Wolfgang Mielke
Weltexpresso (Hamburg) -Der zweite Teil nach der Pause ist dem Grafen Egmont als einem Beispiel für einen prometheischen Menschen gewidmet. Natürlich hätte die Wahl hier auch auf etliche andere als bedeutend geltende Menschen fallen können.
'Die Götter' sind im Falle Egmonts die erz-katholische Macht der Spanier, die für ihn in der spanischen Besetzung der Niederlande Gestalt wird. Graf Egmont, - korrekt: Graf Lamoral von Egmond -, lebte von 1522 bis zum 5.6.1568, dem Tag seiner öffentlichen Hinrichtung auf dem Marktplatz von Brüssel. In der Zeitschrift Perinique – Magazin Weltkulturerbe habe ich in der Ausgabe 11 ausführlich über diese Zeit geschrieben. Nach dieser hervorragenden Aufführung des "Hamburger Theater Festivals" las ich mir diese Darstellung wieder durch und konnte so mein Wissen wieder auffrischen.
Graf Egmond war vor allem ein erfolgreicher Militär. Hier liegen seine größten Erfolge. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter manche von Spaniens gestrengem König Philipp II (1527 . 1598). Schon dessen Vater, Kaiser Karl V. (1500 – 1958) hatte Egmond mehrmals in Feldzügen gedient. 1546 wurde Egmond Mitglied des Ordens vom Goldenen Vlies – und gehörte damit einer elitären Vereinigung an, die der herrscherlich-weltlichen Gerichtsbarkeit enthoben war und das Vorrecht hatte, intern ihren Mitgliedern selbst zu Gericht zu sitzen. 1542 wurde Egmond durch den Tod seines Bruders zum Statthalter der Provinz Holland. Philipp II. setzte ihn 1559, im dritten Jahr seiner Regierung, als Statthalter von Flandern, dem Süden der damaligen Niederlande – heute den Niederlanden und Belgien – ein.
Politisch jedoch war und blieb Egmond zeit seines Lebens gläubig-naiv, auch bestechlich durch die Schmeicheleien seines Königs, wenig klug; und nicht zuletzt: Unzuverlässig, wankelmütig. Einerseits setzte er für religiöse Toleranz ein: Es war das Zeitalter der begonnenen Glaubensspaltung. Luther (1483 – 1546) hatte 1517 seine berühmt gewordenen Thesen veröffentlicht, in deren Folge die Religionskriege zwischen Katholiken und Protestanten entbrannten, die einhundert Jahre später im Dreißigjährigen Krieg gipfelten.
Andererseits ging Egmond mehrere Jahre später, nachdem Philipp II. ihn wieder durch auffällige Wohlwollensbezeigungen für die katholische Sache gewonnen hatte, mit äußerster Härte gegen die protestantischen Niederländer vor. Aber es nützte ihm nichts. Als ein Jahr später – 1567 – Herzog Alba (1507 - 1582) als Abgesandter Philipp II. und neuer Statthalter der Niederlande von Egmond feierlich empfangen wurde, - Egmond war Alba noch an die Grenze entgegen geritten -, musste er hören, wie Alba ihn gegenüber einem Dritten als besonders großen Ketzer bezeichnete. Ein Ketzer war (und ist) ein Abtrünniger der Religion; man könnte auch "Verräter" sagen; und keine Rolle spielt es, um welche Religion es sich handelt; entscheidend ist nur die Intensität der Ausübung der jeweiligen Religion.
Egmond war tief betreten – und wurde von Alba getröstet (und in Sicherheit gewiegt), es sei nur ein Scherz gewesen. Egmonds Argwohn verflog darauf wieder. - Egmonds Freund, Wilhelm von Oranien (1533 – 10.7.1584, ermordet im Auftrag Philipp II.), hatte ihn gewarnt, so naiv den Spaniern zu vertrauen. Oranien floh; Egmond blieb – wurde von Alba kurz nach dessen Ankunft entwaffnet, zum Tode verurteilt und hingerichtet.
In Goethes Drama "Egmont", entstanden zwischen 1775 und 1787, UA 9.1.1789 in Mainz, gibt es eine Szene, kurz vor der Hinrichtung Egmonts, als seine Geliebte Klärchen durch die nächtlichen Straßen eilt und Hilfe sucht und letztlich einen Volksaufstand entfachen will unter seinen vielen Anhängern. Aber alle halten sich bedeckt, Duckmäuser jetzt, gleich, wie begeistert sie sich noch während Egmonts Wirkungszeit verhalten haben. Die Hinrichtung Egmonts (und des Grafen von Hoorn am selben Tag) lösten aber weitgehende Unruhen dann im Volk aus, aus denen das entstand, was heute als 80jähriger Krieg bezeichnet wird, an dessen Ende die Loslösung der Niederlande von der spanischen Fremdherrschaft, aber auch ihre Teilung in einen nördlichen protestantischen und einen südlichen katholischen Teil (Flandern) stand, aus dem 1830 dann Belgien geformt wurde.
