunkt hatte. Irgendwie mehr unter dem Strand, bevor sie in die neue, die alte Hauptstadt Berlin zog. Das ist aber im Film von Romuald Karmakar egal, denn es geht nicht ums Publikum, sondern um die Macher.
Genau genommen nur um fünf, aber die Heroen der Zunft: Ricardo Villalobos, Sonja Moonear, Ata, Roman Flügel, David Moufang. Diejenigen also, die die Musik auflegen, aber was heißt auflegen? Es ist dramaturgisches Geschick, wie diese fünf als Herrscher über die Musik inszeniert werden. Denn darin liegt das Spannende des Films. Zwar sieht man immer wieder wogende Massen oder vor sich hintänzelnde Individuen, aber die werden nur als Masse gezeigt, wo deren Selbstvergessenheit oder sonstige Gefühle nicht interessieren.
Die Tätigkeit des Musikzusammenkittens steht im Mittelpunkt, ja wir sind echt dabei, wie Villalobos – über den der Regisseur schon mal einen gleichlautenden Film gebracht hatte – mischt, denn der Filmklang gibt die Kopfhörer wieder, das, was nur der Macher hört, wenn er aus zwei Songs den Übergang schafft, was wohl ‚Beatmachtings‘ heißt. Er muß genau hinhören, wo der Rhythmus eine Ähnlichkeit aufweist, wo die Beatschläge es leicht machen, die Platte zu wechseln, so daß für den Hörer und Tänzer aus Altem Neues entsteht, was ja auch heißt, daß es immer, immer, immer weitergeht. Denn eine der Attraktionen für die dem Rhythmus Hingegebenen ist es eben, daß der Moment Ewigkeit verspricht.
Sind wir sonst gewohnt, daß ein Stück anfängt, eine Charakteristik entfaltet, sein Ende findet, so verspricht diese Techno-Elektronikmusik durch das ständige Fortsetzen, durch den ständigen Drang nach Weiter, Weiter eine Art Ewigkeit. Und darum hatten wir oben im Zusammenhang mit dem Publikum von Selbstvergessenheit gesprochen. Befinde ich mich in der Ewigkeitsschleife, kann ich gut aufs Hier und Heute verzichten, denn beides wird Eins.
Aber damit haben wir den Film total verlassen. Gerade solche Gedanken macht sich der Filmemacher nicht. Könnte man denken. Er muß es auch nicht, denn seine Protagonisten bringen in den vielen Interviews, in denen er sie sehr gekonnt zum endlosen Reden bringt, ihre Philosophie von alleine. Und hier ist der Begriff wirklich angebracht, es geht nicht um solche Peinlichkeiten wie es ein Wort wie Firmenphilosophie ausdrückt, sondern um die Gedanken übers Leben, die hier vor allem David Moufang anhand seiner eigenen Biographie mitten in menschenleerer Landschaft über viele viele Minuten der Welt erörtert.
Es muß einfach diese Szene sein, weshalb der Filmtitel DENK ICH AN DEUTSCHLAND IN DER NACHT gewählt wurde, der direkt das berühmte und bewegende Gedicht Heinrich Heines einleitet, der ja nicht nur ein Spötter war, sondern eine wesentliche Seite der Romantik verkörperte, nämlich die, wo das eigene Selbst immer im Zusammenhang mit der Gesellschaft aufscheint. Doch, ganz schön seltsam, was da nicht in den Musikhallen oder der Matratzengruft geschieht, sondern unter einem völlig freien Himmel. Ganz schön absurd, abgehoben auch und doch mitten ins Herz.
Warum einen der Film vom ersten Moment an interessiert, hat mit dem Auftakt zu tun, wenn wir diesen wilden Ricardo Villalobos konzentriert sehen, dann wissen wir gleich, daß Konzentration eines der wesentlichen Merkmale dieser Tätigkeit ist, die ja stundenlang anhält. Karmakar läßt seine Protagonisten einfach reden, wenn er sie erst einmal mit Fragen nach ihrem Leben und eben auch, warum sie diese Nachttätigkeit machen, vor der Kamera alleine läßt. Aber dieses Alleinelassen ist ein Moment der Kreativität, wir sehen den Gedanken zu, wenn sie sich zu Worten formen, alles in allem ein interessanter Film über Menschen, auch dann oder sogar erst recht dann, wenn man diese Musik normalerweise nicht hört. Oder nicht mag. Denn natürlich gäbe es zur Musik noch sehr viel mehr zu sagen. Aber hier sprechen die Macher des Mischens und das hat was. Alle Achtung.
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