Kunstwoche in Kleinsassen, Teil 2
Hanswerner Kruse
Kleinsassen/Rhön (weltexpresso) - Die Kunstwoche in der „Kulturhauptstadt der Rhön“, wie Kleinsassen bei der Eröffnung liebevoll genannt wurde, wird alljährlich gut besucht. Auch diesmal ist das Angebot von abstrakten bis zu figurativen Bildern oder von Alltagskeramik bis zu grazilen Kleinskulpturen, von steinernen, metallischen oder hölzernen Gartenobjekten, Schmuck, Laubsägearbeiten, Bleiverglasung oder gedrechselten Werken äußerst vielfältig. Von haarsträubendem Kitsch über anspruchsvolles Kunsthandwerk bis zu brillanter Malerei gibt es in den Scheunen und Straßenständen viel zu entdecken und wirklich etwas für jeden (!) Geschmack. Überraschend sind beispielsweise Marina Leiskas Scherenschnitte von erstaunlicher Modernität.
Im vierzigsten Jahr der Kunstwoche ist die anregende Atmosphäre noch dichter geworden: Täglich gibt es auf der Livebühne zum Beispiel Blues- und Rockmusik von Andy Sommer oder Chansons und traditionellen Folk von Linda Trillhase. Man kann vielen Kreativen bei der Arbeit zusehen, etwa dem filigranen Airbrush-Sprayer Burkhard Müller - und seine Technik gleich selbst ausprobieren. Unter Anleitung mit künstlerischen Mitteln zu arbeiten, war immer ein Merkmal der Kunstwoche. In diesem Jahr sind die Mitmach-Angebote noch vielfältiger und nehmen Neugierigen die Furcht vor kreativem Schaffen.
Leider haben sich Workshops wie das Papierschöpfen in der Kunststation noch nicht herumgesprochen, obwohl der Weg dahin von „Menschen auf Bäumen“ (so der Titel eines Fotoprojekts auf dem kleinen Pfad neben dem Pfundsmuseum) gewiesen wird.
Lange Jahre war auch die „Kunstwiese“ auf dem einstigen Festplatz ein Geheimtipp. Doch mittlerweile werden hier nicht nur aufregende Gartenobjekte, etwa von den Keitz-Brüdern aus diversen Materialien präsentiert, sondern auch genähte Akte und andere Textilbilder, farbenfrohe Ledertaschen, gefilzte Objekte und jede Menge herausfordernder Gemälde.
Darüberhinaus hat die Atmosphäre im Wiesengrund aber auch einen Hauch von, na sagen wir: Woodstock. Nicht nur weil oft jemand Gitarre spielt oder David Weiss mit seinem Stand direkt vom Herzberg-Festival kommt. Der ist übrigens ein Wanderer zwischen den Welten und hatte bereits in der Kunststation (s)eine Salonschau. „Hier auf der Wiese zu sein ist auch eine Haltung, wir sind eine Art-Community“, meint Jan Johl, der mit Patricia Schellenberger Lederdesign präsentiert und munter das gemeinsame Projekt „Glück ist jetzt“ zelebriert. Alle Vorbeikommenden erhalten einen Anstecker mit dieser Losung oder können eine Uhr kaufen, die ständig das „jetzt“ anzeigt. Auch wenn das bunte Treiben vielleicht etwas verwirrt oder zunächst abschreckt, das Wiesenvolk ist kein bisschen elitär und freut sich über alle Besucher.
Neu auf dem Markt sind in diesem Jahr zehn Kunstschaffende, allein vier von ihnen belegen die Scheune Grosch: Drei figurativ malende Künstlerinnen sowie Michael Lippert mit seinen Licht- und Möbelobjekten. „Typisch Künstler“, denkt man bei den herumstehenden Flaschen - bis einem auffällt, das sind ja Lampen. „Die Hersteller geben sich solche Mühe damit“, sagt der Lippert, der nicht nur diese skurrilen Leuchtobjekte schafft, sondern vor allem große Lampen mit unterschiedlichen hölzernen Fundstücken. Etwas abgelegen findet man auch zwei neue Kunstschaffende im ehemaligen Malerhotel hinter dem Pfundsmuseum.
Besonders eindrucksvoll sind die vielen performativen Darbietungen. Wie in jedem Jahr treibt Theofine ihr Unwesen, im Walkact zeigt Karin Reichardt mit ihrem Sohn sperrige Kostüme des Triadischen Balletts von Oskar Schlemmer („100 Jahre Bauhaus“). Und Pjervoj Ogonjok ist wieder mal da und entwickelt täglich neue Performances. Einmal zog er mit einem altmodischen Kinderwagen durchs Dorf, in dem ein elektronisches Wesen lag: Die allüberall geforderte Digitalisierung hat nun auch das Malerdorf erreicht.
Fotos:
© Hanswerner Kruse
Oben: Glück ist jetzt
Mitte: Auf der Kunstwiese
Unten: Theofine (links) trifft Pjervoj Ogonjok