a ariane mnouchikineFeierliche Überreichung des Goethepreises 2017 im Kaisersaal des Frankfurter Römers, Teil 3/3

Ariane Mnouchkine

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Wie schon ausgeführt, konnte die Preisträgerin des Goethepreises 2017, Ariane Mnouchkine, den Preis nicht persönlich entgegennehmen, weil sie auf längere Zeit in Japan den Anfängen ihrer Theaterarbeit nachspürt, weshalb ihre Dankesrede als Video über die Bühne ging, wovon wir im Folgenden Auszüge bringen. Die Redaktion

Danke, daß Sie mit Ihrer Wahl stellvertretend durch mich die Arbeit wertschätzen und belohnen, die Dutzende, vielleicht Hunderte von Schauspielerinnen, Schauspielern, Musikern, Malern, Bildhauern, Nähern, Köchen, Bühnen -, Gebäude- und Verwaltungs-Technikern geleistet haben, von denen viele aus allen Himmelsrichtungen zusammengekommen sind. Tag für Tag, Nacht für Nacht, haben sie in unseren ersten dreiundfünfzig Jahren zusammen mit einer Autorin und einem Komponisten diesen bunten, so robusten und zugleich zarten Teppich gewebt, den das Théatre du Soleil darstellt.

Danke, daß Sie mit dieser Geste uns gegenüber zugleich auch Millionen von Zuschauern ehren, die uns ihre Unterstützung und Zuneigung entgegen gebracht haben. Diese Unterstützung und Zuneigung hat uns über die stürmischen Ereignisse einer zunehmend chaotischen und unbegreiflichen Welt hinweg getragen und trägt uns auch heute noch.

Und dann muß ich diesem Dank einen weiteren hinzufügen, der persönlicher und somit bescheidener ist, aber von wesentlicher Bedeutung für mich. Danke, daß Sie eingewilligt haben, mir den renommierten Goethepreis zu verleihen, ohne daß ich dafür Japan verlassen muß, den Ort, wo ich mich gerade befinde, wie Sie an der No-Bühne hinter mir auf dem Video erkennen können....

Ja, es war für mich außerordentlich wichtig, daß Sie mir gestatten, eine Reise zu ihrem noch ungewißen Abschluß zu führen, die lange, bevor Sie mir diesen Preis zuerkannt haben, beschlossen worden war.

Diejenigen, die mir, ehe sie mich auszeichneten, die Ehre erwiesen haben, sich in meinen beruflichen Werdegang zu vertiefen, kennen mein Alter. Sie wissen also, daß weniger Zeit vor mir liegt als ich bereits hinter mir habe. Weit weniger Zeit! Wer weiß, vielleicht überhaupt keine Zeit mehr. Diese Zeit, die mir bleibt, läßt sie sich in Jahren, Monaten, Tagen, Stunden bemessen? Das weiß niemand und das möchte auch niemand wissen.

Zurückzukehren nach Japan, für eine längere Zeit und ohne jede Verpflichtung, das bedeutete für mich, die Spuren einer sehr weit zurückliegenden Reise vor fünfzig Jahren zu verfolgen, die meine Berufung endgültig besiegelte und für immer das Theaterschaffen der Gruppe beeinflußte, die ich nach meiner Rückkehr mit meinen Freunden gründen sollte.

Diese Reise zu den Anfängen meines Lebens, deren Spuren ich noch einmal zurückverfolgen möchte, führte zu der Reise, die ich heute mit 78 Jahren unternehme und die, wenn es mir gegeben ist, genauso viel Initiative und Inspiration hervorbringen kann wie die erste. Entweder verleiht sie mir die Kräfte zu einem letzten neuen Werk oder gibt mir den Mut zu einem gelassenen Verzicht und zu einer wohlgeleiteten und wohlwollenden Übergabe, aus der dann eine andere Begeisterung entspringen kann.

Dieses Nachdenken, diese Wahl, dieser Zweifel, diese Entscheidung, all dies ist Gegenstand meiner Reise und dank Ihres großzügigen Verständnisses und Ihrer freundlichen Nachsicht kann ich mich dem vollständig widmen......

Nun komme ich zu einem anderen Dank, der prosaischer ist und den Sie sogar geschmacklos finden könnten. Ein Dank für das Geld. Ja, für das Geld, das mit diesem Preis einhergeht. Für eine Gruppe von Künstlern ist eine solche Summe nicht irgendwas. Es bedeutet ein Stückchen Zeit. Genau das ist es. Sie haben uns ein wenig von jeder Zeit geschenkt, die sich stets an dem rächt, was man ohne sie tut. ...

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