kpm Pfingsten c EKDEin guter Anlaß, zwischen Religion und Kultur zu unterscheiden, Teil 2/3

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Das altgriechische Wort „pentecoste“ (der fünfzigste) datiert ein wichtiges Ereignis in der Apostelgeschichte des Neuen Testaments.

Fünfzig Tage (sieben Wochen und einen Tag) nach dem Pessach-Fest feiern die Juden das Wochenfest „Schawuot“ als das letzte ihrer Frühlingsfeste. Offenbar aus Anlass eines solchen Schawuot versammelten sich in Jerusalem die Anhänger des neuen Glaubens. Denn nach ihrer Zählung waren auch fünfzig Tage seit der Auferstehung Christi vergangen.

„Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab“ (zitiert nach der Einheitsübersetzung).

So schildert die Apostelgeschichte dieses sagenhafte Ereignis aus den frühen Tagen der Christenheit. Als einen historischen Bericht wird man die Erzählung nicht bezeichnen können, denn ihr Entstehen wird von der Bibelwissenschaft auf die Zeit zwischen 65 bis 70 nach Chr. datiert. Da war Jesus bereits 35 bis 40 Jahre tot (oder aufgefahren gen Himmel) und auch die meisten Zeitzeugen werden nicht mehr gelebt haben. Die Kirche feiert seit dem Ende des vierten Jahrhunderts dieses Fest am fünfzigsten Tag nach Ostern. Und es ist seiner Bedeutung nach so etwas wie ihr Gründungstag. Gottes Geist hat sich nach dem Verständnis des Frühkatholizismus vielen Gläubigen - und nicht mehr nur einigen Auserwählten - offenbart. Diese Überzeugung wird auch von den Kirchen der Reformation geteilt.

Der Geist Gottes, in vielen biblischen und nachbiblischen Schriften auch als der Atem Gottes bezeichnet (hebräisch „ruach“, altgriechisch „pneuma“, lateinisch „spiritus“), ist ein theologischer Schlüsselbegriff. Denn dieser Geist wirkt nach Überzeugung der christlichen Kirchen im Menschen und ermöglicht diesem die Begegnung mit Gott. Für den evangelischen Theologen Paul Tillich (1886 - 1965) war er eine notwendige Dimension des Lebens.

Diese spirituelle Seite des christlichen Glaubens wurde im Lauf der Jahrhunderte zunehmend von der formalen Liturgie verstellt. So geriet das pfingstliche Element (z.B. das Zungenreden) immer mehr zur Wesensäußerung charismatischer Bewegungen. Insbesondere die Pfingstler (in Deutschland: Bund freikirchlicher Pfingstgemeinden), die dem evangelikalen Spektrum zugerechnet werden, widmen dem Empfangen des Geistes einen zentralen Teil ihrer Gottesdienste. Die Ekstase der vom Heiligen Geist vermeintlich Ergriffenen sowie das Heilen durch Handauflegen sind dort verbreitet anzutreffen.

Die Reaktion der Kirchen auf die Reduktion und Verselbstständigung charismatischer Inhalte besteht im ersten Sonntag nach Pfingsten (Trinitatis), wo an die Dreifaltigkeit, also an die Einheit von Vater, Sohn und Heiligem Geist, erinnert wird.

Damit können und wollen sich jedoch moderne Menschen immer weniger zufriedengeben. Albert Schweitzer, Theologe, Organist und Mediziner, sah im Geist Gottes vor allem den Geist der Selbstständigkeit und der Freiheit und damit ein Gegenstück zum herrschenden christlichen Dogmatismus. Und so beklagte er, dass in den „wohlorganisierten Kirchen“ dieser Heilige Geist oft „gedämpft“ würde. Die von einem Lehramt verwaltete Lehre und Predigt ersticke nicht selten den lebendigen Glauben. Erst wenn sich die Kirchen zu wirklichen Gemeinschaften wandelten und die überkommenen Strukturen überwänden, würden sie für alle Menschen als Orte des Lebens und des Geistes Gottes erkennbar. Somit war für Schweitzer das Christentum vor allem eine „Religion des Geistes“.

Pfingsten als ein Fest des Frühlings und des neuen Aufbruchs beeinflusste auch säkulare Bereiche. Die legendären „Burg-Waldeck-Festivals“ des politischen Lieds zwischen 1964 und 1969 fanden mehrfach zu Pfingsten statt. Auch die staatliche Jugendorganisation der DDR, die „Freie Deutsche Jugend“ (FDJ) lud alle fünf Jahre zu ihren Pfingsttreffen ein.

In der Bundesrepublik wird Pfingsten längst als ein willkommener Doppelfeiertag (Sonntag und Montag) wahrgenommen, dessen christliche Wurzeln nur noch wenigen bewusst sind. In Frankfurt am Main gibt es seit dem Ende des 18. Jahrhunderts sogar einen dritten Feiertag, den „Wäldchestag“. Dieser ist ein Volksfest, das am Oberforsthaus im Frankfurter Stadtwald stattfindet. Noch bis in die 1990er Jahre hinein gewährten viele Betriebe ihren Mitarbeitern ab 12:00 Uhr einen arbeitsfreien halben Tag. Der ist aber mittlerweile zur Ausnahme geworden.

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