Bildschirmfoto 2019 04 03 um 22.30.57Contemporary Muslim Fashions. Ausstellung vom 5. April bis 1. September 2019 im Frankfurter Museum Angewandter Kunst, Teil 3

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Meine Kritik an der Ausstellung setzt allerdings an etwas anderem an. Wo bleibt die Folklore der einzelnen arabischen Staaten, wobei natürlich auch der Iran und die Türkei und ebenfalls die asiatischen Staaten gesondert benannt werden müßten, wenn man von Islam und Muslimas spricht. Wo bleiben die wunderschönen Stoffe aus dem Iran, die Webereien, die ich aus dem Yemen kenne, die bunten, die glitzernden, ja, die oft kitschig knallrosa Tüll- und Satinstoffe, die meist zu weit ausgeschnittenen Abendkleidern verarbeitet werden, aber eben typisch arabisch sind.

Bildschirmfoto 2019 04 03 um 22.28.54Denn in Schwarz gekleidet sind die Frauen im Islam nur oben drüber, eben wenn sie hinausgehen in die Öffentlichkeit, kommen sie aber in das Haus, wo Feierlichkeiten stattfinden, legen sie umgehend und mit Schwung ihre schwarzen Umhänge und Schleier ab - das tun sie natürlich nur bei reinen Frauenfeiern, von denen es ständig welche gibt, oder – unterschiedlich – auch zu Hause, dann sieht man stark geschminkte und zurechtgemachte attraktive Frauen in besagten tief ausgeschnittenen Abendkleidern in Rot, Violett, Blau, am liebsten Rosa, möglichst mit viel Pailletten, bunt, bunt, bunt, die nichts zu tun haben, mit den eleganten dezenten Modeschöpfungen, die im Museum für Angewandte Kunst als Übernahme der Ausstellung von San Francisco nun als neueste islamische Mode zu sehen sind.

Darum bleibt die Frage: Cui bono? Es bleibt unerfindlich, für wen diese Ausstellung eigentlich gedacht ist. Für diejenigen Muslima, die sich das nicht leisten können und nun Druck auf die Massenmodeindustrie machen, so daß diese Modelle auf Billig überall zu haben sind? Kann sein.

Was ich in diesem Kontext in einem deutschen Museum gerne gesehen hätte oder noch sehen möchte, sind zwei Varianten ein und derselben Sache, nämlich weiblicher Kleidungsstücke im Islam. Das eine wäre eine informative Ausstellung, die sinnlich zeigt und dadurch klärt, worin die Unterschiede der Kopfverhüllungen auf Libanesisch, im Irak, bei den Saudis, den Türkinnen, Pakistani etc. bestehen. Das interessiert mich schon lange, aber unterscheiden kann ich das erst, wenn ich die Formen auf den Köpfen beieinander sehe und auch Gründe für die unterschiedliche Handhabe erkenne – und eben auch, warum die Generationen von Frauen beispielsweise in Afghanistan oder auch dem Iran kein Kopftuch getragen hatten und die Wiederkehr der Islamisten hie und dort, die Verhüllungen erneut zur Pflicht machte, was in Europa lebende Familien mit islamischem Hintergrund an ihren Töchtern erleben, wo einzelne junge Mädchen gegen die längst säkularisierten Eltern das Kopftuch als pubertären Widerstand aufsetzen.

Der andere Einwand ist grundsätzlicher und das eigentliche Anliegen. Wie toll wäre es gewesen, das Museum Angewandter Kunst hätte eine andere Ausstellung erarbeitet: eine kulturhistorische, eine kulturkritische Schau zur Verhüllung des weiblichen Körpers in der Geschichte bis heute. Das müßte mit archaischen Gesellschaften beginnen, wo sowohl Körperverhüllung wie Kopfbedeckung aus rein pragmatischen Gründen, nämlich als Sonnenschutz genutzt wurden, wie noch heute in den Wüstengegenden und wie noch unsere Großgroßgroßelten bei Feldarbeiten. Das würde das freie Haupt der Griechinnen und Römerinnen ebenfalls berühren, wo nämlich die Mode im Fünfjahresschritt den Frisuren galt, so daß man – nein, nicht man, aber die klassischen Archäologen - bis heute auf einen Blick sagen kann, aus welchem Zeitraum diese Frisur stammt. Das würde auf das Mittelalter Bezug nehmen, wo die doch so frommen Menschlein als Männer und Frauen gemeinsam im Bad weilten, die Frauen eher nicht im Burkini. Das würde auch den Brauch in der Frührenaissance zum Thema haben, daß ein so wunderbarer Porträtmaler wie Holbein d.J., als er einen wichtigen Patron abbildete, dessen Tochter mit offenem Haar malte, aber bei der Fertigstellung des Bildes besagte Tochter verheiratet war, weshalb er ihr Haar unter eine Haube stecken mußte, wie der Brauch war.

Ja, eigentlich wollen wir wissen, warum es immer wieder die Haare sind, die bei Verhüllungen als erste dran glauben müssen. Das wäre doch was: die Kopftücher quer durch alle Religionen. Ach, was gibt es da Interessantes als Gemeinsamkeit, als Unterschied. Nicht die Moden der Verhüllung interessieren uns so recht, sondern warum das alles geschieht. Denn daß sich die westlichen Modeimperien an Verhüllungsgebote ranhängen und dem islamischen Markt das bieten, was er angeblich braucht und was sie für gut und teuer verkäuflich ist, das finden wir so kapitalistisch wie wir es als nicht ausstellungswürdig empfinden.

Damit haben wir nicht den Intentionen des Museums entsprochen, das sich ja sogar als Vorreiter einer Avantgarde von jungen Muslima versteht. Wir geben deshalb im nächsten Artikel die Sicht des Museums weiter.

FORTSETZUNG FOLGT

Fotos:
Ausstellung
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Pressekonferenz
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Info:
Eröffnung: Donnerstag, 4. April 2019, 19 Uhr

Contemporary Muslim Fashions wird von den Fine Arts Museums of San Francisco in Zusammenarbeit mit dem Museum Angewandte Kunst, Frankfurt am Main, organisiert. Kuratiert wurde sie von Jill D’Alessandro, Kuratorin für Kostüme und Textilkunst, und Laura L. Camerlengo, stellvertretende Kuratorin für Kostüme und Textilkunst an den Fine Arts Museums of San Francisco. Sie wurden beraten von Reina Lewis, Professorin für Cultural Studies am London College of Fashion, University of the Arts, London. In Frankfurt wird die Ausstellung von Dr. Mahret Ifeoma Kupka und Prof. Matthias Wagner K koordiniert.

Förderer sind: Ernst Max von Grunelius-Stitung, Metzler, Bonaveri,
Hotelpartner: Fleming‘s
https://www.museumangewandtekunst.de/de/presse/contemporary-muslim-fashions/


Bisherige Artikel
https://weltexpresso.de/index.php/kulturbetrieb/15645-wenn-man-aus-der-not-eine-mode-macht

https://weltexpresso.de/index.php/kulturbetrieb/15727-contemporary-muslim-fashions