Freud Museum Londonab sofort im Sigmund Freud Museum in Wien

Anna von Stillmark

Wien (Weltexpresso) - Die fehlende Couch in Sigmund Freuds Behandlungszimmer – eine Leerstelle, die heute in der Berggasse 19 bewusst zur Mahnung genutzt wird: 1938 musste Sigmund Freud vor dem Nationalsozialismus fliehen und nahm seine Besitztümer mit ins Exil nach London. Heute erinnert die kahle Wand im Behandlungszimmer an die Flucht Freuds und den Verlust von Kultur und Menschlichkeit im Nationalsozialismus.

Das Sigmund Freud Museum ermöglicht seinen Besucher:innen nun im Einklang mit dem Konzept, keine Rekonstruktionen der verlorengegangenen oder abtransportierten Objekte vorzunehmen, eine zusätzliche Erfahrung: mit einer Augmented Reality-Applikation für das Smartphone wird die Couch an ihrem ursprünglichen Ort sichtbar gemacht – virtuell und vorübergehend.


Der Ablauf

Nach Scannen eines QR-Codes ist ein 3D-Abbild des Möbels für kurze Zeit am eigenen Smartphone zu sehen, eine Audiospur in deutscher und englischer Sprache ordnet die historischen Gegebenheiten rund um die Abwesenheit der Couch ein. Anschließend löst sich das Bild der Couch wieder auf, zurückbleibt – wie in der Realität – eine Leerstelle. So wird die Geschichte der abwesenden Couch, eines der zentralen Narrative in der Museumserzählung zu Freuds Flucht und der Auslöschung der Wiener Psychoanalyse 1938, auf eine zugängliche Weise vermittelt. Das Museum kommt seiner eingeschriebenen Aufgabe als Gedenkort für den Holocaust nach.


Partner in Berlin und London

Für die interaktive Installation wurde mit einem Partner zusammengearbeitet, der die nötige Erfahrung in der Arbeit mit sensiblen Themen mitbringt: Das Berliner Start-Up ZAUBAR wurde in den vergangenen Jahren für mehrere KI- & AR-Projekte im musealen und historischen Kontext (u.a. im ehemaligen KZ Dachau) ausgezeichnet.

Umgesetzt werden konnte diese Installation durch die Kooperation mit dem Freud Museum London, wo die Couch heute zu sehen ist. Direktor Giuseppe Albano ermöglichte den Expert:innen von ZAUBAR den Zugang zur Couch und die Vermessung mittels 3D-Scan.


Der Audiotext zur Installation

„Sehr geehrter Herr Professor,
Ich habe das Vergnügen Ihnen zur Kenntnis zu bringen, dass alle zum Umzug bestimmten Gegenstände in drei Waggons verladen (..) an die Fa. Woodbrige Removal&Overseas (…) London (…) auf den Weg gebracht wurden.“

Dies schrieb das Wiener Speditionsunternehmen Bäuml am 4. August 1938 an Sigmund Freud, der sich bereits in London aufhielt. Er hatte Wien am 4. Juni mit dem Zug verlassen und war nach England emigriert. Unter den „zum Umzug bestimmten Gegenständen“ befand sich auch die berühmte Couch. Ursprünglich ein Geschenk einer Patientin und stets mit einem orientalischen Teppich bedeckt, stand die Couch jahrzehntelang hier in Freuds Behandlungszimmer.

Im August 1938 in London angekommen, wurde sie in Freuds neuem Domizil in Maresfield Gardens wieder aufgestellt – wo sie noch heute im Freud Museum London zu besichtigen ist.

Die Leerstelle der abwesenden Couch in der Berggasse 19 ist heute Sinnbild für die Vertreibung von Kultur und Menschlichkeit während des Nationalsozialismus. Sie verweist auf die millionenfachen Opfer der Shoah, auf die Geflüchteten und auf jene, die wie Freuds Schwestern, ermordet wurden. Die Ikone der Psychoanalyse, Freuds Couch, wird nie mehr nach Wien zurückkehren. Was bleibt, ist ihr Abbild - und die Leerstelle zur Mahnung.


Das Sigmund Freud Museum
Wien IX, Berggasse 19. An dieser Adresse lebte und arbeitete Sigmund Freud 47 Jahre, ehe er 1938 vor den Nationalsozialisten fliehen musste. Seit 1971 befindet sich hier das Sigmund Freud Museum, das 2020 nach umfassender Sanierung und Erweiterung neueröffnet wurde. Drei Dauerausstellungen in den ehemaligen Wohn- und Ordinationsräumen Freuds, eine Kunstpräsentation im Schauraum Berggasse 19 sowie Sonderausstellungen vermitteln Freuds vielschichtiges kulturelles Erbe: Sie sind seinem Leben und Werk gewidmet, der Entwicklung der Psychoanalyse in Theorie und Praxis und ihrer Bedeutung für die Bereiche Gesellschaft, Wissenschaft und Kunst. Auch die Geschichte des Hauses Berggasse 19 sowie die bewegten Schicksale seiner Bewohnerinnen und Bewohner werden ins Blickfeld gerückt.

Foto:
©Freud Museum Lonson

Info:
www.freud-museum.at