c lutherdeutscheDer Begleitband zur nationalen Sonderausstellung auf der Wartburg, bis 5. November, Teil 1/3

Claudia Schulmerich

Erfurt (Weltexpresso) – Nein, diesmal wollen wir nicht mit der Ausstellung anfangen, denn Ausstellungen kommen und gehen – aber Kataloge bleiben bestehen. Die oben genannte Ausstellung geht immerhin noch bis 5. November, ist also bis nach dem eigentlichen Lutherereignis am 31. Oktober zu sehen.

Aber im Gegensatz dazu, bleibt der Katalog in der Welt. Er nennt sich Begleitband zur Ausstellung, weil er eindeutig über das hinausgeht, was ein ordentlicher Kataloge leistet. Der hält sich an die Ausstellungsstücke, zeigt diese im Bild und beschreibt sie normalerweise in Worten. Das gilt sowohl für ihre Herkunft und ihren Hervorbringer, aber eben auch, welche Funktion das Stück hat, was es über den äußeren Schein hinaus aussagt... Das muß man von Fall zu Fall entscheiden, was wir gleich tun werden.

Aber es soll nicht unter den Tisch fallen, daß vor allem theoretische, also erklärende und deutende historische Texte eine Rolle spielen, der Begleitband also nicht nur auf die Exponate tiefer eingeht, was sowieso schon viel ist, mehr als viele Kataloge leisten. Wobei der Begriff ‚Theorie‘ vielleicht falsch gewählt ist und eher abschreckt. Aber wie sollte man sonst beschreiben, wie sinnvoll, spannend und erhellend den fünf Gliederungen der Ausstellung dieser Begleitband eine Reihe von Aufsätzen voranstellt, die uns erst einmal in die Zeit und in die entsprechende Fragestellung versetzen.

Fangen wir einfach an, wobei wir uns die Grußworte sparen, obwohl auch in denen kluge Gedanken stecken. Daß Ministerpräsidenten, Kultus- und Kulturminister sowie Ausstellungsbeiräte mit den Grußworten auch Inhaltliches transportieren, ist heute eigentlich Usus. Was wir aber nicht kennen, das ist ein GELEITWORT des Burghauptmanns, hier der Wartburg. Denn normalerweise finden Ausstellungen eben nicht in den historischen Orten statt, von denen sie dann handeln, sondern in Museen und Ausstellungshallen. Wohin geleitet uns also Günter Schuchardt?

Er bezieht sich erst einmal auf die wirklich erstaunliche lange Zeit der Vorbereitung des Lutherjahres 2017, das ja eigentlich das 500. Reformationsjahr ist, aber unter der Hand eben doch sehr luthert. Einfach, weil Menschen Geschichte machen und es allemal interessanter ist, von diesen zu berichten, als den Zeitgeist durch die Geschichte zu verfolgen. Er hat die beiden letzten Ausstellungen im Blick – 1967 zur 450. Wiederkehr der Veröffentlichung der Thesen und den 500. Geburtstag von Luther 1983 – und kann stolz vermelden, daß die Wartburg schon am 4. Mai 2009 die Sonderausstellung DIES BUCH IN ALLER ZUNGE, HAND UND HERZEN anläßlich des 475. Jahrestages der Erstausgabe der Lutherbibel 1534 gezeigt hatte. Aha, folgert man weiter, dann ist es also 2034, in 17 Jahren erneut soweit, wenn die Lutherbibel ein halbes Jahrtausend auf dem Buckel hat.

Und dann lesen wir schon etwas geknickt, daß es die ganzen Jahre auf der Wartburg schon Detailausstellungen zur Reformation gegeben hat, die Schuchardt als Aufwärmphase für die jetzige große Sonderausstellung benennt. Schade. Wir sind so oft auf dem Weg nach Berlin dort vorbeigefahren.

Und dann geht es los. Joachim Whaley schreibt über die bewegte Beziehungsgeschichte LUTHER UND DIE DEUTSCHEN seit 500 Jahren. Es ist unmöglich, diese Ausführungen kurz wiederzugeben. Auf jeden Fall wird schon beim ersten Aufsatz deutlich, daß das ein Band ist, den man gut zu Hause gebrauchen kann, weil er grundsätzlich aufführt und gleichzeitig uns mit Fragen konfrontiert, von denen wir gar nicht wußten, daß wir sie haben. Whaley spricht vom „Problematischen Jubiläum?“ und mit den Worten des Luther Biographen Gerhard Ritters: „Er ist wie selber: der ewige Deutsche“. Da tut es mir immer gut, daß die männliche Schreibweise die Frauen ausschließt. Denn ich bin nicht Luthers ewige Deutsche. Auch dann nicht, wenn ich anerkenne, daß unser Land in Sprache, Kultur, Bildung und vielen Lebensbereichen maßgeblich von Luther geprägt wurde, bzw. von denen, die in seinem Sinne oder was sie für seinen Sinn hielten, agierten.

Ritter stellt zwei Sachverhalte gegenüber. Luther habe in Skandinavien eine weit breitere Mehrheit für das Luthertum gewonnen als hierzulande, wo die Katholischen vor allem im Süden eben die Katholischen blieben und der Norden Deutschlands vor allem mit den Flüchtlingen nach dem 2. Weltkrieg ‚durchmischt‘ wurden. Aber das, was Ritter als typisch deutsch in der Nachfolge Luthers bezeichnet, hat in Skandinavien keinen Niederschlag gefunden: die kulturellen und geistigen Eigenschaften. Als Ritter das 1925 niederschrieb, waren rund 60 Prozent der Deutschen Lutheraner. Heute sind es 27 Prozent, also mehr als halbiert. Natürlich muß das Auswirkungen haben. Erst recht, wenn von diesen 27 Prozent nur 7 Prozent regelmäßig in die Kirche gehen...

Und dann liest man verblüfft: „Gemessen an der Zahl aktiver Lutheraner weist Äthiopien weit mehr auf als Deutschland, und überhaupt wächst der Protestantismus in der südlichen Hemisphäre schnell, während er in den traditionellen Kerngebieten Europas und Nordamerikas eine absteigende Tendenz zeigt.“ (15)

Das gibt es doch nicht, so hatten wir uns das nicht vorgestellt, als wir uns entschlossen ,diesen Band vorzustellen. Da sind wir gerade mal bis Seite 15 gekommen, wo doch erst bei 418 (ohne Anhang) Schluß ist. Also muß eine Folge her.

Fortsetzung folgt also.

Foto: Titelabbildung © Michael Imhof Verlag 

Info:

Hrsg. Wartburg-Stiftung-Eisenach, BEGLEITBAND zur Nationalen Sonderausstellung auf der Wartburg 4. Mai-5. November 2017, Michael Imhof Verlag 2017