Variete 3536Das „Sommervarieté Olé“ im Fuldaer Museumshof

Hanswerner Kruse

Fulda (Weltexpresso) - Im Rahmen von „Kultur in der Stadt“ im Museumshof, inszenierte Dirk Denzer mit viel Musik, Akrobatik, Comedy und Jonglage das aufwendige „Sommervarieté Olé“. In der kürzesten Nacht des Jahres wurde das faszinierte Publikum von den mediterranen und lateinamerikanischen Artisten auf eine lange Reise mitgenommen.

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Die Messoudi Brothers im grellroten oder knallgelben Anzug warfen sich Keulen zu – doch dabei tauschten sie, ohne innezuhalten oder Fehler zu machen, ihre farbenfrohe Kleidung (Bild oben). In „Fuego“ waren Feuerbilder eines Paares ohne Namen zu erleben, das tänzerisch in seinen Choreografien Distanz, Annäherung und feurige Vereinigung zeigte. Yoka turnte am vertikalen Seil in schwindelnder Höhe zu mexikanischen Rock-Gesängen ihres Partners. Drei Akrobaten bildeten - mit einem Hauch von Chippendale-Strippern - atemberaubende Figuren, als ob es keine Schwerkraft gäbe (Bild ganz unten).

Die Vielfalt der dargebotenen Kunststücke vor riesigen komplementären Bühnenfotos war enorm. Immer wieder wurden die Szenen durch Gesänge, Klamauk, Pantomimen, Slapsticks oder Comedy-Einlagen des international recht bekannten Trios Olé unterbrochen. Es war quasi der Abend dieser drei Entertainer. Harmlos begannen sie mit Potpourris von „NO! NO! NO!“ über „NOthing compare“ bis zu „Kalinka“, sprangen munter durch alle Genres, Kitsch und Kulturen: Kulturelle Aneignung und deren ständige Zersetzung vom Feinsten.


Variete 3713Dazwischen spielten sie mit klischeehaften Posen von Bluesern oder Hardrockern, gingen ins Publikum, klauten ein Bier, becircten Männer oder Frauen und verschwanden durch den Notausgang. Doch das Trio konnte auch anders, „serious flamenco“ hieß es im Programm: Marcial und Willy zelebrierten kraftvoll, authentisch und wild den echten Flamenco. Später kam die Bailaora Monserat dazu und brachte die Leute mit ihren feurigen Tänzen in Raserei. Irgendwann störte Gitarrist Paul - als dicker und verkleideter - Flamencotänzer die Begeisterung.
Wütend tanzte Monserat gegen ihn an – ohne sich auf seine Comedy-Ebene einzulassen (Bild).


Der Sommerabend war nicht durchgehend grotesk, akrobatisch oder spektakulär. Mal saß auch Veranstalter Denzer, der durch das Programm führte, ganz ruhig mit dem entspannten Paul zusammen. Beide spielen sanfte Gitarrenklänge und der Moderator übersetzte das Gedicht des Musikanten, das er am Vorabend schrieb: „...Fulda / wir sind / total von Dir besessen!“

Mit nur zweihundert Gästen wurde das „Sommervarieté Olé“ recht schwach frequentiert, obwohl Die Bühnenschau im letzten Sommer oder zwischen den Jahren in der Orangerie sehr gut besucht wurde. Möglicherweise lag das am derzeitigen kulturellen Überangebot in Fulda. 

Vielleicht wird Varieté auch von vielen Menschen als altmodisch empfunden. Doch diese spannende und abwechslungsreiche Kunstform lebt im digitalen Zeitalter von wunderbarer Authentizität, echter Gefahr und großer Nähe zum Publikum. Das wunderbare Projekt hätte definitiv ein wesentlich größeres Publikum verdient gehabt.

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Fotos:
© Hanswerner Kruse