Nikolai Gogols Komödie „Der Revisor“ in einer Inszenierung von Sebastian Hartmann im Schauspiel Frankfurt

 

Klaus Philipp Mertens

 

Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Sebastian Hartmann hat für das Schauspiel Frankfurt Nikolai Gogols Komödie „Der Revisor“ inszeniert. Und sich dabei von dem russischen Dichter in ähnlicher Weise inspirieren lassen, wie dieser sich 1835 angeblich von Puschkin anregen ließ.

 

Einer Anekdote zufolge soll er diesen gebeten haben: „Tun Sie mir den Gefallen und geben Sie mir irgendein Sujet, irgendeine komische oder nicht komische, aber rein russische Posse. Ich brenne jetzt darauf, eine Komödie zu verfassen!“ Der soll ihm daraufhin von einem persönlichen Erlebnis erzählt haben: In Niznij-Novgorod sei er einmal für einen inkognito reisenden staatlichen Revisor gehalten worden, was zu vielen lustigen Verwechslungen geführt hätte.

 

Hartmann setzt diese Wirkungsgeschichte fort, indem er Gogols Komödie eine neue überstülpt, die zwar dem ursprünglichen Handlungsrahmen und den tragenden Personen irgendwie, wenn auch nicht immer sofort erkennbar, folgt. Die jedoch vor allem den Plott des Stücks auf eine neue satirische Ebene, nämlich die der allgemeinen Gültigkeit unter Berücksichtigung des weltgenetischen Tohuwabohus, transformiert.

 

Während im Original der vermeintliche Revisor Chlestakov von allen Beteiligten für den gehalten wird, der er nicht ist und zunächst auch gar nicht sein will, ist bei Hartmann die Verwechslung total. Die Schauspieler mimen mal diesen, mal jenen und geraten dabei selbst durcheinander, was sie als großartige Darsteller bei allem erkennbaren Spaß an der Sache zwar nicht tun, was man ihnen aber wegen dieses sämtliche Talente herausfordernden Spiels uneingeschränkt abnimmt.

 

Hierzu tragen ihre rasch wechselnden Kostüme (zunächst Frack und Zylinder, später Revuekleider; Jan Breustedt umrundet die Bühne mehrfach völlig unbekleidet) und eine in Kabinette aufgeteilte doppelbödige, sich gegenläufig drehende Bühne erheblich bei. Ein Musikant mit Gitarre (Steve Binetti) brilliert teils als eine Art Minne-, teils als Bänkelsänger.

 

Die zahlreichen Witze, von denen sich der größere Teil des Publikums anstecken lässt, sind bewusst schlecht, weil allzu schlicht, gehalten, unterstreichen aber auf ihre Weise die Absurdität, die hier zum Ausdruck gebracht wird.

 

Gogol selbst urteilte einige Jahre nach der Uraufführung über seine Komödie: „Im Revisor beschloss ich, alles Schlechte in Russland, was ich damals kannte, auf einen Haufen zu sammeln ... und mit einem Mal alles zu verlachen.“ Sebastian Hartmann hat diesen Ansatz erweitert und auf alle autoritätshörigen Klein- und Spießbürger sämtlicher Nationen übertragen.

 

 

Info:

 

Premiere hatte das Stück am 20. Februar 2016. Weitere Aufführungen bis 28. April.

Dauer: 2 Stunden, 15 Minuten, keine Pause

Regie und Bühne: Sebastian Hartmann

Kostüme: Adriana Braga Peretzki

Komposition und Live-Musik: Steve Binetti

Dramaturgie: Michael Billenkamp

Licht: Lothar Baumgarte

 

Besetzung:

Katharina Bach, Franziska Junge, Linda Pöppel, Jan Breustedt,

Isaak Dentler, Max Mayer, Sascha Nathan, Holger Stockhaus

 

Foto: Der Revisor, Regie: Sebastian Hartmann mit Max Mayer, Katharina Bach, Holger Stockhaus, Franziska Junge, Sascha Nathan, Linda Pöppel, Isaak Denlter, (c) Birgit Hupfeld

 

Foto im Text: Nikolai Wassiljewitsch Gogol