Wilhelm von Oranien war, ebenso wie Egmond, militärisch erfolgreich. Aber er war politisch geschickter, weitsichtiger, klüger. Mehrmals wechselte er seine Religion. Manche nennen das Opportunismus, andere Schlauheit. Oranien war der politisch entscheidende Kopf der niederländischen Freiheitsbewegung. Als der zeitweilige, aber bald abgesetzte ehemalige Statthalter der Niederlande, der Kardinal, Minister und Kunstsammler Grenvelle (1517 – 1586), von der Hinrichtung Egmonds erfuhr, fragte er, ob man den Schweigenden, - das war der kennzeichnende Beiname für Wilhelm von Oranien -, auch habe? Als das verneint werden musste, kommentierte er nur: "Man hat also gar nichts!" - So viel Begeisterung der historische Egmond – und nachgezeichnet auch Goethes Egmont allemal – auslösen konnten und immer noch können, - sein politisches Gewicht war höchst gering.
Oranien war es, der 1772 den niederländischen Freiheitskrieg in die Hände nahm; der 1576 die "Genter Pazifikation", den gegen die spanische Herrschaft gerichteten Zusammenschluss aller niederländischen Provinzen anstieß und nach deren Zerfall 1579 die nördliche "Utrechter Union" anführte. Daraufhin wurde er 1580 von Philipp II. geächtet. Wer geächtet war, war "vogelfrei": Jeder durfte ihn verhaften und töten. 1581 erklärten sich die in der "Utrechter Union" verbundenen sieben niederländischen Provinzen für formell unabhängig von Spanien (aber auch vom Heiligen Römischen Reicht deutscher Nation) und wurden zur Republik. Ihr erster Statthalter wurde Wilhelm von Oranien.
Daraufhin setzte Philipp II. ein hohes Kopfgeld auf ihn aus. Im März 1882 erfolgte dann auch ein Attentat auf Oranien, der es aber, im Gegensatz zu seinem Attentäter, überlebte; noch einmal heiratete, noch einen Sohn zeugte, der später ebenfalls noch Statthalter der Niederlande werden sollte, und erst 1884 durch den heimtückischen katholischen Bewunderer Philipp II., Balthasar Gérard (1557 – 1584), der sich in seine Dienste eingeschlichen hatte, erschossen wurde. Gérard überlebte Oranien nur um vier Tage, in denen er grausam gefoltert und schließlich gevierteilt wurde.
Die Farbe "Orange" ist die staatliche Feier- und Festtags-Farbe der Niederlande. Sie leitet sich von "Oranien" ab ... --- Egmont aber wurde von Sebastian Koch leidenschaftlich gesprochen. Sebastian Koch erzählt, wie er sich drei Tage lang eingeschlossen habe, um den Text gegen die Musik und gleichzeitig doch auch mit der Musik Beethovens sprechen zu können; und wie er am Ende beglückt erlebte, wie sich Text und Musik zu einem Ganzen verwoben. Dieses Glück haben die Zuschauer des "Hamburger Theater Festivals" auch erleben dürfen.
Politisch jedoch war und blieb Egmond zeit seines Lebens gläubig-naiv, auch bestechlich durch die Schmeicheleien seines Königs, wenig klug; und nicht zuletzt: Unzuverlässig, wankelmütig. Einerseits setzte er für religiöse Toleranz ein: Es war das Zeitalter der begonnenen Glaubensspaltung. Luther (1483 – 1546) hatte 1517 seine berühmt gewordenen Thesen veröffentlicht, in deren Folge die Religionskriege zwischen Katholiken und Protestanten entbrannten, die einhundert Jahre später im Dreißigjährigen Krieg gipfelten.
Andererseits ging Egmond mehrere Jahre später, nachdem Philipp II. ihn wieder durch auffällige Wohlwollensbezeigungen für die katholische Sache gewonnen hatte, mit äußerster Härte gegen die protestantischen Niederländer vor. Aber es nützte ihm nichts. Als ein Jahr später – 1567 – Herzog Alba (1507 - 1582) als Abgesandter Philipp II. und neuer Statthalter der Niederlande von Egmond feierlich empfangen wurde, - Egmond war Alba noch an die Grenze entgegen geritten -, musste er hören, wie Alba ihn gegenüber einem Dritten als besonders großen Ketzer bezeichnete. Ein Ketzer war (und ist) ein Abtrünniger der Religion; man könnte auch "Verräter" sagen; und keine Rolle spielt es, um welche Religion es sich handelt; entscheidend ist nur die Intensität der Ausübung der jeweiligen Religion.
