Claudia Schulmerich
Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Zuerst reihte sich innerhalb der wichtigen, mit den Verantwortlichen besetzten über eineinhalbstündigen Pressekonferenz eine Verblüffung an die andere, dann die Erkenntnis und abschließende Verblüffung, als man beim Herausgehen den Band BERICHT ZUR ZUKUNFT DER STÄDTISCHEN BÜHNEN in die Hand gedrückt bekam und las: SEPTEMBER 2021. Gestern war jedoch der 4. November! Eine so wichtige Sache, wie diesen Sachstandsbericht, der Grundlage der Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung wird, die „Jahrhundertaufgabe“ (OB Feldmann), zwei Monate liegen zu lassen, hatte zuvor gar nicht monieren werden können, weil wir alle davon ausgingen, daß der Bericht brandneu sei, denn so hatten ihn die Drei am Podium vorgestellt.
An den Ausführungen von Peter Feldmann, der über die Bedeutung, die Historie und die politische Gemengelage der Städtischen Bühnen sprach und auch über die notwendigen Arbeitsbedingungen der 1200 Mitarbeiter, ist so wenig auszusetzen wie an dem langen Beitrag der Kulturdezernentin Ina Hartwig, die mit Dank an den bisherigen Stabsstellenleiter Michael Guntersdorf begann und den neuen,Matthias Hölzinger vorstelle; sie erinnerte an die Machbarkeitsstudie von 2017 und all die Vorlagen und Beschlüsse, die seitdem die ‚Zukunft der Städtischen Bühnen‘ begleiten: Entscheidung des alten Stadtparlaments: Abriß der Doppelanlage aus den Sechziger Jahren trotz großer Proteste, einem zusammengestückelten Zweckbau unter Einschluß des ziemlich desolaten Schauspielhauses von 1902 mit wilhelminischer Repräsentationsfassade (ein Bürgerbegehren zur Rekonstruktion scheiterte Gottseidank kläglich), Favorisierung der CDU, Theater und Oper in den Osthafen zu versenken, was die neue Koalition schon in ihren ersten Papieren als erstes canzelte, Hinweis, daß die neue Koalition sowohl im Dezernat wie auch in der Stadtverordnetenversammlung so viele Neulinge enthalte, die Zeit zur Einarbeitung bräuchten...
Ina Hartwig trug auch all die anderen Faktoren vor, die zu einer Bewertung des Baus an einer der fünf zu prüfenden Stellen, gehören: die ökologische, also sowohl Versiegelung wie die Luftströme, die behindert oder möglich gemacht werden, der Eingriff in die Wallanlagen, eine mögliche Kulturmeile vom Main, sprich Jüdisches Museum über Theater, Oper, MMK Dependance, Alte Oper, die geeignet ist, die ziemlich verwahrloste und oft zweckentfremdete Wallanlage zu einem lebendigen Ort zu machen, wie sie überhaupt so oft den Begriff ‚offenes Haus‘ verwandte, demgegenüber die heutige Doppelanlage hermetisch verschlossen sei. Für jemanden, der dort sein Leben lang ein und ausging, war das erst einmal verblüffend. Aber es stimmt, was das Parterre betrifft. Zwar sind die Türen aus Glas, aber das, was den Besuchern der Städtischen Bühne bis heute das Gefühl von, zu Hause zu sein, vermittelt, ist der erste Stock mit den Goldenen Wolken von Zoltan Kemeny von 1963 (wenn die heutigen CDUler wüßten, was ihre damaligen Kollegen alles sagten und taten, um diese moderne ‚Schandtat‘ zu verhindern, bzw. abzuhängen, es würden ihnen die Ohren glühen und klingeln), die die lange Glasfront erst zu dem emotionalen Spektakel machten, was es denen, die es kennen, bis heute ist. Denn, auch wenn Ina Hartwig sicher recht damit hat, daß es als kein offenes Haus für diejenigen erscheint, die es nicht von innen kennen, ist es doch im Umkehrschluß für all diejenigen, die so viele wunderbare Aufführungen erlebten und die Pausengespräche im Foyer, für immer eingebrannt: wenn ich also abends am erleuchteten Haus vorbeigehe, oder vorbeifahre, bekomme ich sofort ein warmes Gefühl im Herzen.
Kein Wunder also, daß auch das Denkmalsamt dieses Foyer als denkmalsgeschützt ausweist. Ina Hartwig sieht das nicht als Stolperstein, sondern war froh, als im letzten Jahr diese Entscheidung fiel, weil damit klar war, daß der Osthafen vom Tisch ist und auf jeden Fall Oper und Theater in der Innenstadt bleiben. Zurück zur neuen Funktion von neuen Gebäuden für die beiden Sparten – die dritte, der leider abgeschaffte Tanz, soll wieder zurückkehren?- , die analog dem Haus in Kopenhagen eine Multistätte sein sollen und die Menschen von außen nach innen zöge, auf daß sie dann auch echte Theaterbesucher werden: offene Häuser.
