wm alter WintergartenSerie: STAUNEN - Iim Wintergarten Berlins:  EIN ZIRKUS UND STARS, Teil 1/3

Wolfgang Wartenberg

Weltexpresso (Berlin) -  Eigentlich heißt der Titel: "Staunen / Circus of Stars", das klingt weitgefaßter, aber vielleicht auch etwas beliebig. Internationaler, vielleicht. - Das "Staunen" klingt dagegen poetisch, - und das ist auch berechtigt: Die Poesie und das Staunen, denn was die Artisten und Künstler (was kein Gegensatz sein soll, sondern eher eine Ergänzung) in zwei Stunden vorführen und zeigen, ist beachtlich.  
Vor dem Abend sah ich den kurzen Werbefilm davon auf der Webseite des Wintergartens. Danach war ich unschlüssig, ob es sich überhaupt lohnen würde! Der Film wirkt neblig, verschwommen; und die Ausschnitte, die er zeigt, machen überhaupt keinen besonderen Eindruck, sondern allenfalls den von Allerwelts-Beliebigkeit. - Sonderbare Diskrepanz zwischen beabsichtigter Werbung, aber eher Anti-Werbung - und der Wirklichkeit auf der Bühne! - Stellt also bessere Werbespots ins Internet! (- Zum Beispiel von uns gemachte!)

Der Wintergarten selbst liegt in der Potsdamer Straße 96, knapp schon in Tiergarten; denn Schöneberg endet an der Kurfürstenstraße (wie ich gerade nachgesehen habe), und das ist auch die nächstgelegene U-Bahn-Station. - Die Hausnummer 96 kann man sich leicht merken, wenn man nachliest, dass dieses Gebäude 1896 errichtet wurde. - 1913 wurde in dieses Haus ein Kino eingebaut, das man "Biophon" nannte und das später den Namen "B.T.L.-Lichtspiele" erhielt. Im 2. Weltkrieg wurde das Haus nicht oder kaum in Mitleidenschaft gezogen, so dass der Kino-Betrieb 1946 wieder einsetzen konnte.

Mitte der 1950er Jahre wurde der Zuschauerraum deutlich vergrößert, fasste nun 800 Zuschauer. - Und etwas von diesem räumlichen Eindruck hat sich der Wintergarten bis heute bewahrt. -- Zwischen 1962 und 1970 wurde das Gebäude – sonderbar! - von der Berliner FDP als deren Verwaltungssitz genutzt. -- 1970 dann hatte der Fotograf Klaus Achterberg die Idee, die Räumlichkeiten als Live-Musik-Ort für Rock- und Popkonzerte zu nutzen, gab die wm Quartier LatinLeitung aber zwei Jahre später ab. -- Zwischen 1972 und 1990 hieß dieser Veranstaltungsort "Quartier Latin". In einem alten "BERLIN von 7 bis 7", Ausgabe '84/'85, lese ich: "Ehemals welkte hier eine Kneipe namens 'Veilchen am Potsdamer Platz' still, doch stetig dahin. Dann gingen die großen Räume in jüngere Hände über, die eine Art Wohn- und Aufenthaltsraum kurioser Art zusammenbauten, ein bißchen irre dekorierten und Raum für Musik schufen. So wurde es erst Treffpunkt und preiswerte Eßquelle für viele Studenten und andere sympathische junge Leute, dann aber vor allem Jazzforum."

wm startbild vortrag quartier latinAls solches wurde das "Quartier Latin" weit über Berlin hinaus, sogar interantional, bekannt. Der Erfolg war offenbar so groß, dass der Berliner Senat 1981 in die Renovierung der Räumlichkeiten 500.000 DM steckte. Aber im Frühjahr 1989 war der Betrieb, in dem immerhin Größen wie Klaus Hoffmann (*1951), Udo Lindenberg (*1946), Nina Hagen (*1955), Herbert Grönemeyer (*1956) und die "Einstürzenden Neubauten" (1980 gegründet) aufgetreten waren, aufgrund einer satten Mieterhöhung nicht mehr zu halten. Nun übernahmen Holger Klotzbach (*1946; von den 3 Tornados), Lutz Deisinger (*1958) und Wolfgang Niedecken (*1951; von BAP) 'den Laden', wie der Veranstaltungsort auch genannt wurde, verkürzten seinen Namen auf "Quartier" und erweiterten das Programm, - schon ein Übergang? -, durch Variété, Kabarett und Theater, konnten den Spielbetrieb aber nicht aufrecht erhalten. In diese Zeit fiel, - wir dürfen das nicht vergessen -, der Mauerfall (November 1989) und die Wiedervereinigung (Juli bis Oktober 1990). 

41 Maly Delschaftwm Grethe Weiser 1932Dann passierte zwei Jahre gar nichts mehr, der Ort gammelte sozusagen vor sich hin und wurde erst 1992 – nun als "Wintergarten" - wiedereröffnet. Peter Schwenkow (*1954), André Heller (*1947) und Bernhard Paul (*1947 ; vom Zirkus "Roncalli") wurden die neuen Mieter des Ortes, der am 25.9.1992 mit "Siegfried & Roy" festlich eröffnet wurde. Der neue Spielbetrieb knüpfte – nicht zuletzt durch seinen Namen – an die Tradition des legendären Vorkriegs-Wintergarten an. Daher ein Blick auf seine Geschichte: Sie reicht bis ins Jahr 1877 zurück, als der Eigentümer des Lokals "Am Stadtpark", unweit vom neuen "Central Bahnhof", dem späteren Bahnhof Friedrichstraße, Grundstücke rund um diesen neuen "Central Bahnhof" aufkaufte und darauf sein "Central Hotel" errichtete.

Dieses Hotel der neuen Reichsthauptstadt sollte mit den großen Hotels der Welt konkurrieren können, mit New York, London, Paris, was auch gelang. Das Hotel wurde bekrönt durch einen gewaltigen Palmengarten, einen Wintergarten mit einer Länge von 75 m und einer Breite von 23 m, somit einer Fläche von ca. 1.700 qm. Der Raum war bis 18 m hoch. Er sollte nicht nur als Palmengarten dienen, sondern schon früh war daran gedacht worden, in ihm Theateraufführungen und Konzerte stattfinden zu lassen. Zehn Jahre lang bestand so der Wintergarten, der wohl noch 'Palmengarten' hieß; erst 1887 wurde der Raum durch den Schauspieler Franz Dorn (eigentlich Grüger) und den Ungarn Julius Baron nach einigen Umbauten als Variété neu eröffnet. 

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