kpm ZoogesellschaftshausDas Frankfurter Revisionsamt liefert der AfD eine Steilvorlage

Klaus Philipp Mertens

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Am projektierten Frankfurter Kinder- und Jugendtheater scheiden sich die Geister, allerdings ohne Beteiligung des Geistes.

Denn in einem vertraulichen Gutachten des städtischen Revisionsamtes vom 7. August dieses Jahres heißt es: „Angesichts der im Betreiberkonzept beschriebenen Zielgruppe von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren, insbesondere von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund, deren Eltern aus fremden Kulturen stammen, werden aus den Eintrittsgeldern keine kostendeckenden Einnahmen zu erwarten sein.“ Darüber hinaus vertritt das Amt die Auffassung, dass das von der Stadtverordnetenversammlung als Standort präferierte Zoogesellschaftshaus für ein solches Theater ungeeignet wäre. Das Gebäude sollte lediglich den Zwecken des Zoos dienen. Bilaterale Hintergrundgespräche mit dem Zoo waren jedoch nicht geführt worden.

Die AfD hat die Kernthesen des Gutachtens zur Grundlage eines eigenen, das Vorhaben ablehnenden, Antrags gemacht: „Aufgrund des Konzepts und der Zielgruppe von Kindern aus Migrantenfamilien sind keine kostendeckenden Einnahmen zu erwarten.“

Die Forderungen nach Errichtung eines Kinder- und Jugendtheaters sind nicht neu. Viele Kulturinteressierte werden sich noch an entsprechende Vorschläge des früheren Schauspielintendanten Oliver Reese erinnern, die auch vom seinerzeitigen Kulturdezernenten Felix Semmelroth unterstützt wurden. In der damals fachlich und sachlich ausgetragenen Diskussion ging es um die Suche nach einer geeigneten Lokalität in zentraler Lage und um neu zu schaffende, weitgehend eigenständige Strukturen, die nicht zu Lasten der anderen städtischen Bühnen gehen sollten. Und letztlich auch um Etatfragen.

Ein solches Theater müsste nicht nur den typischen künstlerischen Anforderungen gerecht werden, sondern in gleichem Maße auch pädagogische Kriterien erfüllen. Bildung, vor allem eine auf nachhaltige Teilhabe aller Bevölkerungsschichten angelegte, kostet Geld. Mittlerweile sind 50 Millionen Euro veranschlagt. Und letztere lassen sich mutmaßlich nur zu einem geringen Teil aus Einnahmen gegenfinanzieren, sodass dieses Theater, wie auch andere, auf Zuschüsse angewiesen sein wird.

Das nun über den Umweg des AfD-Antrags bekannt gewordene Gutachten des städtischen Revisionsamtes scheint das grundsätzliche Konzept der Stadtverordnetenversammlung seltsamerweise auf die Frage zu reduzieren, ob sich das Projekt angesichts des hohen Anteils von Kindern aus Zuwanderfamilien überhaupt lohne. In diesen Kreisen sei man selten dazu bereit, ein paar Euro für Kulturveranstaltungen auszugeben.

Dass die AfD als Vertreterin des ungebildeten Lumpenproletariats (ein Begriff von Karl Marx) solche unausgegorenen Mutmaßungen aufgreift, sie fast wörtlich abschreibt und als eigene Überlegungen ausgibt, dürfte niemanden verwundern. Schließlich speist sie sich aus Dummheit und Vorurteilen. Fielen derartige Ressentiments fort, entzöge man ihr die ideologischen Existenzgrundlagen.

Entsetzt sein sollte man hingegen über einen Amtsleiter, der die Quintessenz aus einer angeblich fachlich korrekten Prüfung zunächst unterschreibt und sich später, nachdem das Ergebnis öffentlich wurde, davon distanziert. Aber auch die Stellungnahme des CDU-Vertreters vermag nicht zu überzeugen. Seiner Ansicht nach seien die beanstandeten Formulieren vermutlich nicht „böswillig“ eingefügt worden. Ob aus Böswilligkeit oder aus purer Dummheit und Ignoranz ist dabei unerheblich. Denn weder das eine noch das andere ist akzeptabel.

Aber auch die Tatsache, dass sowohl SPD als auch Grüne, welche mit der CDU die Stadtregierung bilden, sich nicht spontan äußerten, ruft Bestürzung hervor. Ist man in diesen Parteien mit der Kulturtechnik des verstehenden Lesens (z.B. von Gutachten und anderen Vorlagen) nicht vertraut? Oder nimmt man lediglich noch die vorgekauten Fake-News von Facebook & Co zur Kenntnis? Und warum äußert sich die zuständige, von der SPD gestellte, Kulturdezernentin nicht zu diesem Skandal? Hat sich Ina Hartwig im Deutschordenshaus mal wieder von der realen Welt isoliert, um entweder auf eine höhere Eingebung zu warten oder um auf das Erwachen persönlicher Courage zu hoffen?

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Zoo-Gesellschaftshaus
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