wm was ihr wollt"WAS IHR WOLLT" – VERSUCH IM ERNST-DEUTSCH-THEATER HAMBURG, Teil 1/2

Wolfgang Mielke

Weltexpresso (Hamburg) - Die Aufführung ist bereits abgespielt. Ihre Premiere war am 22.8.2019; ihre Derniere am 28.9.2019. Es war vor allem Höflichkeit, noch nicht zu schreiben. Denn: "De mortuis nihil nisi bene" – ''über die gerade Gestorbenen hat man nichts zu sagen als nur Gutes''; - das gilt für mich auch für Worte über Geburtstagskinder! - Volker Lechtenbrink wurde eine halbe Woche vor der Premiere von "Was ihr wollt" 75 Jahre alt. Seit seinem beeindruckend gespielten Grabenkoller in "Die Brücke" (1959) hat er immer wieder Marken im deutschen Theaterleben und Film gesetzt; vor allem im Ernst-Deutsch-Theater, Hamburg. Glückwunsch also zu seinem 75 Geburtstag, zu dem er sich diese Inszenierung gewünscht hat. 

Von den zahlreichen "Was ihr wollt" – Inszenierungen, die ich sah, ist diese nicht die beste, nicht die schlechteste gewesen. - Schon wenn sich der Vorhang erstmals öffnet und die Bühne eindreht, überträgt sich für den, der Gespür hat, sofort, dass es keine große Inszenierung werden wird. Dabei ist die Konzeption deutlich besser als ihre Umsetzung. Über diese Konzeption ist im Programmheft zu lesen:

"Die Figuren, die auf dem Eiland, Illyrien, zusammenkommen, haben für mich alle ein Geheimnis, sind alle faszinierend." --- Das historische, antike Illyrien ist kein Eiland, keine Insel, sondern liegt als ein großräumiges Gebiet im Westen der Balkan-Halbinsel, von der Adria bis ins Gebirgsland hinein. Für das elisabethanische England war das eine weit entlegene Gegend, im östlichen Mittelmeer; und bei Shakespeare eine entlegene Wundergegend, auch wohl etwas exotisch, wo man ein Phantasie-Stück ansiedeln konnte. Gleichwohl sind die Bezüge zum damaligen England natürlich vorhanden und teils auch heute noch für uns verständlich. Zum Beispiel die Härte der Existenz- und Arbeitsfragen: Da wurde nicht lange gefackelt, wenn man jemand rauswerfen wollte. "Schafft den Narren fort!" - ist einer der ersten Sätze der jungen Adligen Olivia; und "fort" konnte hier allerhand heißen – von "schafft ihn mir aus den Augen!" bis "schmeißt ihn sofort raus!" - An anderer Stelle ist gleich vom "Hängen" die Rede. - Diese soziale Härte darf nicht überlesen werden. Gegen die Idee aber, das Stück auf einer Insel – wie auf einem konzentrierten Präsentierteller - zu spielen, ist nichts zu sagen. Shakespeare hat einen künstlichen Ort gewählt, das kann die Inszenierung nachzeichnen.

Das ganze (Stück-)-Geschehen soll sich im Kopf des Narren abspielen; und es soll deutlich werden dadurch, dass Volker Lechtenbrink als Narr sagt: "Es war einmal ..." - also das Stück wie ein Märchen einführt – und sich dann im wahrsten Sinne des Wortes abseits, nämlich außerhalb der "Was ihr wollt" – Insel am Rand der Bühne auf ein Fass setzt. Dass Volker Lechtenbrink hier den Narren gleichzeitig als Teil der Inszenierung spielt, vorwiegend aber als Außenstehenden der Handlung und Inszenierung – jedenfalls der sich auf der "Was ihr wollt" – Insel ereignenden, das wird sofort deutlich. Er hat das Stück inszeniert, mitunter von unten beobachtet und korrigiert von seiner Tochter, - und er spielt seine Rolle auch genau so: Was auf der Insel geschieht, berührt ihn nicht weiter. Dazu passt auch, dass er kein Kostüm trägt, schon gar nicht ein Narrenkostüm, sondern einen hellen Reise-Anzug; ein Durchreisender, der ab und zu ins Geschehen eingreift, aber dort nicht zu Hause ist. - Vielleicht hat er unsere Kritik über den 'getanzten Shakespeare' im Ernst-Deutsch-Theater vor der Sommerpause gelesen, in der ich an Karl Heinz Stroux (1908 - 1985) als Gower in Shakespeares "Perikles" erinnert hatte, der ganz vergleichbar ebenfalls eine Art Spielleiter des Schauspiels war, gehüllt nur in eine hellgraue Wolldecke; so wie Volker Lechtenbrink jetzt auf dem Programmtitelfoto und den Plakaten auf einer dunkeln kleine Truhe sitzt, sein helles Jackett wie eine Decke über sich gezogen.

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