im Freien Deutschen Hochstift / Frankfurter Goethe-Museum, vorgestellt am 15. März
Cordula Passow
Frankfurt am Main (Weltexpresso) - Ende 2014 wurde dem Freien Deutschen Hochstift/Frankfurter Goethe-Museum von der Germanistin und Eichendorff-Forscherin Sibylle von Steinsdorff (1934-2016) eine umfangreiche Eichendorff-Sammlung aus ihrem Privatbesitz zum Kauf angeboten.
Es handelt sich um insgesamt 218 Doppelblätter und 100 Blätter mit Werkhandschriften, Briefen von und an Eichendorff sowie Korrespondenzen der Söhne zur Publikation der Werke. Von Eichendorff selbst enthält das Konvolut unter anderem Handschriften zum Roman „Ahnung und Gegenwart“, zur Novelle „Das Marmorbild“ sowie die autobiographische Skizze „Idyll von Alt Lubowitz“, ferner Gedichtentwürfe, etwa zu „Im Alter“ und „Memento Mori“. Auch die Korrespondenz bietet Bemerkenswertes, etwa eine Anfrage von Clara Schumann vom 19. Januar 1947, in der sie um ein Autograph von Eichendorffs Hand für das Memorabilienalbum der Familie bittet.
Dank der Unterstützung durch die Kulturstiftung der Länder, die Hessische Kulturstiftung und die Fritz Thyssen Stiftung konnten wir dieses Angebot annehmen und das für die Hochstiftssammlungen so bedeutsame Konvolut in die eigenen, umfangreichen Handschriftenbestände aufnehmen.
Die Handschriften stammen aus dem sogenannten „Wiesbadener Nachlass“ und haben eine bewegte Geschichte hinter sich. Der besagte Nachlass geht auf Eichendorffs Enkel Karl von Eichendorff zurück, der in Wiesbaden lebte. Dieser hatte kurz vor seinem Tod seine Sammlung der „Deutschen Eichendorff-Stiftung“ überlassen, die Ende 1935 in Eichendorffs Sterbehaus im oberschlesischen Neisse das „Deutsche Eichendorff-Museum“ eröffnete. Neben Eichendorffs Bibliothek und den Bildern seiner Ahnen wurden in Neisse in drei Eichentruhen auch seine Handschriften verwahrt. Diese Truhen wurden 1944 angesichts der anrückenden russischen Truppen in das Dörfchen Thomasdorf (Domašov) im Altvatergebirge verlagert und befanden sich damit nicht mehr in Schlesien, sondern im Reichsgau Sudentenland. Nach 1945 wurden sie geplündert und ihr Inhalt über die umgebende Region verstreut. Damit galt der Bestand, der der 1908 gegründeten Historisch-kritischen Ausgabe noch zur Verfügung gestanden hatte, als unrettbar verloren.
1955 tauchte in einem Prager Antiquariat Eichendorffs Jugendtagebuch auf, das als Geschenk der tschechoslowakischen Volksrepublik dem Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar übergeben wurde. 1971 bestätigten sich erste Nachrichten über die Sicherstellung eines umfangreichen Handschriften-Konvoluts im Bezirksarchiv Šumperk (Mährisch-Schönau), das 1990 nach langen Verhandlungen mit den tschechischen Behörden von der Bundesrepublik übernommen und der Eichendorff-Gesellschaft übergeben werden konnte. Auf verschlungenen Wegen tauchten weitere Bestände auf, die zumeist der Eichendorff-Gesellschaft und dem Freien Deutschen Hochstift angeboten wurden.
Viele dieser Erwerbungen wurden von Sibylle von Steinsdorff in die Wege geleitet, die als Redakteurin bei der Kritischen Eichendorff-Ausgabe arbeitete und sich mit großem persönlichen Engagement für die Zusammenführung und Dokumentation des Nachlasses einsetzte. Sie hatte auch das Gutachten für die Erwerbung des Šumperk-Konvoluts im Jahr 1990 geschrieben.
Die nun in den Besitz des Freien Deutschen Hochstifts übergegangene Sammlung fügt sich hervorragend in die Bestände des Freien Deutschen Hochstifts ein. Seit 1909 werden hier Handschriften von Eichendorff systematisch angekauft und gesammelt, darunter 1984 Eichendorffs Jugendgedichte aus dem Nachlass seines Freundes Otto von Loeben. Im Jahr 2005 gelangte die sehr umfangreiche Eichendorff-Sammlung der Bundesrepublik Deutschland ins Haus, die von der inzwischen aufgelösten Eichendorff-Gesellschaft betreut worden war. Sie geht ebenfalls auf den „Wiesbadener Nachlass“ zurück.
Im nun erworbenen Konvolut finden sich zahlreiche Gegenstücke zu bereits vorhandenen Handschriften Eichendorffs. So besaß das Hochstift zur bekannten Novelle „Das Marmorbild“ bereits umfangreiche Vorstufen, die nun weiter angereichert werden. Besonders bemerkenswert sind auch die vielen Korrespondenzen von und an Eichendorff sowie die umfangreichen Verlagskorrespondenzen der Kinder, die der Forschung wichtige Einblicke in die Publikationsgeschichte von Eichendorffs Werken geben.
Heute besitzt das Freie Deutsche Hochstift, das derzeit auf dem Nachbargrundstück das „Deutsche Romantik Museum“ errichtet, die größte Sammlung mit Eichendorff-Autographen weltweit.
Unter dem Titel „Ich fürchte, Sie haben mich längst vergessen“ würdigt das Freie Deutsche Hochstift die Neuerwerbung am 15. März 2016 mit einer Veranstaltung, bei der Prof. Dr Ursula Regener (Universität Regensburg) in den Bestand einführen wird. Die Veranstaltung erinnert zugleich an die einstige Eigentümerin Sibylle von Steinsdorff, die am 18. Februar 2016 in Unterhaching gestorben ist.
Foto: © FDH
zum Umschlag:
Umschlag zum Brief des Gutsverwalters Joseph Frenzel vom 4. Oktober 1834 an Eichendorff, auf dem dieser auf der Rückseite 1836 notierte, wie Frenzel mit dem Familiengut Sedlnitz weiter verfahren solle: "An p. Frentzel = Er soll auf Reparatur des alten Schloßes kein Geld verwenden, sondern zum Neubau sparen. Auch im Garten soll er nichts ohne meine Anordnung vornehmen. / Eine Verwalterwohnung kann er aparte bauen, wo er will."
Info:
15. März 2016, 19 Uhr