hwk gastmahl 9246Lesung und Spiel  von Wolfgang Bindrim im "Grünen Baum"

Hanswerner Kruse

Steinau an der Straße - Am Wochenende gab Wolfgang Bindrim alias Dr. Faustus ein Gastmahl mit Lesung und Spiel im „Grünen Baum“ in Steinau/Straße. Beim altdeutschen Essen machte sich der Literaturwissenschaftler mit seinem literarischen Quintet auf eine unterhaltsame Suche nach dem wahren Faust.

Zum Anwärmen, gleichsam als Vorspiel auf dem Theater, stellten Bindrim und der Märchenerzähler John Rogers die „Historia von D. Johan Fausten dem weltbeschreyten Zauberer und Schwarzkünstler“ vor. Den Faust, oder lateinisch formuliert Doctor Faustus, gab es an der Wende zum 16. Jahrhundert wirklich. Lange vor Johann Wolfgang Goethe beschäftigten sich „Das deutsche Volksbuch von Dr. Faust“, Literaten wie der britische Christopher Marlowe und Schauspieler oder landfahrende Puppenspieler mit dem studierten Mann. Der galt als wilder erotischer Watz, der auch einen Pakt mit dem Teufel einging, um noch mehr magische Kräfte zu erwerben.

hwk gastmahl 9168Nach der Ochsenschwanzsuppe, dem ersten Gang des Gastmahls, gab es die größten Hits aus dem Faust-Material Goethes: Bindrim deklamierte als Faust: „...Durchaus studiert, mit heißem Bemühn / Da steh ich nun, ich armer Tor...“ Ingrid Ganß gab den Mephisto, „Ich bin der Geist, der stets verneint / und das mit Recht; denn alles, was entsteht / Ist Wert, dass es zugrunde geht...“ Marion Klingelhöfer verkörperte das in Faust verliebte Gretchen: „Mein Busen drängt / Sich nach ihm hin...“ Vorher hatte Rogers bereits Fausts Monolog von Marlowe im besten Oxford-Englisch gesprochen, mit so eindringlicher Stimme und intensiver Körpersprache, dass man des Englischen nicht mächtig sein musste, um ihn zu verstehen.

Nach Fleischbällchen auf sauren Linsen, dem zweiten Gang, blitzten passend die sauren - also herben - Zauberkünste des Fausts auf. Da er mit den traditionellen Wissenschaften nicht weiterkam, hatte er sich ja nun mit Hilfe des Teufels der schwarzen Magie ergeben. Aus dem Volksbuch erfuhr das Publikum, wie Faust einen Fuder Heu sowie den dazugehörigen Wagen mit Pferden verschluckte. Michael Brand las ebenfalls aus diesem Buch, wie der gelehrte Magier ein Hirschgeweih an den Kopf zauberte. Diese Geschichte verwies wohl auf den dritten Gang des Gastmahls, die geschmorte Hirschkeule mit dicken Nudeln.

Danach bekam das Publikum weitere Episoden aus dem Zauberkasten des Doctor Faustus serviert. Burghard Kling erzählte, wie der Magier die „Schöne Helena“, scheinbar aus Fleisch und Blut, seinen Studenten präsentierte. Die wurden dadurch allesamt liebeskrank, doch in einer weiteren Geschichte trug Faust ihnen locker ein schweres Fass Wein herbei.

Allerdings als düstere Unterströmung zu den verwunschenen, humorvollen oder wollüstigen Deklamationen, zog sich bereits die tragische Affäre von Faust und Gretel durch das literarische Gastmahl. Deren dramatischer Höhepunkt war die von Klingelhöfer und Bindrim gespielte Kerkerszene, in der Gretel zunächst Faust nicht erkennt, der sie doch befreien will: „Heinrich! Mir graut’s vor dir.“ Zum Schluss sprach Rogers, wieder eindringlich auf Englisch, den Schlussmonolog aus Marlowes Faust: „The clock will strike / The devil will come / And Faustus must be damn’d“ (Die Uhr schlägt, der Teufel wird kommen und Faustus ist verdammt).

Besonders interessant wurde der Abend dadurch, dass während des Gastmahls sowohl der populäre als auch der bildungsbürgerliche Faust in bester Eintracht präsentiert wurden.


Fotos:
©Hanswerner Kruse
Wolfgang Bindrim (Mitte) und sein literarisches Quintett
John Rogers in Aktion