Sabine Zoller
Karlsruhe (Weltexpresso) - Aus Anlass seines 100. Todestages am 7. November thematisiert die Kunsthalle Karlsruhe im Rahmen ihrer Studioausstellung Hans Thoma. Ein Maler als Museumsdirektor das Wirken ihres ehemaligen Direktors, Hans Thoma. Im Jahr 1899 ernannte der badische Großherzog den Maler und Grafiker Hans Thoma zum Direktor der Großherzoglichen Kunsthalle in Karlsruhe. Thoma hatte selbst dort als junger Mann die Kunstschule besucht, bevor er sich nach verschiedenen Stationen im In- und Ausland in Frankfurt am Main als Künstler etablierte.
Die Studioausstellung in Karlsruhe wirft einen Blick darauf, welche Kunstwerke Thoma in seiner Zeit in Karlsruhe erwarb, welche Vorstellungen von Kunst ihn dabei leiteten und wie viel Freiheit er bei seinen Entscheidungen in der Kunsthalle hatte. Zu sehen sind dabei einige repräsentative Ankäufe, darunter wichtige Werke aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert – unter anderem von Franz Xaver Winterhalter, Anselm Feuerbach, Wilhelm Leibl und Wilhelm Trübner. Ein Schwerpunkt liegt auf Thomas eigenem künstlerischen Schaffen, doch es geht dabei nicht um eine Retrospektive seines Lebenswerks, sondern um eine forschungsbasierte neue Sicht auf den Künstler und Direktor Thoma, dessen politische Ambivalenz in jüngster Zeit folgenreich diskutiert wurde.
Thoma als Künstler
Thoma hat für Karlsruhe eine besondere Bedeutung: Er wurde 1899 von Großherzog Friedrich I. von Baden als Direktor der Großherzoglichen Galerie und Lehrer an der Akademie nach Karlsruhe berufen. Zwanzig Jahre lang wirkte er als der letzte große Malerdirektor der heutigen Kunsthalle und prägte für einen langen Zeitraum ihre Geschicke. Seine Doppelfunktion – als Künstler und Direktor – bestimmt die zweigeteilte Ausstellung: Ein Bereich widmet sich Hans Thoma primär als Maler und zeigt eine Auswahl wichtiger Gemälde aus seinen verschiedenen Schaffensphasen. So ist sein Selbstbildnis mit Amor und Tod (1875) ebenso zu sehen wie der berühmte Kinderreigen (1872) oder die faszinierende, jüngst restaurierte Kopfstudie eines jungen Schwarzen Mannes (1880). Eine eigens entwickelte App weitet den isolierten Blick auf Thoma, indem sie wichtige Menschen aus seinem privaten und beruflichen Umfeld vorstellt. »Thomas Netzwerk war enorm weit gespannt. Es reicht vom Kunstwissenschaftler Henry Thode über den Direktor der Berliner Nationalgalerie Ludwig Justi bis zu einer Mäzenin wie Cosima Wagner«, so Clara Heusch, eine der drei Kuratorinnen der Ausstellung.
Thoma als Direktor
Im zweiten Ausstellungsteil werden exemplarisch bedeutende Gemälde gezeigt, die Thomas Erwerbungen als Direktor der Kunsthalle Karlsruhe repräsentieren. Hierzu zählen Anselm Feuerbachs Bildnis der Nanna Risi (1861), das ungewöhnlich abstrakte Gemälde Die Maler Leibl und Sperl im Segelboot (1875) von Rudolf Hirth du Frênes, aber auch die großformatige Schwarzwälder Spinnstube (1901) von Wilhelm Hasemann. Die Besucher*innen erhalten zudem Informationen zu den damals gezahlten Preisen und, soweit bekannt, zu den Beweggründen für die jeweiligen Erwerbungen.
Thomas Erwerbungen: Auswahlkriterien und Vorlieben
Thomas Handeln stand unter der Aufsicht der Generalintendanz der Großherzoglichen Zivilliste. Erwerbungen mussten zudem durch eine Ankaufskommission genehmigt werden, wobei der Großherzog das letzte Wort hatte. »Dennoch ist Thomas Handschrift klar erkennbar«, so Dr. Leonie Beiersdorf, »Künstler, die Thoma als angehenden Maler und Grafiker geprägt haben, finden wir 30 Jahre später unter seinen Erwerbungsvorschlägen für die Kunsthalle.«
Thoma setzte sich besonders für die zeitgenössische badische Kunst ein. Statt im Kunsthandel kaufte er auf Ausstellungen, aber auch direkt aus Ateliers oder nahm Werke aus Nachlässen an. »Die Berücksichtigung regionaler Kunst gehörte im deutschen Kaiserreich zur Sammlungspolitik vieler Museen. Die wenig risikobereite, eher konservative Haltung Thomas verhinderte jedoch die Öffnung der Sammlung für die Moderne, womit sich sein Ankaufsverhalten von innovativen Ansätzen in Bremen, Hamburg, Berlin, Wuppertal oder Mannheim deutlich unterschied«, erläutert Dr. Tanja Baensch. Werke des Impressionismus, des Kubismus oder des Expressionismus erwarb die Kunsthalle erst nach Thomas Ausscheiden aus dem Amt im Jahr 1919.
Teamarbeit in der Forschung
Das Team der drei Wissenschaftlerinnen ging in intensivem Quellenstudium der Frage nach, welchen Einfluss Thoma während seines Direktorats auf die Kunsthalle Karlsruhe und ihre Bestandserweiterung nahm und welchen Gestaltungsspielraum er hatte. »Hierfür war auch ein noch andauerndes Kooperationsprojekt mit der Badischen Landesbibliothek wichtig«, so Prof. Dr. Frédéric Bußmann, Direktor der Kunsthalle. »Dort werden seit Anfang 2024 mit Unterstützung der Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg die umfangreichen Korrespondenzen von und an Hans Thoma aufwändig digitalisiert und mittels KI-gestützter Software sowie kunsthistorischen Sachverstands transkribiert und veröffentlicht – die Thoma-Forschung profitiert davon, dass diese kaum genutzten Quellen nun so leicht zugänglich werden.«
Die Ausstellung der Kunsthalle kann nur einen Teil der bisherigen Forschungsergebnisse zeigen. In Thomas Amtszeit wurden immerhin rund 400 Gemälde, 1.100 graphische Arbeiten und 30 plastische Arbeiten erworben. Eine Zusammenstellung der unter Thomas Direktorat hinzugekommenen Gemälde und Plastiken wird in Kürze auf der Webseite der Kunsthalle veröffentlicht.
Fotos:
Hans Thoma-Selbstbildnis – Einblick in die Ausstellung
@Kunsthalle Karlsruhe