hz Kohletagebau Menne 00820Cockpit20eines20stillgelegten20Baggers20in20Ferropolis opt 3 2017Peter Mennes Fotoausstellung zum ‚Kohletagebau brachial‘ bestätigt Naomi Kleins These der unversöhnbaren Entgegensetzung: Kapitalismus vs. Klima

Heinz Markert

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Kürzlich kam die Welt, wie alljährlich, erneut zu der zweifelhaften Ehre, den Weltüberlastungstag feiern zu dürfen. Das war am 2. August 2017. Deutschland kam das Privileg zu, diesen Tag bereits am 24. April 2017 begangen zu haben. Die Nachrichtensendungen berichteten gewohnheitsmäßig darüber.

Im Sommer 2014 lieferte WELTEXPRESSO den Beitrag ‚Ein Brutalismus der architektonischen Moderne‘. Er bezog sich auf Bausünden – ein kaum mehr genügend zuständiger Ausdruck -, die der Fotograf, der Künstler und Frontmann des vielfältigen bürgerschaftsrechtlichen Engagements, Peter Menne, in einer Ausstellung mit Bildern von fotokünstlerischem Format präsentiert hatte. Den Zeiten entsprechend wurde für ihn der Brutalismus Gegenstand.


Der Brutalismus ist das durchgängige Prinzip der marktradikalen Ökonomie

hz oheltagebau Menne 20Tagebau20Leipzig Profen opt 1 2017Im laufenden Jahr, also nur drei Jahre später, kam ein anderer, noch ungeheurerer Brutalismus auf die Tagesordnung, auch wieder im Beisein und Mittun von Fotokunst, die nicht nur abbildet, sondern das Sehen durch ein Mehr an Begreifbarkeit erweitert.

Naomi Klein sagt: Der Traum vom grenzenlosen Konsum reicht bis in die entferntesten Zonen der Welt. Dafür rippen wir der Erde – jener Mutter Erde – die Haut bei lebendigem Leibe ab, obgleich mittlerweile als unbestreitbare Voraussetzung gilt: die Erde ist „ein lebender Organismus“, wie der Senckenberg-Museumsleiter Bernd Herkner kürzlich in einem Interview mit der FR sagte. Eigentlich aber ist das gesamte Universum ein einziger Organismus. Komplexe Moleküle entstehen schon in sehr frühen Stadien der Sonnensysteme, warten nur auf den Zeitpunkt, aktiv zu werden, wie nun bekannt wurde.

Das Rippen der Erdoberfläche bis in schlundigste Untergründe ist das Thema der Fotoausstellung des Fotografen Peter Menne. In der Offenbacher Stadtbibliothek geht unser Lauf entlang der Fotos aufwärts in den Bücherturm, also in entgegengesetzter Richtung. Dieser hat vier Wendeln. Größe und Elend des Menschen, lautet ein Titel von Blaise Pascal. Die Größe ist heute mit Hybris zu übersetzen – denn die echte Größe ist dahin -; das Elend kommt ans Tageslicht, wenn am Ende die Rechnung aufgemacht wird, wenn der Preis des Fortschritts, der Naturbeherrschung, aufgewiesen wird, alle Schäden aufgelistet sind.

Die Kohlefraktion reicht noch weit bis in die SPD; diese hält mit fossilen Recken wie Clement und Kompagnons (zu denen auch Sigmar Gabriel gehört) weiter zu den Schlotbaronen, glaubt fest daran, dass diese Arbeitsplätze möglichst weit in die Zukunft gerettet werden müssten. Sie lassen sich von der Kohleindustrie treiben. So wird die Energiewende sabotiert. Gleichzeitig faselt die alte SPD konzertant etwas von Industrie 4.0, weiß aber noch gar nicht, was sie darunter verstehen soll. Ihr geht das Szenario des Endes der fossilen Energie und der alten Arbeitsplätze ab wie CDU und FDP. Seit Willi Brandts Abtritt hat sie keinen aktiven Plan für die ihr davonrennende Entwicklung der Turbo-Ökonomie.


Garzweiler, Hambach, Ferropolis, Leipzig - Profen

hz Kohletagebau 6 Menne 00820Cockpit20eines20stillgelegten20Baggers20in20Ferropolis opt 2 2017Die Fotos vom Tagebau haben die Baggerwerke mit ihren monströsen Aufbauten, die an Ungeheuer aus dem Hades erinnern, teils mit modernen oder historischen Windrädern des Hintergrunds kombiniert, was besagt: es ginge auch anders. An den Rändern von Abgründen in die Tiefe haben die Zahnreihen saurierartiger Ungetüme aus Eisen die Erde perforiert und sich dann breiter und breiter, tiefer und tiefer nach unten gearbeitet.