Egmond war tief betreten – und wurde von Alba getröstet (und in Sicherheit gewiegt), es sei nur ein Scherz gewesen. Egmonds Argwohn verflog darauf wieder. - Egmonds Freund, Wilhelm von Oranien (1533 – 10.7.1584, ermordet im Auftrag Philipp II.), hatte ihn gewarnt, so naiv den Spaniern zu vertrauen. Oranien floh; Egmond blieb – wurde von Alba kurz nach dessen Ankunft entwaffnet, zum Tode verurteilt und hingerichtet.
In Goethes Drama "Egmont", entstanden zwischen 1775 und 1787, UA 9.1.1789 in Mainz, gibt es eine Szene, kurz vor der Hinrichtung Egmonts, als seine Geliebte Klärchen durch die nächtlichen Straßen eilt und Hilfe sucht und letztlich einen Volksaufstand entfachen will unter seinen vielen Anhängern. Aber alle halten sich bedeckt, Duckmäuser jetzt, gleich, wie begeistert sie sich noch während Egmonts Wirkungszeit verhalten haben. Die Hinrichtung Egmonts (und des Grafen von Hoorn am selben Tag) lösten aber weitgehende Unruhen dann im Volk aus, aus denen das entstand, was heute als 80jähriger Krieg bezeichnet wird, an dessen Ende die Loslösung der Niederlande von der spanischen Fremdherrschaft, aber auch ihre Teilung in einen nördlichen protestantischen und einen südlichen katholischen Teil (Flandern) stand, aus dem 1830 dann Belgien geformt wurde.
Wilhelm von Oranien war, ebenso wie Egmond, militärisch erfolgreich. Aber er war politisch geschickter, weitsichtiger, klüger. Mehrmals wechselte er seine Religion. Manche nennen das Opportunismus, andere Schlauheit. Oranien war der politisch entscheidende Kopf der niederländischen Freiheitsbewegung. Als der zeitweilige, aber bald abgesetzte ehemalige Statthalter der Niederlande, der Kardinal, Minister und Kunstsammler Grenvelle (1517 – 1586), von der Hinrichtung Egmonds erfuhr, fragte er, ob man den Schweigenden, - das war der kennzeichnende Beiname für Wilhelm von Oranien -, auch habe? Als das verneint werden musste, kommentierte er nur: "Man hat also gar nichts!" - So viel Begeisterung der historische Egmond – und nachgezeichnet auch Goethes Egmont allemal – auslösen konnten und immer noch können, - sein politisches Gewicht war höchst gering.
Oranien war es, der 1772 den niederländischen Freiheitskrieg in die Hände nahm; der 1576 die "Genter Pazifikation", den gegen die spanische Herrschaft gerichteten Zusammenschluss aller niederländischen Provinzen anstieß und nach deren Zerfall 1579 die nördliche "Utrechter Union" anführte. Daraufhin wurde er 1580 von Philipp II. geächtet. Wer geächtet war, war "vogelfrei": Jeder durfte ihn verhaften und töten. 1581 erklärten sich die in der "Utrechter Union" verbundenen sieben niederländischen Provinzen für formell unabhängig von Spanien (aber auch vom Heiligen Römischen Reicht deutscher Nation) und wurden zur Republik. Ihr erster Statthalter wurde Wilhelm von Oranien.
Daraufhin setzte Philipp II. ein hohes Kopfgeld auf ihn aus. Im März 1882 erfolgte dann auch ein Attentat auf Oranien, der es aber, im Gegensatz zu seinem Attentäter, überlebte; noch einmal heiratete, noch einen Sohn zeugte, der später ebenfalls noch Statthalter der Niederlande werden sollte, und erst 1884 durch den heimtückischen katholischen Bewunderer Philipp II., Balthasar Gérard (1557 – 1584), der sich in seine Dienste eingeschlichen hatte, erschossen wurde. Gérard überlebte Oranien nur um vier Tage, in denen er grausam gefoltert und schließlich gevierteilt wurde.
Die Farbe "Orange" ist die staatliche Feier- und Festtags-Farbe der Niederlande. Sie leitet sich von "Oranien" ab ... --- Egmont aber wurde von Sebastian Koch leidenschaftlich gesprochen. Sebastian Koch erzählt, wie er sich drei Tage lang eingeschlossen habe, um den Text gegen die Musik und gleichzeitig doch auch mit der Musik Beethovens sprechen zu können; und wie er am Ende beglückt erlebte, wie sich Text und Musik zu einem Ganzen verwoben. Dieses Glück haben die Zuschauer des "Hamburger Theater Festivals" auch erleben dürfen.
Foto: Beethoven ©
Info:
vgl. www.perinique.de
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