K stadtohne judenStummfilm von Hans Karl Breslauer von 1924 mit Livemusik von Olga Neuwirth im Rahmen des MUSIKFESTs Eroica – Musik als Bekenntnis in der Alten Oper Frankfurt heute, Teil 1

Claudia Schulmerich

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Auf der letztjährigen Viennale wurde am letzten Tag, dem 8.11. um 19 Uhr  der Stummfilm DIE STADT OHNE JUDEN  in der neuen restaurierten Fassung im Historischer Saal des METRO in Wien vorgeführt. Dazu gab es eine musikalische Untermalung, die Live-Musikbegleitung  von Haskil und Jung an Tagen, einem Audio- und Videokünstler, der übrigens im letzten August in der Alten Oper auftrat.. Daß am Tag zuvor im Wiener Konzerthaus die Welturaufführung einer neuen Filmmusik stattfand, interessierte weder die Viennale, noch war es für das Konzerthaus von Interesse, daß an zwei aufeinanderfolgenden Tagen DIE STADT OHNE JUDEN mit unterschiedlicher Musik zu hören und zu sehen war. Und das Publikum bekam dies schon gar nicht mit, zu unterschiedlich scheint dort der Personenkreis  von FILM und MUSIK zu sein. 


Das Wiener Konzerthaus hatte für das außergewöhnliche Stummfilmprojekt gemeinsam mit anderen Partnern der österreichischen Komponistin Olga Neuwirth den Auftrag erteilt, speziell eine Filmmusik zu schreiben. Der Hamburger Musikproduzent  und sein Ensemble PHACE haben die Welt-Uraufführung der kürzlich restaurierten Fassung mit der neu geschaffenen Musik im November 2018 im Wiener Konzerthaus präsentiert. In weiterer Folge sollten  Aufführungen in den jeweiligen Häusern der Kooperationspartner in ganz Europa folgen. Zudem sind Fernsehübertragungen in Deutschland und Frankreich (ZDF / ARTE) bereits in Planung. Der heutige Abend gehört in diesen Kontext und ist tatsächlich von hohem kulturellen Wert. Daß danach noch eine eigene Musik- und Vortragsveranstaltung folgt, ist so sinnvoll wie aufregend. 

PROGRAMM
Stummfilm
Die Stadt ohne Juden  (Österreich, 1924)

Regie: Hans Karl Breslauer
Musik: Olga Neuwirth (2017)
Eine Kompositionsauftrag von Wiener Konzerthaus, Elbphilharmonie Hamburg, Ensemble Intercontemporain, Barbican Centre und Sinfonieorchester Basel.

Die Alte Oper kündigt den Film so an: Der Stummfilm DIE STADT OHNE JUDEN wird heute als eine der wichtigsten österreichischen Produktionen der Zwischenkriegszeit angesehen. Auf dem gleichnamigen Roman vom jüdischen Schriftsteller und Journalisten Hugo Bettauer basierend, wurde der Film 1924 in Wien gedreht. Irritierend prophetisch zeigt er die kulturelle und ökonomische Verarmung einer Stadt nach der Vertreibung der jüdischen Bevölkerung. Das Werk war nur in einer fragmentarischen Version erhalten – außerdem hinsichtlich seines Inhalts verharmlosend – bis das Österreichische Filmarchiv schließlich die verschollenen Teile in Frankreich wiederentdeckte.

Und teilt  über die Komposition mit: „Jeder von uns hat die Kapazität zu Gewalt und Hass in sich – und gleichzeitig die, gegen Gewalt und Hass zu sein. Jetzt ist der Moment sich zu entscheiden“, appelliert die Komponistin Olga Neuwirth an ihre Mitmenschen und bezieht sich dabei bewusst auf bedrohliche gesellschaftliche Entwicklungen unserer Zeit. Mit der starken Macht von Feindbildern, mit Hass und Ausgrenzung hat sich die Österreicherin intensiv befasst – und dafür ihre Sprache, die Musik, benutzt. 2017 schuf sie eine neue Musik zu dem Film „Die Stadt ohne Juden“ von 1924, einem visionären Kunstwerk über eine Gesellschaft, die ihre jüdischen Mitbürger zum Sündenbock macht und dabei ihren eigenen kulturellen Untergang erlebt.