Das Bild ‚Kohletagebau Leipzig - Profen 10 / 2016‘ zeigt, wie andere Bilder, ausgerostete Flächen; es scheint, als schlafe die Raupe nur, sie scheint nicht mehr sehr in Gebrauch zu sein - doch Vorsicht, sie schläft nur. Der Rost lässt die Raupe bzw. den hochaufgerichteten King Kong seltsam antik erscheinen, geradezu harmlos. Dazu kommt, der Fotograf schaut über viel Grün im Vordergrund hinüber auf eine Wüste dahinter; das Gegensätzliche findet sich auf ein und demselben Bild, nicht wenig eben auch zuweilen mit neuen Windkrafträdern.

In Deutschland müssen noch immer Dörfer für den Tagebau weichen und das für den Abbau der Braunkohle! – ein Wahnsinn. So mag es vorne noch etwas grün sein, dahinter ist keine Landschaft übrig, da blinkt keine Blüte mehr; bei Garzweiler, dem riesigen Loch. Auch in Offenbach und Frankfurt wird Kohle verstromt. Ein Bild zeigt den Kohlekran vor der Skyline zu Offenbach, im Jahr 2017. Zusammen mit dem Dieselruß und den Stickoxiden kommt da einiges zusammen, was man nicht sieht, das aber doch dauerhaft die Atemorgane angreift.

Die rostenden Maschinen haben teils derart viel Gestänge und Aufbauten wie auch blecherne Behausungen am Leib, dass sie geradezu dazu einladen, sie als Kletterspielzeuge zu besteigen und in ihrem Fell aus Metallstreben rauf- und runter zu klettern. Es ist der Moloch, der erschreckend aus den Fotos zu uns spricht, der gen Untertage drängt und Mondlandschaften begierig aushebt, tief auskratzt.

Charakteristisch sind lange Auswüchse, die über dem Maschinenkorpus lagern, vorn und hinten. Sie geben dem Unhold Stabilität und Gleichgewicht. In einem Bild rieselt ein schmaler Strahl Kohle in einen Abgrund. Unverwechselbar ist auch, wie der Abbau treppenförmig und schichtenartig in den Hintergrund verläuft, sich immerzu fortsetzend, aufsteigend von ganz unten bis hoch zur Haut der Erde. Im Abbau entstehen Abgründe mit schräglaufenden Arbeitsebenen und serpentinenartigen Treppen, die als Illustrationen zu Dantes Inferno dienen könnten, wäre der Krater nicht selbst schon die real-infernalische Veranstaltung eines von Gier getriebenen Unwesens, genannt Raubtierkapitalismus (Otte).

Naomi Klein schrieb: Wir leben in einem Projekt aus Privatisierung, Deregulierung und Steuersenkung. Schon in den noch etwas harmloseren Zeiten habe die neoliberale Ideologie eine gigantische Megamaschine angeworfen. Seitdem sei die Parole: Konsum und Wachstum. Pech für das Klima!

Info:

Vernissage der Ausstellung ‚Kohletagebau – Kulturlandschaft brachial‘, Fotoausstellung; Stadtbibliothek Offenbach am Main, 5. August 2017 · Stadtrat Paul-Gerhard Weiß, die Leiterin der Stadtbibliothek Offenbach, Nicole Köster und Peter Menne eröffneten und sprachen einleitende Worte. Die Ausstellung läuft bis 24. August 2017.

Vom Ende des fossilen Zeitalters‘ - Diskussion zum Thema der Ausstellung; Thesen, Bilder; Diskussion der KunstGesellschaft, Mittwoch, 9. August 18 Uhr · Stadtbibliothek Offenbach am Main, Herrnstr. 84 · Die Stadtbibliothek hat montags und samstags von 10 - 16 Uhr geöffnet, Dienstag bis Freitag von 10 – 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.

   
Erinnerung:
Fotoausstellung „Wohnwelten: Sind die Visionen von gestern die Alpträume von heute?“ von Peter Menne
ehemals gezeigt auf dem alljährlich stattfindenden Rundgang der Hochschule für Gestaltung (HfG) Offenbach 2014 und in der Ausstellungshalle des Kunstvereins Offenbach, am Platz der Deutschen Einheit 5 (18.- 20. Juli 2014).

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Fotos: © Peter Menne