Hanswerner Kruse
Steinau (Weltexpresso) -„Nix Perfekt“ heißt das radikale Objekttheater, das bei den 29. Puppenspieltagen gezeigt werden sollte. Doch da bekanntlich „nix perfekt“ ist, musste die Vorstellung ausfallen, weil sich ein Akteur verletzt hatte und nicht auftreten konnte.
Dafür sprang kurzfristig das Nürnberger Theater „Salz und Pfeffer“ ein, welches eine eigenwillige Interpretation von Shakespeares „Wie es euch gefällt“ darbot.
Seit einigen Jahrzehnten verstecken sich die Puppenspieler nicht mehr, sondern sind auf der Bühne sichtbar oder werden tatsächlich zu Mitspielern. Sie verdoppeln den Ausdruck ihrer Figuren oder streiten sogar mit ihnen. Und alles kann zur Puppe werden: der Arm eines Darstellers, ein Wurstbrötchen oder alte abgesägte Strommasten, wie sie die Nürnberger nutzen. Die wurden durch einen Künstler in große, äußerst skurril anmutende Figuren verwandelt. In der Aufführung werden diese „kantigen Kerle“ gekippt, geschoben oder gerollt und von den beiden Spielern belebt, die dabei mit ihnen verschmelzen. Das ist faszinierend, gleichzeitig aber auch eine unaufhörliche Verfremdung.
In Shakespeares Zeiten waren Theaterleute ausschließlich Männer, die auch die Frauen darstellten. Gerade in „Was ihr wollt“ entsteht durch die scheinbaren Verwandlungen von Frauen zu Männern viel Komik und dramatische Spannung. Auch die Nürnberger Spielleute verwandeln ihre Riesenfiguren ständig durch Perücken, angedeutete Kleidungsstücke und andere Utensilien in Männer oder Frauen.
Die Geschichte des britischen Dramatikers ist bereits ziemlich komplex und schwierig genug, doch durch die Veränderungen durch „Salz und Pfeffer“ geht im Stück bald gar nichts mehr. Als Teil der Darbietung kommt den Akteuren bereits nach kurzer Zeit Ihre Erkenntnis: „Da blickt doch keiner durch!“ Deshalb erklären sie dem Publikum die verwandtschaftlichen Beziehungen und Intrigen ihrer Personen sowie die Prüfungen der vielen Liebenden. Dazu nutzen sie kleine Doppelgänger der großen hölzernen Gestalten.
Wir wollen jedoch an dieser Stelle weder das Shakespeare’sche Original noch die Nürnberger Fassung nacherzählen. Denn auch für diese Aufführung gilt nicht so sehr die Frage, WAS da eigentlich auf der Bühne passiert, sondern WIE es erzählt, gestaltet und dargeboten wird? Wenn man sich damit anfreundet, war der Steinauer Puppenabend nicht nur äußerst spaßig, sondern auch sehr lehrreich, was das zeitgenössische Figurentheater für Erwachsene betrifft.
Ein Spieler und eine „echte“ Spielerin (denn wir leben ja nicht mehr im 17. Jahrhundert) sind auf der Bühne und bauen ständig die Kulisse mit einfachsten Mitteln selber um. Sie beleben und verändern die Figuren, verschmelzen mit ihnen, werden selbst Darsteller, einmal sogar als Moritatensänger und arbeiten auf verschiedenen Ebenen mit Miniaturfiguren. Dadurch entsteht eine humorvolle, abwechslungsreiche und vielschichtige Inszenierung, die so, als einfaches Theaterstück gar nicht möglich wäre.
Fotos:
© Hanswerner Kruse