k PILOBOLUS Shadowland das Original Foto Emmanuel DonnyShadowland. Das Original kehrt zurück. Tour 2019 in der Alten Oper, Teil 1/2

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Hier spricht eine, die noch keine Vorstellung des 10 Jahre alten Originals der Truppe gesehen hatte und sich mit Absicht nicht vorher informierten wollte, denn Veranstaltungen auf Bühnen müssen auf jeden wirken, ob man im vorhinein weiß, was dort passiert oder es im Vorgang für sich erst entdeckt.

Doch, am Schluß hatte ich die Geschichte begriffen, die vom Hundemädchen handelt, das durch fehlende Programmhefte keine Namen erhält, wohl weil alles als Teamarbeit gelten soll. Gut so, war auch so. Aber es bleibt die Geschichte eines jungen Mädchen, das in irgendwie antiquiert wirkenden Spielszenen auf offener Bühne erst in eine weiße, weite, nicht mal knielange Hose und ein nur halb zugeknöpftes Blüschen gesteckt wird. Von Männern. Früher waren diese Stücke Unterkleider, die aber im Verlauf der Siebziger Jahre als Tageskleidung getragen wurde. Nein, das soll wohl kein Verweis auf damals sein, sondern wohl eher das Überzeitliche zum Thema machen.

k PILOBOLUS Shadowland das Original Foto Emmanuel DonnyWährend wir noch ratlos sind, kommt schon das Schattenspiel ins Spiel, genau! Dazu wird eine mittelgroße Leinwand an die Bühnenrampe gerollt und dahinter tuen sich die lustigen Formen auf. Eine Geschichte wird auch dazu erzählt. Es geht immer um das Mädchen, das von einem langen Finger einen Hundekopf gezaubert bekommt. Ganz spät können wir mal rasch von rechts den Blick auf die virtuose Tänzerin erhaschen und sehen, wie sie das hinbekommt: hinter der Leinwand ohne weitere Requisiten das Hundemädchen hals Schatten zu imaginieren. Ganz einfach: den Ellenbogen, bzw. die Beuge vor das Gesicht halten und mit dem Finger die Ohren andeuten. Gekonnt! Und schauen Sie sich das obere Bild einmal genau an, dann erkennen Sie den gewinkelten Arm und die Finger genau. Aber auf die Idee muß man erst einmal kommen!

Und als wir bei uns denken, naja, jetzt müßte aber was passieren, passiert es auch! Die kleinere Leinwand wird nach hinten gerollt und eine große, fast die gesamte Bühne ausfüllende Leinwand wird runtergefahren , die nun für eine gute Stunde das Schattenland optisch zum Genuß macht. Wir begreifen, daß es ein Spiel im Spiel ist, nämlich jetzt das junge Mädchen als Träumende als Hundemädchen selbst ins Schattenland gekommen ist. Einerseits ist sie zwischendurch eine lebendige Person auf der Bühne, andererseits ist sie hinter der Leinwand unterwegs mit den Schattenfiguren, die ihr entweder gut oder übel gesinnt sind. Und da bleibt dieser überdimensionierte Finger, der immer wieder ihr im Haar herumwuschelt und den Hundekopf zurückläßt. Phantasievoll gemacht. Alles mögliche Getier bevölkert die Bühne hinter der Leinwand.

Bei manchen Gestalten kann man sich einfach nicht vorstellen, daß sie alleine durch Körperkunst, durch Verdrehung von Kopf und Gliedern zu Tierwesen werden. Aber beim Kentauren schon. Eine tolle Idee, die antike mythische Gestalt der Kentauren als Mischwesen von Mensch und Pferd, hier zur Schattenfigur werden zu lassen! Dazu muß nur der eine sich ab der Taille herunterbeugen und die Taille des vor ihm Stehenden eng umfassen und schon wird ein Kentaure draus. Die waren in der griechischen Mythologie die ganz Schlimmen, die Sexsüchtigen, die die Frauen raubten. Aber hier schlägt das Herz des jungen Hundemädchens ganz eindeutig für diese Gestalt, was aber nicht allen gefällt, weshalb das Hundemädchen sich vieler Attacken erwehren muß.

Zwischen drinnen sind wir mental immer damit beschäftigt – der Geist schweift schnell ab, denn die Geschichte ist nicht so mitreißend, die Schattenbilder sind es auf jeden Fall, die sind so ästhetisch wie geheimnisvoll und poetisch dazu, was die Musik unterstreicht– uns zu fragen, wie man mit dem eigenen Körper solche Gestalten, aber auch Gegenstände hinbekommt. Das ganze kleine Getier, was da am Boden zappelt und agiert, ganz kleine Krebse und was nicht alles, die werden von der Seite mit einem Stock am Boden hin- und hergeschoben. Wir haben es genau gesehen.

Zwischendurch sind dann wieder Auflockerungen vor der Leinwand, bzw. wird diese wieder nach oben gezogen. Der Traum ist unterbrochen. Dann sehen wir auch genau die neun Tänzer, fünf Männer, vier Frauen, die hinter der Leinwand zu mehr werden können. Doch, uns gefällt das, daß in einer Zeit, wo digital inzwischen alles möglich wird, hier noch echt gearbeitet wird, echt mit den Körpern, eine Körpersprache erfunden wird, die einen rührt, die man auch als Körperkunst bewundert. Insbesondere das junge Mädchen, das eigentlich keine ganz junge Frau ist, schafft kaum Glaubliches, wenn sie mit Anlauf – wie sonst nur die Löwen im Zirkus – durch drei Reifen springt. Nun gut, brennend sind sie nicht. Sie liegt, den Kopf vorneweg, für Sekunden waagrecht in der Luft, was gut geht, weil der, der sie auffängt, sie gleichzeitig blitzschnell aus der Horizontalen in die Vertikale zieht.

Und dann der amüsante Abschied nach großem Beifall. Vielleicht das Witzigste. Sie formen vor der Leinwand ihre Körper zum eindeutig zu lesenden Wort: FRANKFURT. Und hinter der Leinwand erkennt man den Römer mit historischen Bauten, ja sogar die Justitia – nein, das müssen Requisiten sein, macht ja nichts, ist eine nette Geste, wenn aus Manhattan Mainhattan wird. Und da denken wir bei uns, eigentlich brauchen wir gar nicht so eine Geschichte, die man mühsam verfolgt. Wir sind von jedem phantasievollen Schattenbild schon ohne alles hingerissen , erzählen uns unsere eigenen Geschichten und stellen uns sofort einen Zoo vor....

Man könnte noch viel über die zehnjährige Geschichte berichten. Ein andermal tun wir das auch.

Fotos:
Das Hundemädchen
© Emmanuel-Donny

Der Elefant
© Emmanuel-Donny

Info:
Jetzt aber flugs die Termine, denn nach den Vorstellungen in Berlin und München, gibt‘s SHADOWLAND noch bis Sonntag in der Alten Oper und zwar am Samstag und am Sonntag in je 2 Vorstellungen um 14.30 und um 19.30 Uhr.