Die Vorstellung der fünf Varianten, von denen also weder der Osthafen, noch der Plan, gegenüber der Alten Oper das Schauspiel residieren zu lassen, noch verfolgt wird (gut!), übernahm der Stabsstellenleiter, sie sind in den Vorartikeln dargestellt.
In welchem Desaster die Gesamtsituation angesiedelt ist, ergaben erst die anschließenden zahlreichen Fragen der Presse. Ina Hartwig zeigte sich für alle drei verbliebenen Varianten offen, Peter Feldmann favorisierte die von Ina Hartwig voriges Jahr selbst initiierte Variante, auf dem bisherigen Ort das Theater zu errichten, den Platz zu entsiegeln, die Oper in der Neuen Mainzer anzusiedeln, mit Eingang gegenüber dem Japanturm, also nicht in der verkehrsumtosten Mainzer, und einer Öffnung für Pause u.a. in die Wallanlagen.
Ich selbst hatte schon zuvor darauf verwiesen, daß mit keinem Wort auf die Verkehrssituation eingegangen wurde, nämlich, wie man diese kanalisieren, ändern, ja abschaffen könne, damit Fußgänger dort überhaupt ungefährdet und stabil den Operneingang erreichen. Das gilt bei der beabsichtigen Kulturmeile auch für den Bereich zwischen Parkhaus und Jüdischem Museum, wo zwei Autokolonnen den Fußgänger alt aussehen lassen. Das ist bisher eine gefährliche Steinwüste und weder Wallanlage, was sie offiziell ist noch Kulturmeile. Das gehört in den Gesamtzusammenhang Mobitliät in Frankfurt, wurde mir beschieden. Und?
Und jetzt zum Eigentlichen, auf das es hinausläuft: der Errichtung der Oper in der Neuen Mainzer Straße (Variation 2) auf dem Grundstück der Frankfurter Sparkasse, die heute Teil der Helaba ist, die u.a. gegenüber im Main Tower residiert. Die Errichtungsangaben für alle Varianten beliefen sich zwischen 800 und 900 Millionen Euro. Die Investitionskosten für die favorisierte Variation zwei sind sogar die „günstigsten“, mit 811, 2 Millionen. Allerdings ist dies ohne den Erwerb des Grundstücks gerechnet! So was geht natürlich nicht und führte zur hellen Aufregung und vielen Nachfragen.
Aber, die genervte Kulturdezernentin konnte gar nicht anders, als darauf hinzuweisen, daß sie in Gesprächen sei, denn keine Bank, auch keine landeseigene, verhandelt auf der Basis von Absichten. So lange kein Beschluß der Stadtverordnetenversammlung da ist, können die Kosten nicht überschaut werden und so lange die Kostenfrage nicht geklärt wird, wird keine Koalition in Frankfurt eine verbindliche Festlegung der Oper beschließen können! Die Katze beißt sich in den Schwanz! Diese unendliche Oper könnte also endlos weitergehen, wenn nicht die Situation der beiden Häuser, Theater und Oper, eine so prekäre wäre, daß die Belegschaft nicht weiß, ob nicht morgen der Notfall ausgerufen werden muß und die Besucher nicht mehr hineindürfen und die Kultur geschlossen wird.
Schließlich ist die drohende Betriebsschließung ja Ausgangspunkt aller Neubaupläne gewesen. In dieser Situation gibt es meiner Meinung nach nur eines: der OB muß alle Beteiligten an einen Tisch holen: die Landesregierung, Frankfurter Mäzene und Wirtschaftshäupter und wen nicht alles, die die Helaba überzeugen können und müssen, daß sie gemeinnützig tätig sein kann und muß und das Grundstück in der Neuen Mainzer entweder zur Verfügung stellt oder in Erbpacht oder wie auch immer die rechtlichen Voraussetzungen lauten: die Stadt Frankfurt könnte auf keinen Fall die ortsüblichen Kaufpreise gegenüber den Frankfurtern verantworten, die derzeit coronageschüttelt sowieso viele Einbußen persönlich tragen. Eine Oper für über 800 Millionen ist eh schon ein starkes Stück, von dessen notwendigem Bauen ich aber überzeugt bin, weil es eben noch andere Dinge zwischen Himmel und Erde gibt... Die, die das Geld haben, sollen die Voraussetzungen mit dem Grundstück schaffen!!!
Foto:
Oberbürgermeister Peter Feldmann, Kulturdezernentin Ina Hartwig und Stabsstellenleiter Mathias Hölzinger bei der Pressekonferenz
©Redaktion
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