Serie: MARIA ORSKA ... WIEDERENTDECKT ...Die Verfolgung einer kulturhistorischen Spur..., Teil 13/15
WM.Wolfgang.Mielke
Hamburg (Weltexpresso) - Interessant ist, wenn man einen Blick auf die Stellen wirft, in denen Kurt Tucholsky (1890 – 1935) Maria Orska in seinen Texten erwähnt. Sicher liegt das auch an der zweisilbigen, praktisch-klangvollen Verwendungs-Möglichkeit in Versen, aber es spiegelt sich darin doch auch das Leben der Orska - in der Art und Weise seiner Erwähnungen.
Aus: #SAISONBEGINN# (1919), in der 5. von 6 Strophen:
#Schon steht der Inspizient an den Kulissen.
Die Orska bibbert: 'Gredchen lahst mich sain!'
Die Rolle nimmt sich doch als fetten Bissen
das Fräulein Pfein.#
Vielleicht spielt diese Gedicht-Strophe darauf an, dass Maria Orska 1919 als 'Lady Milford' in Schillers "Kabale und Liebe" scheitert. Die 'Lady Milford' ist zwar auch eine begehrte Salondame, aber doch nur aus Not. Sie ist keine flirrende, glänzende, gleißende Femme fatale, sondern letztlich eine, allerdings nicht sehr realistische, 'ehrliche Haut'. - Harry Graf Kessler (1868 – 1937) kommentierte knapp: #"Abends in eine sehr schlechte Aufführung von #Kabale und Liebe.# Die Orska als Lady Milford zum Auspfeifen."# ---- Julius Bab (1880 – 1955) sah ihre Darstellung als Karikatur, der er zustimmte, wenngleich er damit unabsichtlich auch nur die oft beschriebenen Hauptgestaltungsmittel der Orska wiederum benannte: #"(...) die großherzige Britin mit der Feuerseele, die von der Orska mit kätzchenhaftem Gemauz unvergesslich parodiert wurde."# ------
Aus: #BADETAG# (1919), in der 2. von 3 Doppel-Strophen und nur die 1. Hälfte verwendet:
#Frau Durieux plätschert. Rauscher braust
(viel Strahlen – wenig Wasser)
Kahl fürchtet, dass sein Bart zerzaust -
er ist ein Badehasser.
Die Orska wird im Bad rasiert.
Bei Veidtens filmt es einer.
Auch Mäxchen Pallenberg markiert -
es sieht ja schließlich keiner.#
Die Vorstellung der Orska im Bad ist eine luxuriös-erotische Anspielung, sicher; aber auch vielleicht eine Anspielung auf Kleists "Kätchen von Heilbronn", in dem die arglistige Gegenspielerin des 'Käthchens' – die 'Kunigunde von Thurneck' – sich erst mühsam im Bad für ihre Verführungskünste präparieren muss ...
Aus: #WEIHNACHTEN# (1919), aus dem letzten Drittel des Gedichts:
#Schenkt der Orska alle Rollen
Wedekinder, kesse Bollen -
(Hosenrollen mag sie nicht:
dabei sieht man nur Gesicht ...).#
Der weiblich-verführerische Körper wurde als ihr schauspielerisches Haupt-Werkzeug angesehen.
Aus: #DAS WILL KEIN MENSCH MEHR WISSEN -!# (1923):
#Cuno geht – Cuno bleibt – die Orska ist in Südjapan gefeiert worden, dass es schon nicht mehr schön ist (...) – das will kein Mensch mehr wissen. Dahin, dahin.#
Carl Josef Wilhelm Cuno (1876 – 1933) war vom 22.11.1922 bis zum 12.8.1923 deutscher Reichskanzler. (Hier auf dem Foto von 1923 links neben Reichspräsident Friedrich Ebert (1871 – 1925)). - Tourneen in alle Welt macht nur eine Schauspielerin, die längst ein Star geworden ist. ---- #"Man vergisst, dass man im Theater ist"#, heißt es in der Wiener Kronen-Zeitung vom 30.10.1924, - zu einer Zeit, als der Expressionismus sich schon überlebt hat und die Orska nicht mehr als 'aus der Zeit herausgefallen' wirkt: #"Die Orska ist keine Schauspielerin mehr, sie ist ein Begriff, eine Welt."# -----------
Aus: #DIE KEGELSCHNITTE GOTTES# (1923):
#Ab und zu kam eine Dämonin, totschwarz, entblößte einen Raubzahn, snobte auf Morphinistin, aß dann aber doch mit Behagen zweimal Schlackwurst mit Kraut" (also noch über der Orska).#
Hier ist also schon die Abhängigkeit der Orska von Drogen stadtbekannt geworden.
Aus: #ALFRED KERR# ((zum 60. Geburtstag)) (1927), die 1. von 3 Strophen:
#Nu schicken alle Bäcker Kuchen
nach Ihrem Haus in'n Jrunewald.
Schohspieler kommen Sie besuchen
von wegen hmzig Jahre alt.
Ich schieb mir leise mit se ran,
mit Orska und Herrn Sudermann,
und ruf aus der pariser Ferne:
"Ick kann mir nich helfen – ich hab Ihnen jerne -!"#
Foto:
Maria Orska beim Schminken. Lithographie von R. L. Leonhard, ca. 1922.
Info:
Ursula Overhage, "Sie spielte wie im Rausch" / Die Schauspielerin Maria Orska, Henschel-Verlag, 2021
Fritz Kortner, Aller Tage Abend, Kindler Verlag GmbH, München, 1959 (ist seitdem in mehreren Taschenbuchausgaben erschienen):