Bildschirmfoto 2022 11 24 um 03.21.02UNHEIMLICH FANTASTISCH – E.T.A. HOFFMANN 2022 im Deutschen Romantik-Museum Frankfurt, Teil 2

Matou

Frankfurt am Main (Weltexpresso) – Warum die Leser vom MEISTER FLOH glauben, Hoffmann sei selbst in dieser Kaiser- und Messestadt gewesen, hat damit zu tun, daß – ich weiß es genau, ich war doch dabei – er nicht nur Reiseführer zu Rat zog, sondern sich mit Freund Brentano über dessen Vaterstadt unterhielt und ihn nach verschiedenen Plätzen und überhaupt nach dem Umgang miteinander in der ehemals Freien Reichsstadt und Stadt der Kaiserkrönungen und später auch Kaiserwahlen ausfrug.

Wie bösartig die Leute doch sind! Da unterstellen doch manche, er habe für seine Geschichte die Stadt Frankfurt nur deshalb genommen, weil sein VerlegerGeorg Friedrich Wilmans dort gewohnt hat. Auf der Zeil übrigens, die damals prächtig aussah. Als ob mein Hoffmann das nötig gehabt hätte. Aber nein, es hat ihm Spaß gemacht, seine hintersinnigen, schrägen Geschichten, Märchen genannt, in einer solchen Kaufmannsstadt anzusiedeln, wo der Wirklichkeitssinn ausgeprägter war (und ist?) als der Möglichkeitssinn (stimmt, Robert Musil hat er nicht mehr kennenlernen können, aber das Wesentliche bleibt sich über die Jahrhunderte gleich und dann sag ich lieber gleich, daß er auch Adorno nicht hat erleben können, den die dummen Frankfurter zur Nazizeit vertrieben hatten, wenigstens nicht umgebracht, und der, als er nach dem Krieg an die Frankfurter Universität mit seiner Kritischen Theorie zurückkehrte und vom ‚erkenntnisleitenden Interesse‘ sprach, das genau das ist, dessen sich mein Hoffmann sein kurzes Leben lang bewußt war, daß man es in sich tragen müsse. Und was in einem ist, muß raus!

Doch genug, erst die Zensur und dann, um was es im MEISTER FLOH geht. Übrigens hat er mit mir immer Scherze gemacht, er würde mir den Meister Floh ins Ohr setzen, nur weil ich Flöhe nicht leiden kann und zweimal welche nach Hause brachte. Das war ein Tanz!

Ich bin sicher, daß die skandalösen Zustände, mit denen mein Hoffmann von der Zensur und diesen preußischen Speichelleckern überzogen wurde, mit zu seinem frühen Tod beigetragen haben. Nun gut, sein Raubbau mit sich selber auch. Aber vergesse man nicht, wie tief Kränkungen im Körper und in der Seele hausen. Wie häufig und laut mußte ich schnurren, damit er den Kopf, das Herz und die Seele wieder frei bekam – und weiterschrieb und schrieb.

Weil ich in der Ausstellung über die obrigkeitsstaatlichen Verfolgungen, die er des MEISTER FLO wegen erlitt, kaum etwas entdeckte, will ich den Hintergrund aufklären. Die größte Gemeinheit war ja gleich, daß die 1822 veröffentlichte Erstfassung von der Zensur so zusammengestrichen war, daß ich mich noch heute wundere, wie die Leute den Zusammenhang erkennen konnten, denn zwei Kapitel waren einfach gestrichen. Er habe eine Satire geschrieben, haben sie zum Märchen in sieben Abenteuern gesagt, und habe dazu das verwendet, was er als Mitglied einer geheimen Kommission „zur Ermittlung hochverräterischer Verbindungen und anderer gefährlicher Umtriebe“ erfahren habe. Wörtlich habe er das übernommen. Na und?

Und soll ich Ihnen sagen, die konnten das, ihm seine Schriften wegnehmen, weil sie die Macht hatten, aber warum – mein Hoffmann starb ja im selben Jahr – erst 86 Jahre später, also 1908 die ursprüngliche Fassung veröffentlicht wurde, die auch heute hier in der Ausstellung liegt, das kann ich Ihnen erklären. Einer hat sie 1906 im Geheimen Staatsarchiv in Berlin gefunden, die zensierten und geklauten originalen Kapitel, von denen mein Hoffmann keine Abschriften hatte.  Zu schreiben angefangen hatte er ja im Jahr zuvor und wollte eigentlich ein Weihnachtsmärchen vorlegen, die verkauften sich gut, das wußte später der andere Frankfurter Hoffmann gut. Ach so, Sie wissen nicht, vom wem ich rede, dann sind Sie nicht aus Frankfurt und nie Kind gewesen, denn jeder auf der ganzen Welt kennt doch den Struwwelpeter von Heinrich Hoffmann, den er für seinen Sohn 1844 zu Weihnachten geschrieben und gezeichnet hatte. Aber das ist eine andere Geschichte. Erst einmal muß ich ein wenig an die Luft. So viel habe ich schon lange nicht mehr geschrieben. 

P.S.
Ich hab schon eine Zuschrift! Das gefällt mir, wenn ich gelesen werde. Aber, was diese Leserin schreibt, konnte ich nicht wissen. Ich, Matou, bin hier ein Fremder, kein Eingeplackter, wie die Urfrankfurter sagen, oder doch einer? Auf jeden Fall soll's hier noch einen dritten Hoffmann gegeben haben, einen Hilmar, und der habe auch geschrieben wie ein Wiesel, ein Buch nach dem anderen, obwohl er im Brotberuf Kulturdezernent der Stadt war und sehr verehrt wurde. Ach was, da sagt mir unsere Chefin hier gerade, er habe maßgeblich dafür gesorgt, daß dieses Romantikmuseum überhaupt erbaut wurde. Alle Achtung, diese Hoffmanns, die nie Hofmänner waren. 

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Fotos:
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Info:
Ausstellung im Romantikmuseum bis 12. Februar 2023
www.etah2022.de
www.freies-deutsches-hochstift.de
www.virtuelle-zeitreise.freies-deutsches-hochstift. de

Bildschirmfoto 2022 11 24 um 03.27.14Ich bin MATOU, dessen neun - ja neun, weil ich sogar bis Amerika kam und dort sind sie fortschrittlich und Katzen haben nicht sieben, sondern neun - Leben ein gewisser Michael Köhlmeier aufgeschrieben hat in einem Buch, das heißt, ja wiewohl? Natürlich MATOU. Ganz ordentlich macht er das und das eine Leben führte mich nach Berlin zu E.T.A. Hoffmann, der instinktiv merkte, daß ich sprechen kann und mir viele Tips für's Schreiben gab. Ach, mein guter Hoffmann. Da ich derzeit in Frankfurt lebe, nutzte ich natürlich die Gelegenheit, die Ausstellung zu seinem 200sten Todesjahr sofort anzuschauen, schließlich hat mich mein Hoffmann in seinem Werk verewigt. Wie, was? Sie wußten nicht, daß ich das Vorbild bin für LEBENS-ANSICHTEN DES KATERS MURR, dessen 1. Band 1819, der zweite 1821 erschienen, vor dem dritten starb er. So überheblich, ja arrogant bin ich gar nicht, wie er mich da beschreibt. Selbstbewußt schon und ein wenig selbstverliebt auch, aber das sind alle Kater, wir sind doch Männer.