b3 17geratB3 Biennale gastiert vom 29. November bis 3. Dezember im FOUR Frankfurt, Teil 3

Roman Herzig

Frankfurt am Main (Weltexpresso) -Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Die B3 ist attraktiv wie nie. Allein für die Leitausstellung "ON DESIRE. Über das Begehren" haben bereits 40 Künstler_innen aus 20 Ländern zugesagt, knapp ein Drittel mit Weltpremieren.   Darüber hinaus werden viele Arbeiten zum ersten Mal in Europa oder in Deutschland gezeigt. Neben linearen und installativen Bewegtbildarbeiten werden in der Ausstellung Brücken zu 360-Grad-Domfilmen und immersiven VR-Projekten geschlagen.

„Die große Zahl der Premieren und die vielen eigens für die B3 produzierten Werke zeigen, wir liegen mit unserem Leitthema „ON DESIRE“ absolut richtig. Angesichts der einschneidenden politischen und ökonomischen Verwerfungen in der Welt fühlen sich viele Künstler_innen aufgerufen, mittels ihrer Kunst klare Positionen zu beziehen. Bewegtbild- bzw. elektronische Kunst sind dafür die zeitgemäßen Ausdrucksmittel, die B3 der richtige Ort“, sagt HfG-Präsident Prof. Bernd Kracke, Künstlerischer Leiter der B3.

Dabei setze sich die B3 übergreifend mit den individuellen und kollektiven Sehnsüchten des Menschen auseinander – philosophisch, künstlerisch, politisch, wirtschaftlich relevant und kontrovers. Das spiegele sich auch in den gezeigten Werken in vielfältigen Ausprägungen wider. Aspekte wie Individualität, Zukunft, Heimat, Freiheit würden künstlerisch und wissenschaftlich ebenso aufgearbeitet wie Liebe, Religion, Sexualität und andere „SehnSüchte“ und Obsessionen.

Neu und einmalig in dieser Form ist die Zusammenarbeit  mit renommierten Sammlern von Bewegtbildkunst. Mit Ingvild Goetz (D), Mario von Kelterborn (D), Carol Weinbaum (CAN),  Manuel de Santaren (USA), Baryn Futa (USA), und Tony Podesta (USA) konnte die B3 wichtige Sammler für eine intensive Mitarbeit gewinnen. Sie zeigen im Rahmen der Ausstellung Werke aus ihren umfangreichen Medienkunst-Kollektionen, darunter Arbeiten von Marina Abramovic (Serbien), Jesper Just (DK), Haroun Farocki (D) und Julian Rosefeldt (D). Ingvild Goetz erhält den B3 BEN Lifetime Achievement Award für ihre Pionierarbeit als wegweisende Sammlerin und engagierte Unterstützerin zeitbasierter Kunst. Auf verschiedenen Panels werden die Sammler_innen über ihre Leidenschaft diskutieren, die zum Sammeln zeitbasierter  Kunst geführt hat.

„Mit dieser neuen Herangehensweise möchten wir klarmachen, dass das bewegte Bild schon seit Dekaden von engagierten Sammlern und Sammlerinnen unterstützt worden ist. Sie haben aber nicht nur gekauft, sondern zugleich Produktionen ermöglicht und immer wieder neue Künstler_innen und ihre Kunst sichtbar gemacht. Sie sind gleichermaßen Zeitzeugen und Entdecker“, erklärt B3-Ausstellungskuratorin Anita Beckers.

Neben bereits angekündigten internationalen Künstler_innen wie Jonas Mekas (USA/LTU), Douglas Gordon (GB), Federico Solmi (USA/IT) und Candice Breitz (USA) versammelt die Leitausstellung weitere wichtige Vertreter_innen aktueller zeitbasierter Kunst wie Johan Grimonprez (BE), Igor Simic (Serbien), Claire Langan (IE), Johannes DeYoung (USA), Larissa Sansour (Palästina), Soren Lind (DK), Skawennati (CAN) und Yang Fudong (CHN). Die deutsche Kunstszene ist mit Clemens von Wedemeyer, Joscha Steffens, Geissler/Sann und Johanna Reich umfangreich präsent.

Die Leitausstellung der B3 findet ihren Platz auf rund 3.000 Quadratmetern Fläche im B3 Festivalzentrum. Das Herz der B3 schlägt in diesem Jahr mitten in der Frankfurter Innenstadt, auf dem Gelände des künftigen Hochhausquartiers FOUR Frankfurt.


