wm Willy Brandt Guillaume"DEMOKRATIE" im Ernst-Deutsch-Theater, Hamburg, Teil 1/3

Wolfgang Mielke

Hamburg.(Weltexpresso) - Der Titel dieses Stückes von Michael Frayn (*1933) verdankt sich dem berühmten, bisweilen auch berüchtigten Satz #"Wir wollen mehr Demokratie wagen"# - aus der Regierungserklärung von Willy Brandt (1913 - 1992), der von Herbst 1969 bis Mai 1974 vierter Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland war. Der Satz suggeriert, es habe bis Ende 1969 nur wenig Demokratie, worunter vermutlich hauptsächlich 'Mitbestimmung' zu verstehen ist, gegeben. Das ist nicht ganz falsch.

Berüchtigt wurde dieser Satz zeitweilig dann, als es während seiner Regierungszeit – und für seine Gegner selbstverständlich #durch# seine Regierungszeit - zu Auswüchsen kam, die jahrelang nicht beherrschbar waren, namentlich dem Terrorismus der RAF, der erst durch den 'deutschen Herbst' 1977 wieder in den Hintergrund trat; aber auch dem Leben auf Pump. Die Minus-Bilanz, die damals begann, hat sich so leicht nicht beheben lassen: sie dauert in fast nicht mehr nennbaren Summen bis heute fort – und bekümmert niemand sehr ernsthaft.

Christopher Frayns bekanntestes und meist gespieltes Stück ist "Noises Off", deutsch: "Der nackte Wahnsinn", von 1982, das allerdings, - ebenso wie das 1972 von Neil Simon (1927 – 2018) herausgebrachte Stück "The Sunshine Boys" (deutsch: "(Die) Sunny Boys") -, längst nicht der Erfolg garantierende Selbstgänger ist, den man erwartet, sondern durchaus seine Tücken besitzt. (Die Tücke bei "Sunny Boys" besteht im Sketch, dessen Vorstellung im Kopf jedes Zuschauers sagenhaft komisch und gekonnt ist, - gezeigt auf der Bühne aber immer, wenn ich ihn sah, schrill und grob war. - "Der nackte Wahnsinn" indes sah ich nur einmal in einer unvergesslich guten Aufführung, im Hamburger Thalia Theater, Premiere am 6.4.1984, inszeniert von Michael Günther (*1935), damals unter dem Titel "Der reinste Wahnsinn", mit einem sehr gut aufeinander eingespielten Ensemble, zu dem die junge Esther Hausmann (*1959), damals neu, zählte. 

Die Aufführung im Ernst-Deutsch-Theater vom 24.11.2011, inszeniert und Bühnenbild von Fred Berndt (*1944), erreichte diese Intensität nicht; dafür war schon die Bühne zu groß bebaut, zu hell ausgeleuchtet, zu naturalistisch; alles zu weitläufig, um intensiv sein zu können; so fehlte vieles, was Leben und Aufregung hinter der Bühne vor dem Auftritt und die Spannung zu einem fiktiven Auditorium jenseits der Kulisse dem echten Theater-Publikum deutlich zu machen; auch die immerwährenden Verwicklungen und Fehlgriffe auf der engen und ziemlich dunklen Hinterbühne verliefen sich zu stark.

Glücklich war Fred Berndt indessen mit der Inszenierung von Frayns Stück "Kopenhagen" (von 1998), 2001/2002 im Ernst-Deutsch-Theater, ein Stück, in dem die deutschen Bemühungen um Uran und Kernspaltung und die Atombombe, die dann möglicherweise noch im "Manhattan"-Projekt der USA aufgingen, verhandelt werden. Den Niels Bohr (1885 – 1962) spielte Peter Striebeck (*1938) raumgreifend und ausschreitend fast wie eine barocke Gestalt; auffällig gut damals auch Maria Hartmann (*1958) in der einzigen Frauenrolle dieses Dreipersonenstücks.

Nun also "Demokratie" als drittes Stück Michael Frayns hier im Ernst-Deutsch-Theater. Autorenpflege ist auch eine Aufgabe des Theaters. Und der Autor war auch selbst Gast der Premiere, verbeugte sich zusammen mit Darstellern und Regie – und wirkt mit seinen bald 86 Jahren noch so rüstig, dass man nicht ausschließen kann, dass noch weitere Stücke von ihm erscheinen werden...

Das Stück "Demokratie" ist eine freie Behandlung der Zeit von Ende 1969 bis Anfang 1974. Das Figurenpersonal orientiert sich an dem damaligen politischen Personal, und darin liegt auch die Gefahr oder das Problem jeder Aufführung dieses Stückes: Man kennt die politischen Akteure noch gut. Insofern bedeutet der erste Teil der Aufführung zunächst einen tiefen Sturz: Denn kaum einer der aufgebotenen Schauspieler hat das Format und kann das Format haben, die gemeinten historischen Personen als entsprechende Potenz deutlich zu machen. Oder anders gesagt: Wären die jetzt hier spielenden Schauspieler damals Mitglieder des Bundestages gewesen, sie wären über Hinterbänkler nicht hinausgekommen.

Das ist ganz unvermeidbar – und wird noch betont durch das Bühnenbild: Eva Humburg (*um 1969), - schon mehrfach als Bühnenbildnerin erfreulich aufgefallen, (so dass sich die Verballhornung ihres Namens von selbst verböte!) -, hat hier den alten Bundestag, wie er zwischen 1949 und 1987 bestand, gut erkennbar nachgebaut. (Allerdings wirken die silber benagelten Verkleidungs-Panele der Bundestags-Einbauten eher braun als schwarz, - vielleicht eine politische Anspielung? -, denn als schwarz hat sie der Fernsehzuschauer in Erinnerung, - weil die Übertragungen des Bundestages lange Jahre und vor allem auch während der hier behandelten Zeit noch in Schwarzweiß zu sehen waren.)

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