Roswitha Cousin
Karlsruhe (Weltexpresso) - Es dauerte lange, aber endlich ist dann doch in Gang gekommen, was wir als Restitution bezeichnen, ein sehr sachlicher Begriff, der nicht mehr spüren läßt, daß es um Raub, Betrug, Enteignung, Diebstahl u.a. geht, den man im Nachhinein als nicht vorgefallen kennzeichnen möchte, in dem die geraubten, gestohlenen enteigneten Gegenstände an die ursprünglichen Besitzer zurückgegeben werden, was die Erforschung der ursprünglichen Eigentümer und des Weges der Gegenstände nötig macht, bevor dann also restituiert wird. Häufig handelt es sich um jüdischen Besitz, der im Gegensatz zu den ursprünglichen Besitzern die Nazis überlebte, die teils ins Ausland emigrieren konnten, teils in den KZs ermordet wurden.
Das ist gerade wieder einmal in Baden Württemberg geschehen, wo Staatssekretärin Petra Olschowski zusammenfaßte: „Provenienzforschung ist kulturpolitische Aufgabe und ethische Verpflichtung. Der Ankauf ist ein Glücksfall für das Land“, zuvor waren die Objekte als NS-Raubgut an die Erben restituiert worden. So ist es dem Land Baden-Württemberg gelungen, die Sammlung Gallinek dauerhaft für das Badische Landesmuseum zu sichern. Die Sammlung des 1865 in Breslau geborenen und 1940 in Baden-Baden verstorbenen jüdischen Kunstsammlers Dr. Ernst Gallinek besteht aus 466 historischen Porzellanobjekten, Portraitminiaturen und Tapisserien.
Das Land hat diese im Jahr 2020 als NS-Raubgut an die rechtmäßigen Erben restituiert; die Sammlung befand sich seitdem als Dauerleihgabe im Museum. Am „Internationalen Tag der Provenienzforschung“ wurde die Sammlung nun der Öffentlichkeit vorgestellt. Dazu wiederholte Kunststaatssekretärin Petra Olschowski bei der Präsentation am Mittwoch, 13. April, in Karlsruhe ihre Wertung und führte sie fort: „Der Ankauf ist ein Glücksfall für das Land, da es sich um eine außergewöhnliche und besonders wertvolle Sammlung handelt“. Der Erwerb der Sammlung erfolgte mit Mitteln der landeseigenen Museumsstiftung Baden-Württemberg in Höhe von 1,5 Millionen Euro und der Kulturstiftung der Länder in Höhe von 300.000 Euro.
Grundlage für die Restitution und für den anschließenden Ankauf war die präzise Erforschung der Geschichte der Sammlung. „Provenienzforschung ist für uns
eine kulturpolitische Aufgabe von höchster Priorität wie auch eine ethische Verpflichtung: Die Landesregierung ist sich ihrer historischen Verantwortung
bewusst, Kulturgüter, die den Verfolgten des Naziregimes entzogen worden sind, zu ermitteln und zurückzugeben. Wenn es – wie in diesem Fall – gelingt, Objekte rechtmäßig von den Erben zu erweben, ist dies von ganz besonderer Bedeutung“, betonte Olschowski.
Bereits seit Ende 2009 beschäftigt das Land drei Wissenschaftlerinnen im Bereich der Provenienzforschung an der Staatsgalerie Stuttgart, am Badischen
Landesmuseum und an der Staatlichen Kunsthalle in Karlsruhe. Dadurch konnte eine deutliche Professionalisierung der einschlägigen Forschung in Baden-
Württemberg erreicht und zahlreiche Provenienzen aufgeklärt werden. Mit der Verstetigung der Stellen im Jahr 2015 war Baden-Württemberg bundesweit das
erste Land, das Dauerstellen für die Provenienzforschung eingerichtet hat.
„Die Sammlung Dr. Ernst Gallinek ist ein seltenes Zeugnis der Tätigkeit von privaten Sammlern der Zwischenkriegszeit. Kaum eine dieser Sammlungen ist in
ihrer Gesamtheit erhalten. An ihrem Beispiel, die eng mit der Geschichte des Badischen Landesmuseums verknüpft ist, lässt sich auch beispielhaft die
Geschichte NS-verfolgungsbedingt entzogener Kunst und die Rolle der deutschen Behörden und Museen seinerzeit erzählen. Wir freuen uns, mit
unserer Förderung den Ankauf von 14 einzigartigen Objekten zu ermöglichen“, sagte Prof. Dr. Markus Hilgert, Generalsekretär der Kulturstiftung der Länder.