Ausgewählte Künstler_innen im Überblick

Johan Grimonprez (BE) –
„Raymond Tallis | on tickling“ (Weltpremiere)
Der von Kritikern gefeierte Johan Grimonprez spielt mit den Grenzen von Praxis und Theorie, Kunst und Kino, Dokumentarfilm und Fiktion. Fundiert in einer Archäologie zeitgenössischer Medien, suchen die Werke die Spannung zwischen der Intimität des Einzelnen und dem „bigger picture“ der Globalisierung. Sie stellen unsere derzeitige Erhabenheit in Frage, gerahmt von einer Angstindustrie, die den politischen und sozialen Diskurs infiziert hat.

Die B3 zeigt seinen aktuellen Kurzfilm „Raymond Tallis | on tickling“ als Weltpremiere. In diesem Kurzfilm argumentiert der Philosoph und Neurologe Raymond Tallis, dass das Bewusstsein kein inneres Konstrukt, sondern eher relational sei. Durch die faszinierende Vorstellung, dass die Menschen körperlich nicht in der Lage sind, sich selbst zu kitzeln, erforscht Tallis die philosophische Vorstellung, dass wir nur durch den Dialog zu uns selbst werden.

Außerdem im B3 Programm zu sehen ist der Film „every day words disappear| Michael Hardt on the Politics of Love” von 2016. Hier fragt der Philosoph Michael Hardt, was es bedeuten würde, ein politisches System auf Liebe aufzubauen anstatt auf Angst. Er schlägt vor, dass wir unsere Instrumente für das politische Miteinander neu definieren sollen, genau wie die Filmfigur in Jean-Luc Godards  „Alphaville“.

Grimonprez‘ Film Shadow World (2016) wird im B3 Festivalkino Cinema Frankfurt gezeigt. Der Film untersucht, wie der internationale Handel mit Waffen – unter Mittäterschaft von Regierungen und Geheimdiensten, Ermittlungs- und Staatsanwaltschaften, Waffenherstellern, Händlern und Agenten – Korruption fördert, Wirtschafts- und Außenpolitik bestimmt und weltweit die Demokratie untergräbt.


Johanna Reich(D) –
RESURFACE
Demokratie durch Digitalisierung: Wie das Internet Geschichtsschreibung verändert. Die Videoinstallation RESURFACE lässt die Porträts von vergessenen Künstlerinnen des 19. und 20. Jahrhunderts wieder auftauchen. Im Lauf der Recherche entstand eine Sammlung von 300 Künstlerinnen, die zu ihrer Zeit erfolgreiche und eigenständige Kunstpositionen vertraten, jedoch in Vergessenheit gerieten. Durch die fortschreitende Digitalisierung tauchen die Künstlerinnen im Internet auf und unterwandern so die Kunstgeschichte, wie sie zumeist von männlichen Zeitgenossen geschrieben wurde.


Joscha Steffens (D) –
Filia Athenae (Weltpremiere)
Joscha Steffens erforscht Kriegsspiele und die Ästhetisierung von Gewalt in virtueller und analoger Form. Seine neue Videoinstallation „Filia Athenae“ widmet sich der weiblichen Seite von E-Sports und dem Ego-Shooter-Game 'Counter Strike’ - das einzige Spiel dieser Art, in dem auch Frauen von Bedeutung sind. „Teen Spirit Island“ ist das Ergebnis aus drei Jahren Forschung zur Elite der Pro Gamers von League of Legends. Joscha Steffens folgte den vitalen jungen Held_innen des weltgrößten Onlinespiels auf ihren Wettbewerben in den Arenen von Europa, Südkorea und den USA.


Igor Simic (Serbien) –
Manus x Machina x Moralia (Weltpremiere)
Igor Simić ist Künstler, Filmemacher und Autor. Er hat an der Columbia University New York in den Fächern Film Studies und Philosophie seinen Abschluss gemacht. Seine Kurzfilme, besonders „The Thinker in the Supermarket“, „Cost-Benefit-Love“ und „Melancholic Drone“, wurden auf internationalen Filmfestivals gezeigt. Igor hat auch zwei mobile Videospiele gestaltet; ein drittes mit Soundtrack ist für dieses Jahr geplant. Die B3 zeigt als Weltpremiere Manus x Machina x Moralia: Spine 2.0, ein smartes bionisches Implantat. "Im Herzen von Silicon Valley bauen wir im Custom Spines Lab die passende Prothese für jeden. Spine 2.0 entwickelt den Homo Sapiens weiter, indem es dich körperlich und geistig auf eine neue Stufe hebt. Du hast kein Rückgrat? Hol dir eins!"