Die Alte Oper Frankfurt zeigt am Dienstag, 24. September 2019, von 20.00 Uhr an im Mozart Saal im Rahmen ihres Musikfests „Eroica – Musik als Bekenntnis“ also nicht nur das historische Filmdokument, sondern ermöglicht auch eine Begegnung mit der dazu neu geschaffenen Musik: Live zum Film spielt das österreichische Phace Ensemble unter der Leitung von Nacho de Paz Olga Neuwirths musikalischen Kommentar zu einem wieder aktuell gewordenen Thema. „Verlustgefühl, drohende soziale Deklassierung und Abstieg sowie eine Stimmung zwischen Revolutionsgeist, Hetze und Erregungskultur“ benennt die Komponistin die Ähnlichkeiten zwischen damals und heute, auf die sie mit den ihr eigenen künstlerischen Mitteln reagiert, einer Musik, die grell und wütend, hintergründig und humorvoll, aber auch schonungslos und ehrlich ist.

Um einen musikalischen Reflex auf die Schrecken des Naziregimes geht es auch im anschließenden Nach(t)konzert, in dem das Tonbandstück „Ricorda cosa ti hanno fatto in Auschwitz“ von Luigi Nono auf dem Programm steht. Im Rahmen dieses Anschlusstermins im Foyer der Ebene 2 wird zudem Dr. Nikolaus Wostry vom Filmarchiv Austria zu Wort kommen, der sich intensiv mit dem Film „Die Stadt ohne Juden“ beschäftigt hat.

Der Filminhalt 
Wir befinden uns im Staate Utopia. Es ist eine Situation wie die nach dem ersten Weltkrieg: riesige Arbeitslosigkeit, galoppierende Inflation, Massendemonstrationen. Die Politik sucht Schuldige, besser: sucht diejenigen, denen man die Schuld zuschieben kann. Insbesondere zwei antisemitische Großdeutsche namens Rat Bernart und Volbert reißen das Wort an sich und beschuldigen pauschal die Juden, Verursacher des Niedergangs des Volks zu sein. Das Parlament wird tätig und die Ausweisung der Juden beschließen...

Die restaurierte Fassung umfaßt sehr viele neue Szenen, die nicht mehr bekannt waren. Da geht es einmal um den Schluß, der aufgefunden wurde, aber auch um eine Parallelerzählung, die das normale, sprich: antisemitische Leben in Wien zeigt. Es heißt: "Bislang unbekannte Bilder zeigen das jüdische Leben in Wien mit klar antisemitischer Konnotation, insgesamt werden die politischen Aussagen des Films und die Darstellung des mprderischen Antisemitismus in der vom Filmarchiv Austria rekonstierten Fassung nun wesenlich schärfer artikuliert."  


PHACE ENSEMBLE
NACHO PAZ Leitung
Dienstag, 24. September 2019  ▪  Mozart Saal  ▪  20.00 Uhr

Im Anschluss, gegen 21.45 Uhr, im Foyer Ebene 2
Nach(t)konzert & An der Bar mit DR. NIKOLAUS WOSTRY (Geschäftsführer und Leiter Filmsammlungen des Filmarchivs Austria)
Moderation: DR. MARGRIT FRÖLICH
LENNART SCHEUREN Klangregie
Luigi Nono Ricorda cosa ti hanno fatto in Auschwitz
Dauer: ca. 30 Minuten

Zur Aufführung von DIE STADT OHNE JUNDEN  innerhalb der Viennale gab es im Kinokulturhaus METRO eine erhellende Begleitausstellung, die man wenigstens als Katalog sichten kann. Dort wird - wir gehen darauf ein - der Zusammenhang mit der Judenverfolgung - auf die heutige Situation von 'Andersartigen' in unseren entwickelten Gesellschaften eingegangen, es wird aber auch intensiv referiert und angeklagt, was dem Autor des dem Film zugrundeliegenden Romans STADT OHNE JUDEN, Hugo Bettauer, angetan wurde, der ermordet wurde. Eine Besprechung des Katalogs folgt. 

Foto:
Die Stadt ohne Juden
© Filmarchiv Austria

Info:
Mit freundlicher Unterstützung der Gesellschaft der Freunde der Alten Oper Frankfurt und der Deutsche Bank Stiftung
Nach(t)konzert: Gefördert vom Kulturfonds Frankfurt RheinMain
€ 25,- / 29,- (Endpreise) / Tickethotline: 069 / 13 40 400  ▪  www.alteoper.de
Eintritt zum Gespräch „An der Bar“ mit Nach(t)konzert frei

Stadt ohne Juden.....Juden, Muslime, Flüchtlinge, Ausländer
Ausstellungskatalog
verlag filmarchiv austria 2018