„Nach der Restitution der Sammlung Gallinek, ist es nun ein großer Erfolg, dass die Sammlung als Konvolut im Museum verbleiben kann. Damit bewahrt das
Land Baden-Württemberg ein wichtiges kulturelles Erbe für das Museum. Es war uns ein großes Anliegen, die Sammlung als Ganzes zu übernehmen, um an den Sammler und an das ihm und seiner Familie angetane Unrecht zu erinnern. Wir werden dafür Sorge tragen, die Provenienzgeschichte der Sammlung Gallinek auch in die Zukunft transparent darzustellen“, so Prof. Dr. Eckart Köhne, Direktor des Badischen Landesmuseums.
Sammlung wird dauerhaft im digitalen Katalog präsentiert
Die Porzellanobjekte der Sammlung Gallinek wurden digitalisiert und sind ab 13. April im Digitalen Katalog des Badischen Landesmuseums öffentlich zugänglich. Auch auf der landeskundlichen Informationsseite LEO-BW sowie in der Deutschen Digitalen Bibliothek und in Europeana können die Objekte künftig eingesehen werden. Die wissenschaftliche, dokumentarische und digitale Bearbeitung der Sammlung fördert das baden-württembergische Kunstministerium mit Sondermitteln in Höhe von 65.000 Euro.
Zur Sammlung
Dr. Ernst Gallinek wurde 1865 in Breslau geboren und zog 1935 nach Baden-Baden, wo er im Juli 1940 unverheiratet und kinderlos verstarb. Bereits kurz nach
seinem Tod wurde staatlicherseits darauf hingewirkt, dessen Sammlung unentgeltlich dem Badischen Landesmuseum zuzuschlagen. Die Sammlung
gelangte daher nicht in das Eigentum der von Dr. Gallinek in seinem Testament bestimmten Erben. Sie wurde 1941 in staatlichen Besitz genommen und
zunächst zum Schutz vor Kriegseinwirkung in das Neue Schloss in Baden-Baden verbracht. Im November 1953 wurde die Sammlung dem Badischen Landes-
museum zur treuhänderischen Verwaltung übergeben.
Das Badische Landesmuseum hatte die Sammlung Gallinek 2008 als NS-Raubgut identifiziert und in die Datenbank Lost Art eingestellt. Daraufhin meldeten sich ab August 2010 verschiedene Anspruchsteller beim Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, unter denen allerdings strittig war, wer tatsächlich Erbe von Dr. Gallinek ist. Nach der gerichtlichen Klärung wurde die Sammlung 2020 an die Erben und rechtmäßigen Eigentümer nach Ernst Gallinek restituiert.
Die Sammlung umfasst Geschirr, Vasen und figürliches Porzellan sowie einige Fayencen aus über 20 überwiegend deutschen Manufakturen. Der Schwerpunkt
liegt beim Rokoko-Porzellan des 18. Jahrhunderts. Fast 40 Prozent der Stücke sind aus Meißener Porzellan. Dazu kommen einige herausragende ostasiatische Porzellane, Portraitminiaturen des frühen 19. Jahrhunderts sowie drei großformatige, flämische Tapisserien mit figürlichen Darstellungen.
Die Sammlung Gallinek ist ein einzigartiges Beispiel für das bürgerliche Sammeln in den 1920er bis 1930er Jahren in Deutschland. Sie ist kulturhistorisch von
großer Bedeutung, da es sich um eine der wenigen, wenn nicht die einzige erhaltene Vorkriegssammlung eines wohlhabenden deutsch-jüdischen Bürgers
handelt. Die Zerstörung dieser Sammlerkultur in der NS-Zeit sowie der direkte Bezug zur Geschichte des Badischen Landesmuseums werfen ein Schlaglicht
auf die Enteignungspraxis staatlicher Stellen während des Nationalsozialismus und auf die aktive Beteiligung der Museen daran.
Zur Bedeutung der Provenienzforschung
Im Vordergrund der Provenienzforschung der kulturbewahrenden Einrichtungen des Landes steht stets die Frage, ob sich in den dortigen Beständen und
Sammlungen Kulturgüter befinden, die während des Dritten Reiches beschlagnahmt, entwendet oder sonst verfolgungsbedingt entzogen wurden.
Dank der an den drei Häusern – der Staatsgalerie Stuttgart, dem Badischen Landesmuseum und der Staatlichen Kunsthalle in Karlsruhe – dauerhaft
eingerichteten Stellen für Provenienzforschung konnten eine deutlicheProfessionalisierung der einschlägigen Forschung in Baden-Württemberg erreicht
und zahlreiche Provenienzen aufgeklärt werden. Soweit von einem NS-verfolgungsbedingten Entzug auszugehen war, hat das Land die betroffenen
Kulturgüter stets umgehend restituiert oder – wie im vorliegenden Fall – zu einem angemessenen Preis erworben.
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©Badisches Landesmuseum
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Quelle: Badisches Landesmuseum
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Quelle: Badisches Landesmuseum