Hanno Lustig
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Im vierten Jahr seines Bestehens präsentiert das Tanzfestival Rhein-Main fünfzehn Stücke in Darmstadt, Frankfurt und Wiesbaden - davon zwei Uraufführungen, zwei deutsche Erstaufführungen und eine Vor-premiere – und expandiert mit zwei Produktionen im öffentlichen Raum erstmals nach Offenbach und mit dem Tanztag Rhein-Main zum wiederholten Mal in elf weitere Städte der Region.
Mit dem Motto „moving beyond“, das sich in diesem Jahr als roter Faden durch das Festival zieht, wächst das Festival nicht nur räumlich sondern auch thematisch. Sich Anderen zu öffnen, um die eigenen Limitierungen zu überwinden, ist in die DNA vieler Festivalkünstler*innen eingeschrieben.
So verließ zum Beispiel der belgisch-französische Choreograf Damien Jalet seinen vertrauten Arbeitskontext um zusammen mit der mexikanischen Kompanie CEPRODAC die Produktion OMPHALOS in Mexiko City zu erarbeiten. Die mitreißende Produktion wird das Festival am 31.10. im Staatstheater Darmstadt eröffnen. Zur Musik von Marihiko Hara und Ryuichi Sakamoto bewegen sich 20 Tänzer*innen voller Energie auf einer riesigen Satellitenschüssel. Gemeinsam mit Jalet, der aktuell als Shootingstar der Tanzszene gilt, schlagen sie eine Brücke zwischen Europa und Mexiko, zwischen den Ruinen der zeitgenössischen Zivilisation und indigenen Mythen und reflektieren in berührend-intensiven Bildern die Verortung des Menschen in der Welt.
Experimentierfreude und die Neugierde zunächst fremde Ausdrucksformen und Genres für sich zu erschließen zeichnet auch Lisbeth Gruwez und ihre Kompanie Voetvolk aus. Beide stehen im Zentrum der neuen Reihe Spotlight, mit der von nun an in jedem Jahr mehrere Produktionen einer Künstlerin bzw. eines Künstlers präsentieren und sie in den Mittelpunkt des Festivals gestellt werden. Neben ihrem ersten Gruppenstück AHIHA aus dem Jahr 2014, zeigt Gruwez das intime Solo LISBETH GRUWEZ DANCES BOB DYLAN, in dem sie wie in AHIHA auch selbst auf der Bühne steht. Darüber hinaus präsentiert sie mit THE SEA WITHIN ihre jüngste Choreografie für ein großes Ensemble und als eine exklusive Vorpremiere die gerade entstehende Videoinstallation Penelope.
Gruwez‘ Schaffen ist durch die enge Zusammenarbeit mit dem Komponisten und Musiker Maarten Van Cauwenberghe geprägt. Im permanenten Austausch zwischen Tanz und Musik, Bewegung und Klang, Materialität und Immaterialität fordern sich Gruwez und Van Cauwenberghe gegenseitig heraus, gewohnte Wege zu verlassen und mit neuen Themen, Formaten und Ausdrucksformen zu arbeiten.
Doch nicht nur die Liste der Formen und Praktiken, mit denen die belgische Choreografin arbeitet ist lang: Overhead Project verknüpfen in ihrem Stück MY BODY IS YOUR BODY zeitgenössischen Tanz mit Artistik. Das Choreograf*innen-Duo Hicks&Bühler bringt in seiner Arbeit STRANGE LOOPS auf gekonnte Weise Tanz-, Jodel- und Technokultur zusammen. Florentina Holzinger versammelt Stuntwomen, Ex-Ballerinas, Schauspielerinnen und zeitgenössische Tänzerinnen in der Produktion TANZ und befragt mit ihnen das weibliche Ideal des schwerelosen Körpers im romantischen Handlungsballett. In DANCE OF THE SUN begibt sich das international gefeierte Sinfonieorchester Geneva Camerata barfüßig auf die Bühne, spielt die wunderbare Musik von Jean-Baptiste Lully und Wolfgang Amadeus Mozart und lässt sich von Tänzer und Choreograf Juan Kruz Díaz de Garaio Esnaola bewegen.
Vier ungehorsame Körper, die leidenschaftlich singen, plaudern und scherzen: in MUYTE MAKER von Flora Détraz / Cie Pli ist zu erleben, wie vier Frauen eine groteske Hymne an die Freude tanzen! Der Frankfurter Choreograf Cyril Baldy schafft für vier Tänzer*innen vier Soli, die sich kontrapunktisch aufeinander beziehen und kreiert mit VARIATION(S) FOR A FEW eine alternative Form des Zusammenseins von Körpern in Zeit und Raum.
Tanz hat in Kuba einen hohen Stellenwert. Das Ensemble Danza Contemporánea de Cuba zeigt in einem dreiteiligen Abend eindrucksvoll die Vielfalt des zeitgenössischen kubanischen Tanzes.
Tümay Kılınçel schafft in ihrem Solo DANSÖZ einen Raum der Selbstermächtigung und reiht sogenannte orientalische Tänze in die Genealogie des zeitgenössischen Tanzes ein, von der sie bis jetzt ausgeschlossen waren. Und das Hessische Staatsballett erzählt unter der Leitung von Choreograf Tim Plegge den Ballettklassiker DER NUSSKNACKER neu, in dem sie die Figur Clara in den Mittelpunkt der Choreografie stellen.
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tanzplattformrheinmain.de
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