Geissler/Sann (D) –
heart-shaped box (Weltpremiere)
In dem Video „heart-shaped box” geht das Künstlerduo Geissler/Sann unserem vielschichtigen, tief mit unserer Begierde verflochtenem Verhältnis zur Technologie nach. Technologien als Projektionsplattformen unserer Sehnsucht nach dem der Kunst innewohnenden Versprechen von Unendlichkeit, Aufhebung von Schmerz, bedingungsloser Freiheit, unendlicher Sexualität, Auflösung von Körperlichkeit und der Sehnsucht nach Transzendenz.


Larissa Sansour (Palästina) –
In The Future, They Ate From the Finest Porcelain
Die interdisziplinären Arbeiten von Larissa Sansour drehen sich um den aktuellen politischen Diskurs und nutzen die Möglichkeiten von Video, Fotografie, Installation und Skulptur. Den Kern ihres Schaffens bildet das Tauziehen zwischen Fiktion und Realität. Der Film erzählt die Geschichte einer Intervention in die zukünftige Wahrnehmung der politischen Geschichte eines Territoriums. Eine selbsternannte „narrative Widerstandsgruppe“ vergräbt feinstes Porzellan, welches von einer komplett erfundenen Zivilisation stammt. Ziel der Gruppe ist die Beeinflussung von Geschichte und das zukünftige Geltendmachen von Ansprüchen auf ihre verschwindenden Gebiete. Ist das Geschirr erst wieder ausgegraben, wird es die Existenz des fiktiven Volkes beweisen. Durch die Kreation eines eigenständigen Mythos‘ wird die Arbeit der Gruppe zu einer historischen Intervention, die de facto eine Nation erschafft. In Form eines fiktionalen Video-Essays werden Realbilder mit computergenerierten kombiniert, archäologische und politische Aspekte mit Science-Fiction verwoben.


Claire Langan (IE) –
The Winter of 13 Storms
Der Film konzentriert sich auf den Zusammenbruch der Kommunikation zwischen zwei Personen in einer verlassenen leeren Welt. Diese fremde, aber vertraute Welt ist allen menschlichen Lebens beraubt, abgesehen von einem Mann und einer Frau. Sie bewohnen gegensätzliche Umgebungen, ihre Versuche, zueinander zu kommen, scheitern immer wieder. Beide scheinen durch ihre eigenen Umgebungen verschlungen zu werden, die wiederum von der Natur aufgesaugt werden. Zwischen dem Traum, der Wirklichkeit und Science-Fiction liefert der Film eine pointierte Erzählung einer verschwundenen Welt.


Johannes DeYoung (USA) –
Raft (Weltpremiere)
„Raft“ ist ein 4-minütiges animiertes Video und handelt von einem mit Flüchtlingen überfüllte Schlauchboot in turbulenter See. Der Betrachter dreht sich wild um das Floß, animierte handgemalte Texturen blinken über das Meer und den Himmel. Die Arbeit ist als  Endlosschleife konzipiert und wird durch einen rhythmischen Percussion-Soundtrack begleitet. Der Titel der Arbeit ist eine Hommage an den französischen Maler Théodore Géricault und sein Bild „Das Floß der Medusa“. Johannes DeYoung ist u.a. als Senior Critic und Direktor des Centre for Collaborative Arts and Media an der Yale School of Art tätig. Seine Video-Serien Ego Loser und Diamond Head z.B. erforschen "die Grenzen des Selbst in der Zeit. Aktuell arbeitet er mit einer Gruppe von Künstlern an AR- und VR-Projekten.


Skawennati (CAN) –
LOVE (Machinima)
Skawennati ist eine Schlüsselfigur in der zeitgenössischen kanadischen Kunst. Sie schafft Werke, die Geschichte, Zukunft und Veränderung ansprechen. Durch Projekte wie CyberPow-Wow (1997-2004), Imagining Indians im 25. Jahrhundert (2001) und TimeTraveller (2008-2013) bietet sie eine Neuinterpretation zur Geschichte und Identität der indigenen Völker Kanadas. Zur B3 stellt sie ihr jüngstes Werk LOVE vor.

Foto: © b3