Hanswerner Kruse
Hanau (Weltexpresso) - „Nun gute Nacht! Das Spiel zu enden / Begrüßt uns mit gewognen Händen!“ So beendet Puck, der schalkhafte Kobold, das über zweistündige Spektakel „Ein Sommernachtstraum“ im Hanauer Amphitheater. Das Premierenpublikum tut was ihm geheißen und feiert Shakespeares Schauspiel mit langem Beifall und Ovationen im Stehen.
Etliche Vögel zwitscherten noch, letzte Sonnenstrahlen fielen ins Theater, während das bekannte aber verwirrende Traumspiel begann: Bei den Menschen bereitet sich das Athener Herrscherpaar Hippolyta und Theseus, auf die eigene Hochzeit vor, dagegen wird einigen verliebten Adligen die eheliche Verbindung untersagt. In der unsichtbaren Parallelwelt der Elfen streitet der eifersüchtige König Oberon mit seiner Frau Titania, Puck soll sie maßregeln und richtet dabei ein gewaltiges Chaos an. Eine Gruppe talentfreier Handwerker probt eine theatralische Darbietung für die geplante Heirat des Herrschers. In einer rauschhaften Nacht im Wald, in der „man den Busch für einen Bären hielt“, begegnen sich viele Beteiligte:
Durch allerlei Zauber wird ein Handwerker in einen Esel verwandelt, in den sich Titania unsterblich verknallt: „Und sieh: Ich liebe Dich ! drum folge mir / Ich gebe Elfen zur Bedienung dir.“ Puck soll mit einem Kraut die verliebten Aristokraten zusammenbringen, vereinigt jedoch ständig die Falschen - auch mal leicht homoerotisch die beiden neidischen Frauen oder die zwei rivalisierenden Männer. Doch am Morgen werden alle überraschend erlöst: „Findet seinen Deckel jeder Topf / Und allen geht’s nach ihrem Kopf.“ Das Königspaar der Elfen versöhnt sich: „Hüpfen wir denn, Königin / Schweigend nach den Schatten hin! / Schneller als die Monde kreisen / können wir die Erd umreisen.“ Am Ende wird von den Handwerkern ihr Stück im Stück als hinreißende Burleske bei der Hochzeit tatsächlich noch aufgeführt.
Inhaltlich und vor allem sprachlich hält sich die Inszenierung weitgehend an die leicht gekürzte Vorlage - aber mit deutlicher Forcierung der diversen Ebenen. Die Athener Adligen leben in einem rigiden politischen Milieu, in dem Gehorsam und Tyrannei dominieren. Dagegen kreieren die Elfen ihre magische Welt: mit bunten Lichteffekten, prächtigen Kostümen, komplexen Choreografien und des Dichters Gesängen, „Nachtigall, mit Melodei / Sing in unser Eia popei!“. Auch die Handwerker sprechen Shakespeares Verse, kommen jedoch aus der Gegenwart mit Fahrrad und Smartphone und agieren körperbetont mit vielen Slapsticks. Daneben thematisieren sie, quasi auf der Metaebene ihrer Posse, die Kunst des Theaterspiels.
„Ein Sommernachtstraum“ ist das meistgespielte Stück Shakespeares und wurde in den letzten Jahrhunderten durch zahlreiche Variationen mit Gesängen oder Tänzen, aber auch als Oper oder Ballett, sowie durch unterschiedliche Gewichtung seiner Handlungsstränge aufgeführt. Die Hanauer Inszenierung (Regie Jan Radermacher) forciert deutlich alle drei Ebenen, nimmt lediglich Ergänzungen vor und biedert sich meist nicht populistisch an.
Florian Rast glänzt als eitler, frecher, geiler Puck, die Elfen bezaubern durch ihr variationsreiches Gruppenspiel. In der Doppelrolle als Königin der Amazonen und der Elfen beeindruckt Kira Primke mal als laszive Verführerin, mal als vehemente Kämpferin für ihre Belange. Julian M. Boine, doppelt besetzt als Herzog von Athen und König der Elfen, ist jeweils ein sanfter aber konsequenter Gebieter. Ein genialer Regieeinfall sind die „echten“ Handwerker, die sich aus dem Technik- und Einlassdienst der Festspiele rekrutieren und das Publikum begeistern. Gekonnt und überzeugend agieren auch die vielen, hier nicht namentlich genannten Akteure.
Fotos:
Brüder Grimm Festspiele © Hendrik Nix
Info:
Weitere Aufführungen noch bis Ende Juli
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