Auch Constitutio Antoniniana aus der Universitätsbibliothek Gießen ins Weltregister aufgenommen
Hubertus von Bramnitz
Wiesbaden (Weltexresso) - Der Hessische Wissenschaftsminister Boris Rhein teilt mit, dass die UNESCO am Montag die Verfahrensunterlagen und Tonbandaufnahmen des 1. Frankfurter Auschwitz-Prozesses als UNESCO-Weltdokumentenerbe ausgezeichnet hat. Auch das aus Deutschland nominierte Papyrusdokument Constitutio Antoniniana ist jetzt UNESCO-Weltdokumentenerbe.
Wissenschaftsminister Boris Rhein: „Ich freue mich sehr über die Aufnahme in das ,Memory of the World‘-Register. Die Anerkennung als UNESCO-Weltdokumentenerbe unterstreicht die einzigartige historische und gesellschaftliche Bedeutung der Unterlagen zum 1. Frankfurter Auschwitz-Prozess für die Nachkriegsgeschichte und Erinnerungskultur Deutschlands. Erstmalig ist es somit einem deutschen Landesarchiv gelungen, dass eine komplexe und vielfältige Überlieferung aus der Nachkriegszeit in das Memory of the World-Register eingetragen wird. Darauf können wir in Hessen stolz sein.“
Der 1. Frankfurter Auschwitz-Prozess begann am 20. Dezember 1963 im Frankfurter Römer. Er war das bis zu diesem Zeitpunkt größte Strafverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und stellte eine Zäsur in der juristischen Aufarbeitung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen dar. Insgesamt 22 Personen wurden aufgrund der Verbrechen im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz angeklagt, in dem die Nationalsozialisten zwischen 1940 und 1945 über eine Million Menschen ermordeten.
Die Prozessunterlagen zum 1. Frankfurter Auschwitz-Prozess umfassen 456 Aktenbände und werden im Hessischen Hauptstaatsarchiv aufbewahrt. Sie spiegeln den gesamten Verfahrensgang wider. Eine Besonderheit sind die 103 Tonbänder mit Mitschnitten der Aussagen von 319 Zeugen aus der Hauptverhandlung. Die Tonbänder sind als Quelle von einmaligem dokumentarischem Wert, da die Opfer des Holocaust aus vielen Staaten Europas und aus Übersee 20 Jahre nach Kriegsende zum ersten Mal wieder ihren Peinigern begegneten und die Zeugenaussagen die Öffentlichkeit schonungslos mit dem Grauen in Auschwitz konfrontierten.
Wissenschaftsminister Boris Rhein: „Die Unterlagen zum 1. Frankfurter Auschwitz-Prozess leisten bis heute einen unschätzbaren Beitrag zu unserer Erinnerungskultur und dem Umgang mit den Verbrechen der Nationalsozialisten. Diese authentischen und erschütternden Zeugnisse über ein in der Menschheitsgeschichte einmaliges, ungeheuerliches Verbrechen, das nicht in Vergessenheit geraten darf, sind von größter kulturhistorischer Relevanz. Es ist mir daher eine besondere Ehre, eine Ausstellung des Hessischen Landesarchivs zur justiziellen Aufarbeitung der NS-Gewaltverbrechen in Deutschland, basierend auf den Dokumenten zum 1. Frankfurter Auschwitz-Prozess, am 2. November an der Universität Haifa eröffnen zu dürfen.“
Bereits im Vorfeld der Sitzung des International Advisory Committees hat das Hessische Landesarchiv über die Website www.auschwitz-trial-frankfurt.hessen.de in den Übersetzungen Englisch, Französisch und Spanisch für einen vorbildlichen weltweiten Zugang zu den digitalisierten Verfahrensakten und als Stream hörbaren Tonbändern des 1. Frankfurter Auschwitz-Prozesses gesorgt.
Außerdem darf sich Hessen auch über eine Aufnahme aus Gießen ins sogenannte „Gedächtnis der Welt“ freuen: Wie die UNESCO-Kommission mitteilte, wurde das Papyrusdokument der „Constitutio Antoniniana“, das in der Uni-Bibliothek in Gießen aufbewahrt wird, ebenfalls in das UNESCO-Weltdokumentenerbe aufgenommen.
Wissenschaftsminister Boris Rhein: „Es ist das einzige erhaltene Exemplar des Dokuments, mit dem Kaiser Marcus Aurelius Severus Antoninus Schätzungen zufolge zwischen 212 bis 213 nach Christus sämtlichen freien Bewohnern des Römischen Reichs das Bürgerrecht verlieh. Das Resultat: Erstmals wurde ein einheitlicher Bürgerstatus für Millionen von Menschen unterschiedlicher Kulturen auf drei Kontinenten geschaffen.“
Dabei wurden bestehende Bürgerrechte und lokale Rechtstraditionen nicht abgeschafft, sondern weiterhin garantiert. Auch gewachsene juristische und administrative Strukturen wurden nicht zerschlagen, sondern in das römische Imperium integriert. Ein Großteil der öffentlichen Aufgaben stand somit in lokaler oder regionaler Verantwortung. Vor über 1800 Jahren gab es also bereits Vorläufer des heutigen Subsidiaritätsprinzips im föderalen Deutschland oder der Europäischen Union.
Das UNESCO-Weltregister „Memory of the World“ umfasste als weltweites digitales Netzwerk bisher 348 Zeugnisse aus aller Welt, darunter auch 22 aus Deutschland. Einige davon haben Hessenbezug, unter anderem der Film „Metropolis“ und die Grimmschen „Handexemplare der Kinder- und Hausmärchen“. Ziel des Programms ist, dokumentarische Zeugnisse von außergewöhnlichem Wert in Archiven, Bibliotheken und Museen zu sichern und den Menschen zugänglich zu machen.
Kommentar: Da kann man den Hessen nur gratulieren. Allerdings sollte man den heute so gefeierten Auschwitzprozeß auf den Mann zurückführen, der ihn überhaupt erst möglich gemacht hatte: den Hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (SPD). Denn dieser hat ja gegen den Widerstand der Frankfurter und hessischen CDU sehr mühsam die Anklage durchsetzen müssen und persönliche Verunglimpfungen als Dank erhalten. Wir erwarten von Minister Rhein, daß er auf diese Zusammenhänge deutlich eingeht.
Foto:
Wissenschaftsminister Boris Rhein sieht sich mit Dr. Volker Eichler, Leiter des Hessischen Hauptstaatsarchiv, eine der Akten zum 1. Frankfurter Auschwitz-Prozess an. © wissenschaft.hessen.de
Akten © wissenschaft.hessen.de
Fritz Bauer © Fritz Bauer Institut
Akten des 1. Auschwitz-Prozesses gehören zum UNESCO-Weltdokumentenerbe
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- Kategorie: Kulturbetrieb