Manifest gegen sprachliche Fremdbestimmung
Klaus Philipp Mertens
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Frauen definieren sich über Männer, wenn sie dem generischen Maskulinum eine weibliche Form mittels Genderstern, Gender-Gap oder Doppelpunkt anhängen.
So wollen es „feministische“ Linguisten. Und ein Heer unkritischer sowie sprachwissenschaftlich und literarisch Unbedarfter spendet sogar Beifall. Anscheinend gilt in diesen Kreisen die biblische Schöpfungserzählung als Richtschnur: „Man wird sie Männin nennen, weil sie vom Manne genommen ist.“ Doch immer mehr Frauen möchten keine Anhängsel sein, keine *innen. Sie werten solche Redensarten als Herabsetzung und Beleidigung ihrer Persönlichkeit. Vor allem dort, wo es auf exakte Sprache ankommt, wächst der Widerstand.
Die Frankfurter Literaturinitiative PRO LESEN, ein gemeinnütziger Förderverein
im Stadtteil Sachsenhausen und die Redaktion der Frankfurter Netzzeitschrift www.bruecke-unter-dem-main.de sowie mit ihnen korrespondierende Persönlichkeiten aus dem Kulturleben, aus Parteien, Gewerkschaften und Wohlfahrtsorganisationen empfehlen ihren Mitgliedern, Kollegen, Unterstützern, Autoren und Partnern, sich bei der Abfassung literarischer Texte sowie bei öffentlichen und internen Mitteilungen und Stellungnahmen an die Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung zu halten und das in Mode gekommene Gendern nicht anzuwenden.
Denn das Deutsche verfügt über geeignetere Möglichkeiten, Achtung und Gleichstellung der Geschlechter auszudrücken und dabei die Abstraktionsfähigkeit sowie die Logik der deutschen Sprache zu erhalten.
Begründung
Sprache verbindet die Menschen. Allerdings nur, wenn alle den gleichen Code, d. h. über das gleiche Zeichensystem, verfügen und es allgemein anwenden. Ist dies aus Gründen der Herkunft oder der Bildung nicht der Fall, verstärkt dies die Ungleichheit unter den Menschen.
Sprache verändert sich als Folge der gesellschaftlichen Entwicklung und der Machtverhältnisse. Greifen Individuen oder Interessengruppen willkürlich in das System Sprache ein, so ist es Aufgabe aller demokratisch legitimierten Gremien einschließlich der staatlichen Verwaltung, des Bildungssystems und der Rechtspflege, die Konsequenzen dieses Eingriffs kritisch zu hinterfragen. Dabei müssen folgende Fragen gestellt werden:
1. Bleiben die Rechte auf gesellschaftliche Teilhabe aller, besonders der Schwächsten in der Gesellschaft, gewahrt?
2. Ist Eindeutigkeit und Rechtssicherheit gewährleistet (z. B. bei Gerichten und Tarifverhandlungen)?
3. Wird das Erlernen der deutschen Sprache in der Schule und für Asylsuchende erleichtert?
Der Rat für deutsche Rechtschreibung, als höchste Instanz für alle deutschsprachigen Länder, zieht bei seiner Bewertung von neuen Schreib- und Sprechformen in Bezug auf geschlechtergerechte Sprache diese Kriterien in verantwortlicher und demokratisch legitimierter Weise mit ein. Das für die Schulen verbindliche Sprachwerk „Der Duden“ orientiert sich an seinen Richtlinien. Die vorliegende Empfehlung gilt unbeschadet der bis jetzt allgemein gewordenen Formen der Wertschätzung der verschiedenen Geschlechter in den Berufsbezeichnungen und unbeschadet weiterer Entwicklungen.
Seit einiger Zeit wird ein erbitterter und emotional belasteter Streit geführt, ob und in welcher Weise geschlechtliche Identitäten in der allgemeinen Sprache zum Ausdruck kommen sollen, bzw. ob das grammatische Geschlecht der Wörter mit dem biologischen Geschlecht der Gemeinten im Einklang stehen müsse.
Vielfach wurde dabei grundsätzlich in Abrede gestellt, ob in Nennungen, die nach dem grammatischen Geschlecht männlich sind, auch Frauen gemeint sein können (Generisches Maskulinum) – und umgekehrt, Nennungen, die nach dem grammatischen Geschlecht weiblich sind, sich auch Männer angesprochen fühlen (Generisches Femininum). Daraus ergaben sich eine große Zahl unterschiedlicher Schreibweisen, um nicht nur Frauen, sondern verschiedene, auch gefühlte, Geschlechtsidentitäten sprachlich zu markieren. In letzter Zeit gab es Beispiele, in denen ausschließlich nur noch das grammatisch weibliche Geschlecht geschrieben oder ausgesprochen wurde („totale Feminisierung“). Mit einer Gleichstellung der Geschlechter in der Sprache hat das nichts zu tun.
Mittlerweile ist ein Kulturkampf zwischen beiden Lagern entstanden, der immer mehr in (abwertenden) persönlichen Zuordnungen seinen Ausdruck findet: als reaktionär-fortschrittlich, feministisch-frauenfeindlich, autoritär-kreativ, jung gegen alt. Diese Polarisierung ist unserem Kampf für Geschlechtergerechtigkeit nicht förderlich. Sexualisierte Gewalt im Privaten und in Betrieben, Altersarmut besonders bei Frauen, ungleiche Teilhabe und Verantwortung im öffentlichen Leben sind beschämende Tatsachen, die durch eine separatistische Identitätspolitik nicht aus dem Blickfeld geraten dürfen. Gerade bei Tarifauseinandersetzungen, bei denen die immer noch bestehende ungleiche Bezahlung von Frauen bei gleicher Arbeit Thema sein muss, soll eine differenzierende Nennung des Geschlechts möglich sein, was bei einer ausschließlichen Verweiblichung aller Bezeichnungen - mit oder ohne dem gehauchten „Genderstern“ kombiniert- nicht möglich ist.
Es kann auch nicht sein, dass Asylsuchende, für die das Erlernen der Sprache eine Existenzfrage ist, mit einem verwirrenden Arsenal von willkürlich praktizierten Schreib- und Sprechformen konfrontiert sind. Kindern muss die Sicherheit gegeben werden, dass die in der Schule gelernte Sprache auch im Elternhaus und in der Gesellschaft Gültigkeit hat.
Um dieser Verunsicherung durch verschiedene willkürliche Schreib- und Sprechweisen Einhalt zu gebieten, hat der Rat für deutsche Rechtschreibung am 26. März 2021 beschlossen, von der absoluten Verweiblichung von Personenbezeichnungen, der „Genderstern“-Schreibweise und anderen verkürzten Formen, die in der gesprochenen Sprache eine Unterbrechung des Leseflusses verlangen, abzuraten. Er bekräftigt dabei seine Auffassung, „dass allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden soll und (sie) sensibel angesprochen werden sollen“.
Frankfurt am Main, im September 2021
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Das Anhängsel-Syndrom
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